Labor & Diagnostik

Klinikum Bremen-Nord: Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes

12.07.2012 -

Klinikum Bremen-Nord: Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes. Der Typ-2-Diabetes manifestiert sich am häufigsten im Alter zwischen 55 und 65 Jahren. Da eine Insulintherapie in der Regel nach 10 Jahren Diabetesdauer erforderlich ist, wird die Indikation zur Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes deshalb quantitativ überwiegend bei älteren Menschen gestellt. Der Aufwand der Therapie für diesen Personenkreis muss angemessen, d.h. möglichst einfach und praktikabel sein.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Insulintherapie

Im vorgerücktem Stadium benötigen die meisten Typ-2-Diabetiker exogenes Insulin zur optimalen Stoffwechselkontrolle. International wird eine normnahe Einstellung von Blutzucker und HbA1c gefordert, d.h. ein HbA1c-Wert von <7,0 % angestrebt. Der Beginn der Insulintherapie ist ein einschneidendes Erlebnis für die Patienten. Ältere Menschen haben dabei Ängste vor Injektionen, Schmerzen, Gewichtszunahme, Einschränkungen im Alltag und vor Überforderung. In einer amerikanischen Untersuchung gaben 56,1 % an, dass Insulin das Leben der Patienten deutlich einschränke. Es würde schwieriger zu reisen, zum Essen auszugehen etc. 53,1 % sagten, dass man nach Beginn der Insulintherapie die Therapie nicht mehr beenden könne. Der behandelnde Arzt muss also viel Einfühlungsvermögen für die Akzeptanz der Insulintherapie von älteren Patienten aufbringen, die Therapie sollte einfach und praktikabel sein.

Formen der Insulintherapie

Die noch vor wenigen Jahren übliche Faustregel: Typ-1-Diabetes = intensivierte Insulintherapie (ICT), Typ-2-Diabetes = konventionelle Insulintherapie (CT) kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Generell gilt, je jünger die Typ-2-Diabetiker umso flexibler kann die Insulintherapie eingesetzt werden. Patienten mit CT (zweimalige Gabe Mischinsulin 30/70) haben einen stark reglementierten Tagesablauf, die Insulinanpassung bei Bewegung und Mahlzeitenaufnahme ist kaum möglich. Zwar wird der Insulinbedarf für 24 Stunden abgedeckt, die CT liefert aber keinen dynamischen Insulinersatz. Bei den meisten Typ-2- Diabetikern werden unter Mischinsulin die empfohlenen HbA1c-Zielwerte von <7,0 % nicht erreicht. In der LAPTOP-Studie wurden Probanden mit nicht ausreichender Einstellung unter oralen Antidiabetika (OAD) in einem Therapiearm mit Mischinsulin 2-mal täglich als Insulinmonotherapie gegenüber einer Kombination von Basalinsulin und Fortführung der OAD über einen Zeitraum von 6 Monaten behandelt.

Durch Dosistitrierung wurde die Insulinmenge des Mischinsulins auf 64E/Tag gegenüber 28E/Tag in der Kombinationstherapie gesteigert. Dennoch konnte nur in 30 % der Mischinsulingruppe gegenüber 55 % in der Kombination von OAD und Basalinsulin ein HbA1c-Wert von 7,0 % erreicht werden (Abb. 1). Ein wirksamer Kombinationspartner für das Basalinsulin ist Metformin. Diese Form der Insulintherapie ist pathophysiologisch sinnvoll, da nicht nur der Insulinmangel substituiert, sondern auch die Insulinresistenz durch das Metformin gebessert wird. Wegen der günstigen Effekte auf Herz und Gefäße sollte Metformin Patienten mit Typ 2 Diabetes, auch den betagten, nicht vorenthalten werden.

„Basalunterstützt Orale Therapie” (B.O.T.) und „Supplementäre Insulintherapie” (S.I.T.)

Wenn OAD für die Blutzuckersenkung nicht mehr ausreichen, ist der Stoffwechsel zumeist durch erhöhte Nüchtern-Glukosewerte charakterisiert. Nach der alten diabetologischen Weisheit, dass der Diabetiker mit „normnahem Blutzucker den Tag beginnen muss, um ein gutes Blutzucker- Tagesprofil zu erreichen“, wird in dieser Erkrankungsphase nach internationalem Konsens die Kombination von OAD mit Basalinsulin empfohlen. Die Kombinationstherapie ist einfach durchzuführen, für den Patienten bequem und mit einer geringeren Hypoglykämiegefahr verbunden. Sie ist in den meisten Fällen als „Einstieg“ zur Insulintherapie bei unzureichender OAD-Behandlung geeignet. Therapieziel ist die Unterdrückung der hepatischen Glukoseproduktion, die durch endogenes Insulin nicht mehr ausreichend supprimiert wird. Viele Studien haben gezeigt, dass Glargin (Lantus) in dieser Konstellation vorteilhaft ist. Glargin ist ein langwirkendes basales Humaninsulin mit einem konstant flachen Wirkungsprofil ohne deutliche „Peaks“.

