Hygiene

Plötzlich im Rampenlicht

Mit der Corona-Pandemie rückt das Thema Hygiene im Pflegeheim stärker in den Fokus des Interesses

14.12.2020 - Die Hygienebeauftragten in Pflegeheimen standen wohl selten so im Zentrum der Aufmerksamkeit wie heute

Die Hygienebeauftragten in Pflegeheimen standen wohl selten so im Zentrum der Aufmerksamkeit wie heute. Mit der Corona-Pandemie ist ihre Bedeutung allerdings gewachsen. medAmbiente sprach mit Philipp Lutze, Projektmanager Health Care Training bei der Dekra Akademie über neue Curricula – und über das Verhältnis von Hygiene und Wohnlichkeit.

Herr Lutze, die Stabsstellen für Hygiene im Pflegeheim, also die Hygienebeauftragten als Teil des Qualitätsmanagements, stehen in der Regel nicht gerade im Rampenlicht. Mit der Corona-Pandemie ist ihre Bedeutung allerdings gewachsen. Wie erleben Sie das?

Philipp Lutze: Hygiene wurde in vielen Bereichen nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet. Die Nachfrage nach Seminaren ist stark gestiegen. Auch wenn in den Medien viel berichtet wird und sich immer wieder vermeintliche Experten äußern, sind die Menschen verunsichert, was richtig und was falsch ist. Ich selbst bin Gesundheitswissenschaftler und Berufs- und Wirtschaftspädagoge. Seit der Pandemie erhalte ich auch intern Anfragen von Kolleginnen und Kollegen, die mich vorher nicht einmal kannten.  

Wie waren die Pflegeheime auf diese Pandemie vorbereitet?

Philipp Lutze: Diese Pandemie hat uns alle unvorbereitet getroffen. Das betrifft auch die Pflegeheime. Selbstverständlich lernt jede Pflege(fach)kraft in der Ausbildung das hygienische Handeln und viele Pflegeheime halten auch Hygienebeauftragte oder sogar Hygienefachkräfte vor, der Umgang mit einem neuen Erreger stellt uns aber immer vor Herausforderungen. Solange der Transmissionsweg nicht bekannt ist, weiß keiner, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Die Hygienemaßnahmen haben ja gerade in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen dramatische Konsequenzen gehabt. Besuche wurden teils verunmöglicht, alte Menschen sind einsam gestorben. Was ist Ihre Haltung dazu – und welche Auswege sehen Sie?   

Philipp Lutze: Wir waren und sind teilweise immer noch in einer Situation, in der wir die Gefahren nicht vollständig überblicken können. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das Gesellschaft benötigt. Dies geht über die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation hinaus, auch wenn diese auch ein Anfang in Pflegeeinrichtungen hätte sein können. Mit den aktuellen Erkenntnissen über die Verbreitung des SARS-CoV-2 wären aber auch Besuche unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen möglich. Bei gehfähigen Bewohnern wären ggf. Besuchsräume, in denen eine effektive Lüftung eingebaut ist und die einfach zu desinfizieren sind ein guter Kompromiss. Viele Maßnahmen sollten unbedingt nach der Pandemie in unseren Umgang mit Risikogruppen Einzug halten, da auch die jährliche Influenza noch zu viele Tote fordert und wir durch einfache Hygienemaßnahmen Leben retten können.

Wie haben Sie das Thema in Ihre Curricula aufgenommen – was gehört alles dazu?

Philipp Lutze: Wir als Dekra Akademie widmen uns schon lange dem Thema Hygiene in unterschiedlichen Fachbereichen. Anfangs lag unser Fokus auf den medizinisch- pflegerischen Einrichtungen, sowie den Gemeinschaftseinrichtungen nach § 36 IfSG. Durch SARS-CoV-2 haben wir unser Portfolio deutlich erweitert. In fast allen Bereichen, in denen Menschen zusammenkommen, bieten wir Seminare an, in denen wir neben den mikrobiologischen und infektiologischen Besonderheiten auch auf die gesetzliche Situation die sinnvollen Maßnahmen zur Primärprävention eingehen. Auch für uns im Bildungsbereich ist hier eine enge Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern unerlässlich.

