Wiederaufbereitung braucht Pflichtbewusstsein
30.12.2020 - Die sichere Aufbereitung von Medizinprodukten ist sehr aufwendig, aber unverzichtbar.
Im täglichen Klinikeinsatz kommt den Instrumenten eine wichtige Rolle zu. Kaum ein Bereich der modernen medizinischen Arbeit lässt sich ohne Medizinprodukte umsetzen. Vom Adenotom über den Katheter bis zum Zungenspatel – Medizinprodukte gehören dazu. Auch bei ihnen spielt die richtige Desinfektion eine wichtige Rolle, um Infektionsrisiken zu minimieren und sowohl Anwender als auch Patienten nachhaltig zu schützen.
Bei wiederverwendbaren Produkten ist es wichtig, dass diese über die vorgesehene Lebensdauer des jeweiligen Geräts sicher am Patienten eingesetzt werden können. Dies gilt für chirurgische Instrumente, die bei hochriskanten Eingriffen mit „sterilen“ Bereichen des menschlichen Körpers, einschließlich Blut, in Kontakt kommen, bis hin zu Instrumenten, die nur die Haut des medizinischen Personals oder der Patienten berühren. Die Anwendung solcher Medizinprodukte setzt eine vorhergehende Aufbereitung voraus, an die definierte Anforderungen – beispielsweise zur Vorbeugung einer Kreuzkontamination – zu stellen sind. Geeignete validierte Verfahren im Sinne des § 8 Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) sind Verfahren, die ein definiertes Ergebnis (insbesondere Sauberkeit, Keimarmut, Sterilität und Funktionalität) reproduzierbar- und nachweisbar ständig erbringen. Die Aufbereitung und Erfüllung der Anforderungen setzen deshalb ein installiertes und fortgeführtes Qualitätsmanagement (QM) voraus.
Hygienische Vor- und Aufbereitung
Die Aufbereitung von Medizinprodukten soll generell unter Beachtung der gemeinsamen Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention und des BfArM „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ in der jeweils aktuellen Fassung erfolgen. Dabei sollte man wenigstens zwei für die Dekontamination oder Inaktivierung von Prionen geeignete Verfahren kombinieren. Die Kette von erforderlichen Maßnahmen muss optimiert sein, da Schwächen in einem Einzelschritt (beispielsweise nach der Reinigung) den Gesamterfolg infrage stellen können. Der vollständige Prozess der RKI-konformen Instrumentenaufbereitung beinhaltet die Reinigung und Desinfektion, Verpackung, Sterilisation, Dokumentation und Freigabe der Instrumente. Laut MPBetreibV ist der gesamte Prozess der Instrumentenaufbereitung mit geeigneten validierten Verfahren von sachkundigen Personen so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren reproduzierbar gewährleistet ist. Die Medizinprodukteaufbereitung ist einer der Kernbereiche der Hygiene und steht im Fokus von Gesetzgeber und Prüfbehörden. Die Anforderungen in diesem Gebiet sind komplex, denn viele Medizinprodukte besitzen sehr spezifische Eigenschaften oder bestehen aus hoch sensiblen Materialien. Hersteller von Medizinprodukten sind daher verpflichtet, Angaben zur Aufbereitung zu machen. Die Aufteilung eines Aufbereitungsraumes in verschiedene Bereiche ist in einer Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung (ZSVA) und in der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (AEMP) eines ambulanten OP-Zentrums im Regelfall nicht ausreichend. Zunehmende Anforderungen an die Krankenhaushygiene und verstärkte Diskussionen über multiresistente Keime haben die Aufbereitung medizinischer Endoskope (auch Gastrokope und Koloskope einschließlich der endoskopischem Zusatzinstrumentariums wie Biopsiezangen, Papillotome und des Optikspülsystems) ins Zentrum des klinischen Qualitätsmanagements gerückt.