Bei mindestens gleichguter Blutzuckersenkung im Vgl. zu NPH-Insulin sind nächtliche Hypoglykämien reduziert. Aus der weit geringeren Datenlage von Insulin Detemir ( Levemir) ist ein ähnlich günstiges Verhalten abzuleiten, doch muss Detemir in der Regel zweimal täglich injiziert werden. Der Begriff B.O.T. wurde in der Literatur meist in Zusammenhang mit dem Glargin-Insulin geprägt. Der anfängliche Ansatz der Kombination von Sulfonylharnstoff und Glargin nach dem Motto „One Pill – One Shot“ wurde aus pathophysiologischer Sicht in sinnvoller Weise um die zweite Pille Metformin erweitert (Two Pills – One Shot). Diese Therapieform kam in der LAPTOP-Studie mit erstaunlichem Erfolg bei „Insulin-naiven“ Typ- 2-Diabetikern zum Einsatz. Gegenüber der konventionellen Insulintherapie gab es bei B.O.T. bessere Ergebnisse: Signifikant niedrigere Blutzucker und HbA1c-Werte (Abbildung 1), 50 % weniger Hypoglykämien, geringere Gewichtszunahme und nur etwa ein Drittel der täglichen Insulindosis.

Aufgrund der geringen Häufigkeit der Blutzuckerkontrollen (1 Messung/Tag) ist die B.O.T. der CT oder S.I.T. mit häufigeren Injektionen und Blutzuckermessungen überlegen. In der LAPTOP-Studie profitierten besonders ältere Patienten (>65 J.) von B.O.T. Sollte ein älterer Patient auf Fremdhilfe für die Insulininjektion angewiesen sein, ist die einmalige Insulininjektion bei der B.O.T. bei effektiver Stoffwechseleinstellung in ihrer therapeutischen Praktikabilität unschlagbar. Häufig wird von deutschen Diabetologen die supplementäre Insulintherapie (S.I.T.) bei Typ-2-Diabetikern favorisiert. Als Gründe werden mehr Flexibilität für Nahrungszufuhr und körperliche Aktivität im Verleich zur CT bei Typ-2-Diabetes genannt. Damit ließen sich auch die postprandialen „Spitzen“ der Blutzuckerverläufe glätten.

Diesem therapeutischen Ansatz liegt die Vorstellung zu Grunde, dass nach einer Mahlzeit die erste Phase der Insulinsekretion bei Typ-2-Diabetes gestört ist und dieses Defizit durch Normalinsulin oder Insulinanaloga ausgeglichen werden kann. Übersehen wird dabei, dass die erste Phase der Insulinsekretion physiologisch nur wenige Minuten andauert, und die dann hohe Insulinkonzentrationen in der Pfortader nicht durch subkutan injiziertes Insulin nachgeahmt werden kann. In den ADALeitlinien (American Diabetes Association) heißt es zurückhaltend: Postprandiale Glukosewerte bei Typ- 2-Diabetes sollten dann therapiert werden, wenn der HbA1c-Zielwert bei normnahen präprandialen Blutzuckerwerten nicht erreicht wird. Probleme der Insulintherapie Zweifellos besteht in der beobachteten Gewichtszunahme unter Insulin bei den meist übergewichtigen Typ- 2-Diabetikern ein therapeutisches Dilemma.

Da die Gewichtszunahme (häufig auch die Blutdruckwerte) stark mit der Höhe der Insulindosis korrelieren, sollte eine gute Stoffwechsellage mit einer möglichst geringen Insulindosis erreicht werden. Die Kombination mit OAD (insbesondere Metformin) und die Intensivierung von körperlicher Aktivität und Kalorienrestriktion sind dabei hilfreich. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Insulintherapie einen wichtigen Baustein in der antidiabetischen Therapie bei Typ 2 Diabetes darstellt und mit Insulin eine schnelle Verbesserung des entgleisten Stoffwechsels erreicht wird. Begleitend sind Kalorienrestriktion, vermehrte körperliche Aktivität und Gewichtsmanagement zur Verbesserung der Insulinsensitivität erforderlich. Bei Initiierung der Insulinbehandlung sollte als Standardtherapie bei den meisten Diabetikern die B.O.T. zur Anwendung kommen. Bei damit unzureichend eingestellten Patienten empfiehlt sich die Kombination von B.O.T. mit CT oder S.I.T.

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