Medizin & Technik

Endovaskuläre Therapie abdomineller Aortenaneurysmen

11.06.2012 -

Modernste interventionelle Techniken erweitern zunehmend die Möglichkeiten einer endovaskulären Therapie auch bei komplexen juxtarenalen Aortenaneurysmen mit der Notwendigkeit einer minimal-invasiven Revaskularisation der Viszeralarterien.

Die häufigste Ursache eines Bauchaortenaneurysmas sind atheriosklerotische Wandveränderungen. Ein Bauch­aortenaneurysma tritt mit einer Inzi­denz von 38/100.000 Einwohner auf. Eine Behandlungsindikation besteht ab einem Diameter von 4,5 cm bei Frauen und 5,0 cm bei Männern oder bei einem Progress des Aneurysma von 0,5 bis 1 cm pro Jahr. In Abhängigkeit der Aneurysmagröße besteht eine Rupturgefahr von 5-50 % pro Jahr.

Endovaskuläre Aneurysmatherapie (EVAR)

Die endovaskuläre Aneurysmatherapie zählt zu den vergleichsweise neuen, jedoch mittlerweile etablierten Verfahren zur Behandlung infrarenaler Bauchaortenaneurysmen. Randomisierte Multicenterstudien konnten belegen, dass die endovaskuläre Therapie die perioperative Mortalität signifikant verringert bei einem im Vergleich zur konventionellen Aortenchirurgie vergleichbarem Outcome nach einem medianen Follow-up-Intervall von vier Jahren. Die perioperative Letalität von 0,5-3 % unterscheidet sich nicht zwischen der konventionellen und endovaskulären Therapie. Jedoch müssen die Vorteile einer reduzierten Morbidität der endovaskulären Therapie gegen den Nachteil des weiterhin noch unklaren Langzeitverlaufs abgewogen werden.

Um zu evaluieren, ob sich das Aneurysma für eine endovaskuläre Versorgung eignet, ist die Computertomografie das Verfahren der Wahl. Wesentliche anatomische Parameter sind die Konfiguration des Aneurysmahalses sowie der Durchmesser und die anatomischen Eigenschaften der Zugangsgefäße. Bei der Verwendung von konventionellen Stentgraft-Systemen sollte der Aneurysmahals, also der Abstand von der kaudalsten Nierenarterie zum kranialen Aneurysmarand, 15 mm nicht unterschreiten, um eine sichere Verankerung der Endovaskularprothese zu erreichen. Weitere wichtige präinterventionelle Informationen sind die Angulation des Aneurysmahalses und die Torsionswinkel der Zugangsgefäße, um peri- und postinterventionelle Komplikationen zu minimieren. Durch eine optimale Patientenauswahl kann das Risiko postinterventioneller Komplikationen, wie z. B. Endoleaks, si­gnifikant reduziert werden.

Prothesensysteme

Mittlerweile ist eine Vielzahl zugelassener Prothesensysteme erhältlich, die sich hinsichtlich Design, Modularität und Größe des Trägersystems unterscheiden. Die am häufigsten verwendeten Prothesen sind bi- oder trimodulär und werden entweder supra- oder infrarenal aktiv, d. h. mit kleinen Häkchen, verankert. Die Systeme bestehen aus einer dichten Kunststoffmembran, in die selbstexpandierbare Federn eingenäht werden, die das System nach Freisetzen zur kompletten Entfaltung bringen und stützen.

Die Einführung von Low-profile-Systemen mit hoher Flexibilität erlaubt in zunehmendem Maße eine vollständig perkutanes Vorgehen mit der Möglichkeit, auf eine operative Eröffnung der Leistenarterien zu verzichten. Die als Preclosing beschriebene Technik ermöglicht durch perkutan in die Gefäßwand eingebrachte Nähte einen postinterventionellen minimalinvasiven Gefäßverschluss, auch von Zugängen, die eine Größe von 20 French überschreiten. Bei guter Patientenselektion können durch dieses Verfahren Komplikationen an den Zugangsgefäßen signifikant reduziert werden.

Modernste interventionelle Techniken erweitern in den letzten Jahren zunehmend die Möglichkeiten einer endovaskulären Therapie auch bei komplexen juxtarenalen oder paraviszeralen Aortenaneurysmen, die eine Revaskularisation der Viszeralarterien erforderlich machen. Hierzu zählen die sogenannte Chimney- oder Periscope-Technik oder die Verwendung maßgefertigter fenestrierter und gebranchter Prothesen mit Seitenarm.

Chimney- und Periscope-Technik

Im Gegensatz zu individualisierten Prothesen hat sich in den letzten Jahren die sog. Chimney- und Periscope-Technik als ‚off-the-shelf‘-Lösung etab­liert (Abb. 1). Chimney-Grafts verlaufen zwischen der Aortenwand und der Endovaskularprothese nach cranial (Chimney, „Kamin") oder nach kaudal (Periscope-Graft) und ermöglichen so eine Perfusion der durch die Aortenprothese überdeckten Viszeralgefäße. Einzelfallberichte zeigen eine hohe technische Erfolgsrate und gute Ergebnisse in einem Follow-up bis zu zwei Jahren. Mit dieser Technik können komplexe juxtarenale Aneurysmen vollständig endovaskulär mit einer Revaskularisation des Truncus coeliacus, der A. mesenterica superior und beider Nierenarterien versorgt werden.

Elektivsituation

Im Gegensatz zu der oben beschriebenen Chimney-Technik kann in der Elektivsituation durch individualisiert angefertigte Prothesensystem die Gefahr eines Typ-I-Endoleaks vermindert werden. Typ-I-Endoleaks verursachen eine persistierende Perfusion des Aneurysmasacks mit der Gefahr einer späteren Aortenruptur. Diese maßgefertigten fenestrierten und gebranchten Prothesen mit Seitenarm (Abb. 2) stellen eine weitere Möglichkeit der Behandlung komplexer juxtarenaler Aneurysmen dar. Fenestrierungen stellen Öffnungen auf Höhe der Viszeralarterien dar, durch die mit einem Stent die entsprechende Viszeralarterie mit der Aortenprothese verbunden wird. Gebranchte Prothesen enthalten vorgefertigte Seitarme, die in das Zielgefäß eingebracht werden. Auch diese Behandlungsstrategie zeichnet sich durch hohe primäre Erfolgsraten aus, Langzeitergebnisse liegen in Einzelzentren teilweise vor.

Durch neueste technische Entwicklungen rückt die endovaskuläre Therapie zunehmend in den Fokus der Behandlung auch komplexer ­Aneurysmen. Gerade bei multimorbiden älteren Patienten mit einem hohen perioperativen Risikos stellt diese minimalinvasive Methode eine exzellente Behandlungsmöglichkeit dar.

 

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