Medizin & Technik

7. Wädenswiler Chemietag: Personalisierte Medizin im Fokus

18.01.2016 -

Welches Potential bietet personalisierte Medizin und was sind ihre Grenzen?

Über 130 Personen aus Forschung und Industrie besuchten den 7. Wädenswiler Chemietag und diskutierten Chancen und Herausforderungen dieser innovativen Technologie.

Viele Medikamente versagen bei einem Teil der betroffenen Patienten. Wie kommt es dazu? Jede Person hat ihr einzigartiges physiologisches und genetisches Profil, das sie ganz individuell und in unterschiedlicher Weise empfindlich für Krankheiten macht. Warum können Therapien nicht mehr auf patientenspezifische Charakteristiken angepasst werden, um die Behandlung effektiver und sicherer zu machen? Der 7. Chemietag an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Wädenswil zeigte Möglichkeiten und Technologien für die personalisierte Medizin auf und gab Raum für Wissensaustausch und Diskussionen.

Diagnose-Genauigkeit bestimmt Behandlungserfolg

In seinem Vortrag legte Dr. Bruce Jordan von Roche Diagnostics International in Rotkreuz dar, wie eng die Diagnostik und damit die Charakterisierung einer Krankheit mit dem Erfolg der Behandlung verknüpft sind. So wie jeder Mensch individuell veranlagt ist, so sind auch die Ausprägungen eines Krankheitsbildes unterschiedlich. Ist die Identität des Krankheitsbildes bekannt, können therapeutische Maßnahmen viel zielgerichteter und damit erfolgreicher eingesetzt werden. Im Vordergrund der Anstrengungen bei Roche Diagnostics stehen Krankheiten wie Krebs, Asthma und Alzheimer. Je mehr die Krankheit auf molekularem Niveau verstanden wird und geeignete diagnostische Werkzeuge zur Verfügung stehen, desto zielgerichteter kann die individuelle Behandlung sein.

Wie Patientendaten besser nutzen?

Prof. Peter Meier-Abt, Präsident der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW, erläuterte Herausforderungen in der klinischen Medizin: Die Entstehung, Entwicklung und Vererbung von Krankheiten hängt nur zu einem geringen Teil vom Erbgut, der DNA, einer Person ab. Weitere bestimmende Faktoren sind unter anderem Alter, Geschlecht, Ernährung, Lebensstil und sozialer Status. Diese können zwar relativ einfach erfasst werden, jedoch ist unklar, wer diese persönlichen Daten in welchem Umfang nutzen kann und darf. Auch in Spitälern werden täglich viele persönliche Daten aufgenommen, aber es fehlt eine standardisierte schweizweite Lösung, um sie auszuwerten und zu teilen. Aktuell laufen in der Schweiz Bemühungen für ein nationales, personalisiertes Gesundheitsnetzwerk, das zu einer Harmonisierung der Daten führen, damit den Austausch verbessert soll.

Nutzen und Herausforderung der Bioinformatik

Die Nutzung von Modellen erläuterte Prof. Dr. Niko Beerenwinkel vom Kompetenzzentrum Personalisierte Medizin. Am Institut für Bioinformatik und Computational Biologie der ETH Zürich beschäftigt er sich mit der Entwicklung mathematischer und statistischer Modelle und ihrer Anwendung für biomedizinische Fragestellungen. Ein Fallbeispiel erläuterte deren Einsatz, um die HIV-Behandlung zu optimieren. Die nachfolgende Diskussion kreiste um Herausforderungen wie die Kosten für die Gensequenzierung und der Umgang mit der immensen Fülle von Daten, ihrer Analyse und gleichzeitig der Schutz der Persönlichkeit.

Knochenkrebs: Verschiedenartigkeit als Heilungshürde

Prof. Bruno Fuchs, Leiter der Tumorchirurgie und Forschung an der Universitätsklinik Balgrist, ist spezialisiert auf Knochenkrebs (Osteosarkom), ein sehr seltener, jedoch häufig tödlicher Krebs. Bei der Knochenkrebstherapie gibt es seit mehreren Jahrzehnten keine Fortschritte mehr, was besonders bedauerlich ist, weil häufig Jugendliche im Alter zwischen 10 und 20 Jahren davon betroffen sind. Gründe für die stagnierenden Therapieerfolge liegen nicht nur in der Seltenheit, sondern auch in der Verschiedenartigkeit der Tumore von Patient zu Patient. Fuchs setzt darauf, Patiententumorgewebe genau zu charakterisieren sowie neue zell-basierte Knochentumor- und Tiermodelle zu entwickeln, um mittels personalisierter Medizin, gezieltere Therapien anbieten zu können.

Gentherapie: Neue zukunftsweisende Technologie

Am Institut für Moleculare Health Science an der ETH Zürich forschen Prof. Gerald Schwank und sein Team an Prozessen, um Stammzellen bei ihrer Erneuerung und bei der Bildung von anderen Zelltypen zu regulieren. Speziell untersuchen sie die Rolle von Stammzellen bei Krankheiten wie Darmkrebs, wobei sie dreidimensionale Tumorgewebemodelle verwenden. Besonders interessant war die von Gerald Schwank vorgestellte neue Methode der Gentechnologie genannt CRISPR. Sie revolutioniert die Möglichkeit, Gene zu manipulieren. Damit gelang ihm, fehlerhafte Gene in Zellen von Patienten mit der erblichen Stoffwechselkrankheit zystischer Fibrose zu reparieren. Diese innovative Methode wird die Gentherapie in Zukunft voraussichtlich stark vorantreiben.

Makuladegeneration: Aufhalten der Erblindung

Am Universitätsspital Genf forscht Dr. Martina Kropp an der Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration AMD. Diese Augenkrankheit betrifft viele Menschen über 50 und führt zur Erblindung. In dem europäischen Projekt TARGET AMD, unter der Leitung des Unispitals Genf, arbeiten 13 verschiedene Forschungspartner und Kliniken zusammen, um geeignete Möglichkeiten in der Gentherapie zu finden.

Personalisierte Medizin

In der personalisierten Medizin soll jeder Patient unter Einbezug seiner individuellen genetischen Gegebenheiten und seiner physiologischen Konstitution behandelt werden. Therapeutische Bedeutung hat dieser Ansatz bereits in der Tumorbehandlung. Aber für die meisten anderen Krankheiten bietet die personalisierte Medizin noch ein großes Potential.

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