Wie Künstliche Intelligenz die medizinische Bildgebung voranbringt
16.09.2022 - Das diesjährige Schlüsselevent für medizinische Bildgebung – initiiert vom Kompetenzzentrum Medical Imaging Center Bonn des Universitätsklinikums Bonn – brachte ca. 200 namhafte Forscher und Vertreter aus Industrie sowie Start-Ups zusammen.
Im Fokus des Kongresses stand der Einsatz von Bildgebung und Künstlicher Intelligenz sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der klinischen Praxis. Die präsentierten Forschungsergebnisse sowie Best-Practice-Beispiele bestätigen: KI verfügt über ein immenses Potenzial, bestimmte Bereiche der medizinischen Bildgebung nachhaltig zu revolutionieren. Unter anderem in der Radiologie und Ophthalmologie erweist sich der Einsatz von KI-gestützten Systemen als vielversprechend: Dies reicht von der blitzschnellen Verarbeitung eines stets wachsenden Umfangs komplexer Daten bis hin zur spürbar einfacheren Dateninterpretation für eine sicherere Diagnostik.
„Oftmals stecken in medizinischen Bilddaten sehr viel mehr Informationen, als das menschliche Auge auslesen kann. Genau dort kommt die Künstliche Intelligenz zum Einsatz, um Forscher*innen, aber auch Ärzt*innen in ihrer Arbeit zu unterstützen und somit die Patientenversorgung weiter voranzubringen“, sagt Professor Frank Holz, Direktor der Augenklinik am Universitätsklinikum Bonn (UKB) und Gründer sowie Sprecher des Medical Imaging Centers Bonn (MIB). „Als MIB möchten wir den Bildgebungsaspekt noch mehr in den Vordergrund rücken, Forschungsgruppen am Standort Bonn stärker vernetzen und Synergien für weitere Forschung auf Spitzenniveau schaffen.“
Das MIB Future Panel 2022 bot dafür eine hervorragende Plattform, um nicht zuletzt den Wissenstransfer von der Forschung zur Industrie zu fördern. Als erfolgreiches Beispiel diente die Vorstellung des SmartContrast Projects, das von Prof. Alexander Radbruch, Direktor der Klinik für Neuroradiologie am UKB, initiiert wurde. SmartContrast ist eine KI-basierte Software, die es ermöglicht, die Kontrastmitteldosis in der Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels um zwei Drittel im Vergleich zur Standarddosis zu reduzieren.
Kontrastmittel wird während MRT-Untersuchungen intravenös injiziert, um Erkrankungen wie z. B. Tumore auf dem MRT-Bild sichtbar zu machen. Allerdings ist MRT-Kontrastmittel teuer, führt zur Verunsicherung von Patienten, die mögliche gesundheitliche Nebenwirkungen fürchten, und reichert sich im Grund- und Trinkwasser an, da es mit dem Harn ausgeschieden wird. SmartContrast ist damit ein gutes Beispiel wie Künstliche Intelligenz zum Wohl von Patienten und Umwelt eingesetzt werden kann.
Für die Grundlagenforschung zeigt sich: Moderne Bildgebung ist ein wertvolles Instrument. Das Forscherteam um Prof. Dagmar Wachten, Direktorin am Institut für Angeborene Immunität am UKB beschäftigt sich mit den Zilien. Diese Strukturen dienen der Zelle als Antennen, die eingehende Signale empfangen. Ist die Zilie defekt, entstehen Krankheiten. Die Wissenschaftler des UKB setzen smarte Analysemethoden ein, um die Funktion von den Zilien „sichtbar“ zu machen und gezielt zu steuern. Durch diese Kombination ist es ihnen gelungen, zum Verständnis der molekularen Ursachen für die Entstehung von polyzystischen Nierenerkrankungen, einer Erkrankung, die auf Zilienfehlfunktion zurückzuführen ist, beizutragen.
Vielversprechende Fortschritte kommen auch aus der Augenheilkunde: Die KI-gestützte Bildanalyse von höchst aufgelösten, in-vivo-Bilddaten der Netzhaut gewährt neuartige Einblicke in deren zellulären Feinbau und deren Funktion im gesunden und erkrankten Auge. „Mittels automatischer Bildanalyse durch neuronale Netze lassen sich große Bilddatenmengen effizient sichten, und das mit objektiven und, wenn richtig trainiert, verlässlichen Kriterien. Dadurch können zeitaufwändige und fehleranfällige manuelle Analysen ersetzt werden“, sagt Dr. rer. nat. Wolf Harmening, Leiter des Adaptive Optics and Vision Labors der Augenklinik am UKB.
Die Methoden der KI halten einen rasanten Einzug auch in der Neurologie und Neurochirurgie. Schon heute unterstützen smarte Technologien Radiologen sowie Epileptologenn und Neurochirurgen in der Diagnostik und Therapie von pharmakoresistenten fokalen Epilepsien. Die Epilepsiechirurgie, das Spezialgebiet von Dr. Valeri Borger, Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie am UKB, profitiert enorm von der Synergie zwischen Mensch und Maschine. „Die KI-basierten automatisierten Detektions-Tools helfen uns bei der Auswertung der MRT-Bildgebung auf der Suche nach epileptogenen Läsionen, wie z. B. fokale cortikale Dysplasien (FCD). Ist deren Lokalisation im Gehirn einmal visualisiert, können wir sehr gezielt und spezifisch die unter Umständen notwendige invasive Anfallsdiagnostik mittels Stereo-EEGs planen und durchführen. Hierdurch können wir die Präzision der prächirurgischen Diagnostik erhöhen und das Ergebnis der epilepsiechirurgischen Behandlung für die Patienten*innen verbessern. Das ist ein großer Schritt in Richtung individualisierte Medizin,“ resümiert Dr. Borger.