Herr Lutze, die Einrichtung von Pflegeheimen hat sich ja schon vor Jahrzehnten vom Vorbild Krankenhaus verabschiedet – Wohnlichkeit gehört heute zu den wichtigsten Imperativen der Pflegeheimgestaltung. Wie schätzen Sie etwaige Zielkonflikte ein, was die Anforderungen der Hygiene anbelangt?

Philipp Lutze: Als ich Krankenpflege gelernt habe, waren Wohnlichkeit und Hygiene nur schwer zu vereinbaren. In der heutigen Zeit muss dies aber kein Wider­spruch mehr sein. Durch neue Materialien und ein generell größeres Angebot, ist es möglich, eine hygienische Umgebung zu schaffen, in der sich ein Bewohner (m/w/d) wohlfühlt. Auch helfen neue Erkenntnisse über Desinfektion und Reinigung, Hygienepläne und regelmäßige Schulungen dabei, selbst sensible Materialien von Krankheitserregern zu befreien.

Normativ gesehen gibt es u.a. landesspezifische Hygieneverordnungen, es gibt das Infektionsschutzgesetz und EU-rechtliche Normen, die ebenfalls Teil Ihrer Aus- und Weiterbildung sind. Welche Aktualisierungen behandeln Sie hier derzeit vor allem?  

Philipp Lutze: Neben den üblichen gesetzlichen Grundlagen aus Infektionsschutzgesetz (IfSG), Hygieneverordnungen der Bundesländer (MedHygVo) u.v.m. sind die Corona-Verordnungen der Bundesländer die wichtigsten Handlungsrichtlinien. Da wir bundesweit tätig sind und einen Großteil unserer Seminare auf den Onlineunterricht umgestellt haben, stellt uns der Föderalismus hier vor einige Herausforderungen. Wenn Teilnehmende aus fast allen Bundesländern in einem Seminar sind, ist das Verständnis für unterschiedliche Regelungen nicht immer gegeben. Auch wenn es uns nicht immer leichtfällt, halte ich die Möglichkeit individuell auf das Infektionsgeschehen zu reagieren für richtig und notwendig.

Welche Fragen brennen den Seminarteilnehmern aus Pflegeeinrichtungen derzeit am meisten unter den Nägeln?

Philipp Lutze: Teilnehmende aus Pflegeeinrichtungen wollen am häufigsten wissen, wie sie sich privat und beruflich am besten schützen und trotzdem ihrer Profession gerecht werden können. Auch die Frage nach den Verantwortlichkeiten und der Haftung bei Verstößen werden oft vorgebracht. Es ist hier immer wieder schön zu sehen, wie die Nervosität und Unsicherheit zu Beginn des Seminares von Unterrichtseinheit zu Unterrichtseinheit weniger werden. Ein Teil unserer Arbeit ist hier auch das Aktivieren von passivem Wissen.

Wir müssen ja damit rechnen, dass wir auch langfristig mit dem Virus leben müssen, auch wenn vieles noch völlig unklar ist. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht auf lange Sicht für die Hygienekonzepte in Pflege- und Senioreneinrichtungen sowie in Krankenhäusern?

Philipp Lutze: So schlimm die Pandemie uns und die ganze Welt getroffen hat, sehe ich hier eine große Chance, dass wir die Hygiene wieder mehr in das Bewusstsein rufen. Auf dem Papier haben wir schon sehr gute Konzepte, bei denen vielleicht noch ein paar Feinheiten angepasst werden müssen. Diese Konzepte müssen aber auch gelebt werden. In vielen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern finden Sie Desinfektionsmittel für Besucher am Eingang. Bis vor kurzem wurde dieses allenfalls vom Personal genutzt. Das jetzige Bewusstsein für die Wichtigkeit von Händehygiene bleibt hoffentlich erhalten, so dass Besucher möglichst wenige Keime zu den Bewohnern mitbringen. Wir brauchen aber auch ohne Frage mehr Personal in der Pflege, um Infektionen zu verhindern. Das Personal begründet das Nichteinhalten des Hygieneplans/-konzepts häufig mit Zeitmangel. Der Beruf ist stressig und es fehlt immer an Zeit, um alle Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen. Wer versucht bei den hygienischen Standardmaßnahmen Zeit zu sparen, spart am falschen Ende. Das Bewusstsein dafür steigt bei den Einrichtungsbetreibern und auch in der Politik. Der Anlass ist nicht schön, die Chancen sind aber groß.

Kontakt

Dekra Akademie GmbH

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