HZDR: Magnetresonanz-Tomographie wird mit Protonentherapie kombiniert
23.04.2021 - Den weltweit ersten Prototypen zur Echtzeit-Verfolgung für bewegliche Tumoren mittels Magnetresonanz-Tomographie (MRT) während der Protonentherapie wollen Forscher*innen des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) aufbauen.
Dazu kombinieren sie am Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay in Dresden ein drehbares, offenes MRT-Gerät mit einem beweglichen Protonenstrahl klinischer Qualität. Echtzeit-MRT-Bildgebung würde es ermöglichen, den Protonenstrahl direkt während der Bestrahlung an die Tumorbewegungen anzupassen. Bisher fehlen dafür Methoden, was das Potential dieser aussichtsreichen Krebstherapie in diesen Fällen einschränkt.
Der Einsatz von Protonen hat in der Krebstherapie die Möglichkeit eröffnet, Tumoren zwar zu bestrahlen, gleichzeitig aber auch das umliegende Gewebe – dank der endlichen Eindringtiefe der positiv geladenen Teilchen – besser zu schonen als konventionelle röntgenbasierte Bestrahlung. Die Protonentherapie ist jedoch anfällig für Tumorbewegungen, anatomische Veränderungen und Ungenauigkeiten bei der Positionierung der Patient*innen. „Mit der aktuell am Bestrahlungsgerät verfügbaren röntgenbasierten Bildgebung sehen wir während der Bestrahlung nicht hinreichend gut, worauf wir zielen und was wir treffen“, beschreibt Dr. Aswin Hoffmann vom HZDR-Institut für Radioonkologie – OncoRay das grundsätzliche Problem. „Bei der Behandlung beweglicher Tumoren müssen wir deswegen relativ große Sicherheitssäume um das Tumorgewebe einplanen. Dies beeinträchtigt die Treffgenauigkeit und erhöht das Risiko von Nebenwirkungen.“
Woran die Fachwelt zweifelte
Gerade bei Tumoren, die aufgrund der Atmung oder der Verdauung ständig in Bewegung sind, könnte es somit passieren, dass gesundes Gewebe in der unmittelbaren Nähe des Tumors eine zu hohe Dosis erhält, während das Tumorgewebe selbst zu wenig bestrahlt wird. Bisher fehlt es an der Technik, um direkt während der Bestrahlung den Tumor und dessen Bewegung mit hohem Bildkontrast zu visualisieren. Die Lösung könnte Magnetresonanz-Tomographie lauten, was einige Vorteile mit sich bringen würde, wie Hoffmann erläutert: „Die MRT liefert einen unübertroffenen Weichgewebe-Kontrast bei gleichzeitig hoher raum-zeitlicher Auflösung. Außerdem tragen wir hier, anders als bei der röntgenbasierten Bildgebung, keine zusätzliche Dosis ins Gewebe ein.“ Die Integration der MRT in die Protonentherapie stellte sich allerdings als eine große technische Herausforderung dar, die lange den MRT-Einsatz im Strahlengang als unmöglich erscheinen ließ.
Um scharfe und geometrisch akkurate Bilder zu liefern, benötigen MRT-Geräte präzise definierte Magnetfelder. Der Protonenstrahl wiederum wird in einem Zyklotron – einem magnetischen Kreisbeschleuniger – erzeugt und während des Transports in den Bestrahlungsraum ebenfalls mit Magnetfeldern gelenkt und in Form gehalten. „Die Fachwelt ging davon aus, dass sich diese Magnetfelder gegenseitig stören würden, was einerseits die Aufnahmen der MRT-Bilder verzerren und andererseits die Dosisverteilung der Protonen im Gewebe beeinflussen könnte“, erklärt Aswin Hoffmann. Mit seiner Arbeitsgruppe konnte der Medizinphysiker in den vergangenen Jahren zum weltweit ersten Mal zeigen, dass eine Kombination beider Systeme technisch generell möglich ist. Dazu verwendeten sie einen offenen Niederfeld-MRT-Scanner mit einer Magnetfeldstärke von 0,22 Tesla (MRJ2200 – ASG Superconductors Paramed MRI Unit), den sie im Protonen-Strahlengang positionierten und so belegten, dass eine gute MR-Bildqualität während der Bestrahlung mit einem statistischen Protonenstrahl möglich ist.
Eine einzigartige Infrastruktur und Zusammenarbeit
Mit dem neuen MRT-Gerät, das über Möglichkeiten zur Echtzeit-Bildgebung verfügt und eine kontrastreiche Gewebedarstellung der Organe in Brust-, Bauch- und Beckenbereich ermöglicht, will das Team um Hoffmann nun einen ersten Prototypen bauen, der perspektivisch klinisch zum Einsatz kommen kann, wie der Forscher erläutert: „Das Besondere an diesem MR-Scanner ist, dass er relativ zum Strahl um den Patienten drehbar ist und wir somit dosimetrische und biologische Strahleffekte sowohl für MRT-Magnetfelder senkrecht als auch parallel zum Protonenstrahl untersuchen können.“ Die Protonentherapieanlage bei OncoRay bietet dank eines großen Experimentalraums neben dem eigentlichen Behandlungsraum die Möglichkeit, diese einzigartige Forschungsarbeit im Team mit Physiker*innen, Ingenieur*innen und Ärzt*innen voranzutreiben.
Aufbauend auf der gemeinsamen Vorerfahrung beim Niederfeld-MR-Scanner, das für gewöhnlich für die Untersuchung peripherer Gelenke genutzt wird, produziert der italienische Hersteller ASG Superconductors nun ein Mittelfeld-MRT-Gerät mit einer Magnetfeldstärke von 0,5 Tesla, das die Alberta Health Services LINAC-MR Gruppe und deren kanadisches Spin-Off MagnetTx Oncology Solutions speziell an die Voraussetzungen der Echtzeit-geführten MRT-integrierten Protonentherapie anpasst. Die für die Drehbarkeit des MR-Scanners notwendige „Gantry“ und die Bildverarbeitungsmethoden zur automatisierten Echtzeit-Verfolgung des Tumors entwickeln die Ingenieur*innen von MagnetTx Oncology Solutions. Der Entwurf und die Herstellung der gesamten, 30 Tonnen schweren Anlage laufen aktuell auf Hochtouren. Im Spätsommer 2022 wollen sie die Kooperationspartner in die bewegliche Protonenstrahlführung klinischer Qualität im OncoRay integrieren.
„Für ASG Superconductors ist es äußerst spannend, gemeinsam mit dem HZDR und MagnetTx Teil dieses Projekts zu sein“, erklärt der Direktor der ASG Paramed MRI Unit, Marco Belardinelli, und fügt an: „Wir sind stolz darauf, dass unsere MRT- und MgB2-basierten Supraleiter-Technologien wesentliche Komponenten für neue und innovative Anwendungen sind, von der Patienten und die medizinische Community profitieren werden. Das bestärkt unsere Zuversicht, dass wir uns in die richtige Richtung entwickeln.“
„Unsere Partnerschaft mit dem HZDR und ASG war bislang absolut positiv“, betont der Präsident und Geschäftsführer von MagnetTx, Mike Cogswell. „Wir freuen uns darauf, über die weitere Zusammenarbeit die Krebstherapie zu verbessern.“
„Dank dieser Zusammenarbeit zwischen dem HZDR und den internationalen Industriepartnern kommen mein Team und ich unserem Ziel, dem Fachgebiet und vor allem der Echtzeit-bildgestützten Protonentherapie eine signifikante Innovation zu bringen, einen großen Schritt näher“, blickt Aswin Hoffmann optimistisch in die Zukunft.
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