Aufbereitungsschritte in Kürze
Vor der Aufbereitung sind eine Risikobewertung und Einstufung jedes Medizinproduktes durchzuführen. Hierbei muss schriftlich festgelegt werden, ob, wie oft und mit welchen Verfahren es aufbereitet werden soll. Bei der Einstufung werden Kategorien unterschieden, für die jeweils unterschiedliche Aufbereitungsschritte empfohlen werden: Unkritisch sind Medizinprodukte, die lediglich mit intakter Haut in Berührung kommen. Semikritisch A und B sind Medizinprodukte, die mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut in Berührung kommen. Kritisch A, B und C sind Medizinprodukte zur Anwendung von Blut, Blutprodukten und anderen sterilen Arzneimitteln sowie Medizinprodukte, die die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut, inneren Geweben oder Organen kommen, einschließlich Wunden. Um eine Beeinträchtigung der hygienischen Sicherheit und der Funktionsfähigkeit des aufbereiteten Medizinproduktes auszuschließen, muss, insbesondere bei zeitlichen Verzögerungen der Reinigung und Desinfektion, eine Vorreinigung und gegebenenfalls die Zwischenlagerung folgende Anforderungen erfüllen:
Grobe Verschmutzungen des Medizinproduktes sollen unmittelbar nach der Anwendung entfernt werden. Das Antrocknen von Blut und Gewebe ist durch Festlegung geeigneter Verfahren und Abläufe (Abwischen äußerer Verschmutzungen und Spülung von Arbeitskanülen unmittelbar nach Anwendung, Festlegung von Entsorgungszeiten), insbesondere zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der Reinigungsleistung (Trocknung von Infektionserregern in Schutzkolloiden) so gut wie möglich auszuschließen. In Einklang mit gesetzlichen Vorgaben zum Schutz von Patienten und Anwendern und der Notwendigkeit, im Rahmen eines bewährten Hygienemanagements gleichbleibend hohe Qualität in der Umsetzung der einzelnen Aufgaben zu gewährleisten, werden folgende Einzelschritte empfohlen:
1. Vorbehandeln, Sammeln, Vorreinigen, gegebenenfalls Zerlegen;
2. Transport zum Ort der Aufbereitung;
3. Reinigung/Desinfektion, Spülung und Trocknung;
4. Prüfung auf Sauberkeit und Unversehrtheit (Korrosion, Materialbeschaffenheit);
5. Pflege und Instandsetzung;
6. Funktionsprüfung;
7. gegebenenfalls Kennzeichnung;
8. Verpacken und Sterilisation.
Der Aufbereitungsprozess endet mit der dokumentierten Freigabe des Medizinproduktes zur Anwendung im Sinne des QM (Sauberkeit, Keimarmut, Zustand nach sachgerechter Desinfektion, Sterilität, Funktion und Anwendungssicherheit).
Einstufung von Medizinprodukten
Bei der Aufbereitung von Medizinprodukten ist der Hersteller der Medizinprodukte verpflichtet, Angaben zu geeigneten Aufbereitungsverfahren zu machen. Wesentliche Neuerungen durch die MDR sind: Regelung der Aufbereitung von Einmalprodukten einschließlich des Verbots der Aufbereitung bestimmter Einmalprodukte. Das „Scruting-Verfahren“ für Implantate der Klasse III und aktive Produkte der Klasse IIb, die Arzneimittel zuführen und ableiten. Die Neuregelung der Marktüberwachung mit kürzeren Meldefristen. Zusätzliche Berichte und Pläne wie Post Market Surveillance Plan/Report (PMS), Post Market Clinical Follow-up Report (PMCF), Periodic Safety Update Report (PSUR), Summary of Safety and Clinical Performance (SSCP). Wesentlich höhere Anforderungen bei der Erstellung von klinischen Daten, beispielsweise in der klinischen Bewertung. Die zeitlich gestaffelte Einführung einer UDI-Kennzeichnung mit dem Ziel einer Verbesserung der Identifizierung und Rückverfolgbarkeit von Produkten. Die Höherklassifizierung bestimmter stofflicher und chirurgisch-invasiver Medizinprodukte. Die Schaffung einer Koordinierungsgruppe (MDCG) bestehend aus benannten Experten aller Mitgliedsstaaten. Mit der Einführung der Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, MDR) werden die bisher die Medizinprodukte regulierenden Richtlinien 93/42 EEC und 90/385/EEC ungültig. War ursprünglich für die Verordnung über Medizinprodukte die Geltung ab dem 26. Mai 2020 vorgesehen, so wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie der Geltungsbeginn durch die Verordnung (EU) 2020/561 vom 23. April 2020 grundsätzlich auf den 26. Mai 2021 verschoben. Bis alle Hersteller in der EU und den Drittstaaten nachzertifiziert sind, wird die bisherige dreijährige Übergangszeit bis auf wenige Ausnahmen noch um ein weiteres Jahr verlängert. Das dennoch knappe Zeitfenster führt dazu, dass Hersteller nach Expertenmeinung gut beraten sind, ihre Altzertifikate kurz vor Ablauf der Übergangsfrist zu verlängern. Diese gelten dann maximal weitere vier Jahre nach dem Geltungsbeginn der MDR weiter.
Autor: Hans-Otto von Wietersheim, Bretten