COVID-19: Das Beharren auf dem Status quo
Sind Mehrweg-Bronchoskope noch zeitgemäß?
Die rasante Ausbreitung des SARS-CoV- 2-Erregers verursachte eine globale Gesundheitskrise und stellte Regierungen, Gesundheitssysteme, Angehörige der Gesundheitsberufe und die Gesellschaft im Allgemeinen vor immense Herausforderungen.
Auch das Sprichwort „andere Länder – andere Sitten“ scheint in Bezug auf die Corona-Krise seine Berechtigung zu haben. Medialen Berichten zufolge variieren die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie von Land zu Land teilweise erheblich. Bis zum jetzigen Zeitpunkt konnte jedoch weder das richtige Vorgehen zur Vermeidung einer Virusübertragung noch eine erregerspezifische Behandlungsmöglichkeit eruiert werden. Lediglich die durch das Coronavirus hervorgerufene Pathophysiologie sowie epidemiologische Daten wurden in den letzten Monaten ausgiebig untersucht.
Übertragungsweg des SARS-CoV-2-Erregers
Das Robert Koch-Institut (RKI) beispielsweise publizierte zu Beginn der ersten Infektionswelle Informationen zum Übertragungsweg des Erregers und Empfehlungen zur Infektionsprävention. Dank dieser Bemühungen wissen wir, dass der „Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel ist, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen“. Kontaktübertragungen durch kontaminierte Oberflächen können zwar nicht ausgeschlossen werden, spielen jedoch gemäß Expertenmeinungen im Vergleich zu Tröpfcheninfektionen bei der Verbreitung von Pathogenen eine untergeordnete Rolle.
Patienten mit schweren Krankheitsverläufen
Patienten mit schweren Krankheitsverläufen bedürfen in der Regel einer intensivmedizinischen Behandlung. Trotz ausgezeichneter Gesundheitsversorgung stellen schwere Krankheitsverläufe bis heute für viele Patienten eine infauste Prognose dar. Wenig verwunderlich ist daher die Erkenntnis von Statista, einem Anbieter für Markt- und Konsumentendaten. Basierend auf deren Datenlage führt SARS-CoV-2 zu einem hohen Fall- Verstorbenen-Anteil. Dieser beträgt im internationalen Vergleich bis zu 16,01 %. In Deutschland liegt die Fallsterblichkeitsrate derzeit bei 4,67 % und entspricht somit annähernd dem weltweiten Durchschnitt von 5,34 %. Diese Zahlen verdeutlichen, dass selbst eine evidenzbasierte und leitliniengerechte Patientenversorgung das Überleben der betroffenen Patienten nicht garantiert. Doch welche Behandlung ist „evidenzbasiert“ und was heißt im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie „leitliniengerecht“? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn im internationalen Vergleich wird der Umgang mit COVID-19-Patienten im klinischen Setting sehr unterschiedlich gehandhabt.
Einweg-Bronchoskop versus Mehrweg-Bronchoskop
Bereits bei bronchoskopischen Verfahren sind sich Experten in Bezug auf die Auswahl des geeigneten Medizinproduktes uneinig. Dies führte dazu, dass die Debatte zum Thema Einweg- versus Mehrweg- Bronchoskope noch nie so präsent war wie zum jetzigen Zeitpunkt. Während in Deutschland das RKI weiterhin an der Nutzung von Mehrweg-Bronchoskopen und deren sachgerechter Aufbereitung festhält, empfehlen andere Länder bereits seit einigen Monaten ausdrücklich die Verwendung von Einweg-Bronchoskopen (siehe Abb. 1). Die amerikanische American Association for Bronchology and Interventional Pulmonology (AABIP) sowie die französische Société de Pneumologie de Langue Française (SPLF) sind Vorreiter auf diesem Gebiet. Auch die italienische Vereinigung Società Italiana di Anestesia Analgesia Rianimazione e Terapia Intensiva (SIAARTI) und die European Airway Management Society (EAMS) weisen explizit darauf hin, dass durch die Nutzung von Einweg-Bronchoskopen die Wahrscheinlichkeit für Kreuzkontaminationen gesenkt werden kann. Die Schweizerische Gesellschaft für Pneumologie geht in ihrer Empfehlung „Bronchoskopie während SARS-CoV-2-Pandemie“ vom 27.03.2020 noch einen Schritt weiter und verweist sogar explizit auf den Einsatz von Einweg- Bronchoskopen des Medizinprodukteherstellers Ambu. Deutsche Fachgesellschaften zeigen sich bezüglich der Herausgabe von Empfehlungen in Bezug auf die geeignete Wahl von Medizinprodukten weiterhin sehr zurückhaltend. Lediglich die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) sowie der Berufsverband Deutscher Anästhesisten wagen einen Schritt und empfehlen bei der Behandlung von COVID-19-Patienten zumindest die Verwendung geschlossener Absaugsysteme.
Welches System ist sicherer, welches kosteneffizienter?
Hinsichtlich des Aspekts der (Patienten-) Sicherheit ist klar zu betonen, dass eine Studie von Ofstead et al. aus dem Jahr 2018 belegt, dass von flexiblen Mehrweg- Bronchoskopen nachweislich Kreuzkontaminationsrisiken ausgehen. Die erhobenen Daten beweisen, dass selbst bei einer leitliniengerechten Aufbereitung der Endoskope ein Restrisiko für eine Kreuzinfektion vorhanden ist. Flexible Einweg-Bronchoskope hingegen werden steril geliefert und sind stets verfügbar. Die deutsche Kostenevaluation und Sensitivitätsanalyse zum Einsatz von Einweg- und Mehrweg-Bronchoskopen von Barth et al. aus dem Jahr 2019 ergab, dass die Verwendung eines Mehrweg-Bronchoskops Kosten von rund 298 € verursacht. Im Vergleich dazu kostet der Einsatz eines Einweg-Bronchoskops lediglich 232 € (siehe Abb. 2). Das beweist, dass Einweg-Bronchoskope den Mehrweg-Bronchoskopen sowohl aus Kosten- als auch aus Nutzensicht überlegen sind. Unter Berücksichtigung dieses Wissens einschließlich der internationalen Empfehlungen kommt man nicht umhin, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, warum Deutschland vom internationalen Standard abweicht. Die derzeitige durch COVID-19 verursachte Situation lässt jedoch vermuten, dass die KRINKO-Leitlinie „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ aus dem Jahr 2012 in absehbarer Zeit überarbeitet wird.
Gesundheitsökonomische Entwicklungen durch SARS-CoV-2
Betrachtet man die Entwicklungen aus gesundheitsökonomischer Sicht, wird deutlich, dass die Zukunft noch ungewiss ist. Um den Auswirkungen der Pandemie zu trotzen und die Patientenversorgung auf einem gewohnt hohen Niveau zu halten, beschloss die deutsche Bundesregierung im März 2020 das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz. Maßgeblicher Bestandteil dieses Gesetzes waren Ausgleichzahlungen und finanzielle Hilfen für niedergelassene Vertragsärzte, Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen. Auch die unerwartet schnelle Reaktion des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) wirkte sich augenscheinlich positiv auf die Vergütungsstruktur von COVID-19-Fällen aus. Bereits im Februar/März 2020 etablierte das DIMDI mit den Kodes U07.1 und U07.2 eine COVID-19-spezifische internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD). Wie effizient die Maßnahmen waren, wird sich in den Jahresabschlüssen der Krankenhäuser im kommenden Jahr zeigen. Es wird voraussichtlich sowohl Gewinner als auch Verlierer geben – wir können gespannt bleiben.
Trend zu Einweg-Bronchoskopen
Klar ist jedoch, dass sich aus gesundheitsökonomischer Perspektive hinsichtlich der Debatte Einweg- vs. Mehrweg-Bronchoskope ein klarer Trend abzeichnet. Die Fa. Ambu beispielsweise veröffentlichte im Mai ihren Geschäftsbericht für das zweite Quartal des Geschäftsjahres 2019/2020 mit erstaunlichen Entwicklungen. Bei einem organischen Wachstum von 24 % konnten Einnahmen in Höhe von 989 Mio. Dänischen Kronen (DDK) und ein EBIT von 150 Mio. DDK erwirtschaftet werden. Hier zeigte die COVID-19-Pandemie den Wert der Einweg- Endoskopie für die Vermeidung von Kreuzkontaminationen und die Gewährleistung der Patientensicherheit. Insgesamt 313.000 Einheiten Einweg-Endoskope wurden im vergangenen Quartal verkauft. Dieser Wert liegt um 72 % höher als der Vergleichswert aus dem vergangenen Geschäftsjahr. Der Bereich Visualisierung trug mit 69 % am stärksten zum organischen Wachstum der Firma bei.
SARS-CoV-2: eine internationale Angelegenheit
Dieser Impuls, welcher derzeit in der freien Marktwirtschaft im Bereich der Einweg- Endoskopie beobachtet werden kann, sollte der Politik hierzulande zu denken geben. Denn auch wenn wir in Deutschland in Bezug auf die Auswirkungen der COVID- 19-Pandemie verhältnismäßig glimpflich davongekommen sind, ist die Bekämpfung und Ausmerzung des SARS-CoV-2-Erregers von globaler Relevanz. Dies kann jedoch nur durch internationale Forschungsunternehmungen gelingen. Von zentraler Bedeutung ist hier die Beobachtung der Entwicklungen in anderen Gesundheitssystemen und die Anpassung nationaler Standards an globale Trends. Denn letztlich geht es nicht um die Diskussion Einweg-Produkte versus Mehrweg-Produkte, sondern um das Eruieren geeigneter Schutzmaßnahmen für Patienten und das medizinische Personal.
Appell zur Anpassung der nationalen Richtlinien
Zuletzt muss nochmals betont werden, dass für Indikationen wie die COVID- 19-Erkrankung geeignete, sterile, stets verfügbare und seit Jahren etablierte Einweg-Lösungen auf dem Markt vorhanden sind. Kriege et al. veröffentlichten in ihrer jüngsten Publikation aus dem Jahr 2020, dass Einweg-Bronchoskope bei intensivmedizinischen Belangen im Vergleich zu Mehrweg-Endoskopen mindestens gleichwertig sind und aufgrund ihrer Produkteigenschaften von einigen Medizinern sogar bevorzugt eingesetzt werden. Aus diesem Grund kann man nur zutiefst an die Fachgesellschaften, Behörden und die Bundesregierung appellieren, dass diese in naher Zukunft eine Anpassung der nationalen Richtlinien vornehmen.
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