Forschung an (noch) lebenden Teilen der Lunge
14.02.2023 - Prof. Dr. Stéphane Collaud von der Universität Witten/Herdecke kann neue Medikamente und Chemotherapie außerhalb des Körpers testen.
Prof. Dr. Stéphane Collaud ist Chefarzt für Thoraxchirurgie an den Kliniken der Stadt Köln und gleichzeitig Lehrstuhlinhaber für dieses Fach an der Universität Witten/Herdecke (UW/H).
Er operiert vorwiegend Tumore an der Lunge oder den Atemwegen – sowohl minimalinvasiv „durchs Schlüsselloch“ als auch offen. „Wenn wir Lungenkrebs operieren, müssen wir ausreichend Sicherheitsabstand einhalten. Den entnommenen Teil, den ‚Lungenlappen‘, können wir – selbstverständlich nur mit Einwilligung des Patienten – über mehrere Stunden am Leben halten“, beschreibt er die Vorbereitung seiner eigentlichen Forschungsarbeit. Denn an diesen lebenden Lungenteilen testet er neue Arten von Chemotherapie oder andere Medikamente. Durch hochauflösende Tomographie-Bilder aus dem normalen CT und dem zur Krebserkennung spezialisierten PET-CT kann er außerdem besser verstehen, wie der Krebs entsteht und sich ausbreitet.
Von der Lungentransplantation zur Forschung
Den großen Fortschritt in dieser Forschung brachte eine Maschine, die Prof. Collaud mit einem Team von Medizinern in seiner vorherigen beruflichen Station, der Ruhrlandklinik in Essen, angewandt und jetzt mit nach Köln gebracht hat. Schon seit einigen Jahren gibt es Ex-vivo-Lungenperfusionssysteme. Daran werden Lungen vor einer Transplantation „angeschlossen“ und mit einer Ersatzlösung für Blut und Sauerstoff versorgt. Durch diese Vorbehandlung können auch Lungen transplantiert werden, die sonst nicht geeignet wären. Mit diesem System hat Prof. Collaud bereits 2012 während seines Aufenthaltes im weltweit führenden Lungentransplantationszentrum in Toronto gearbeitet. „Die bestehenden Maschinen haben wir nun angepasst, um Teile der Lunge nach der Krebsoperation über Stunden am Leben zu halten“, schildert er seine Rolle bei der Entwicklung der neuen Forschungsperspektive. „Die Möglichkeit, neue Medikamente wie Chemotherapie quasi wie im lebenden Körper zu testen, bietet große Hoffnung für bessere Behandlungen in einigen Jahren“, drückt er seinen Ansporn aus. „Eine Anwendungsmöglichkeit wäre eine direkte, lokale Chemotherapie in der Lunge. Dies könnte beispielsweise bei Patienten mit Sarkomen und Lungenmetastasen durchgeführt werden.“
Klinische Forschung und bessere Operationsmethoden
Ein weiteres Standbein der Forschungsarbeit von Prof. Collaud ist die Weiterentwicklung bestehender Operationsmethoden. Dabei spielt auch seine eigene operative Fähigkeit eine Rolle und beflügelt manchmal die Fantasie: „Ich konnte zum Beispiel eine Operationsmethode mitentwickeln, die vor einigen Jahren noch einen deutlich größeren Eingriff erfordert hätte“, sagt er. So ist es gelungen, den Lungenkrebs bei einem schwer kranken Patienten vollständig zu entfernen. Bei ihm war der Krebs in die Hauptschlagader, die ‚Aorta“‘, eingewachsen. Die Mediziner konnten die Aorta mit einer Art Stent versorgen und so den von Krebs befallenen Teil mit deutlich geringeren Risiken entfernen. Weitere Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs oder Brustkorbsarkomen wurden seitdem dadurch gerettet. Diese Technik gilt inzwischen international inzwischen als Standard für diese Art der Operationen. Für Collaud steht fest, dass es noch viel Spielraum für neue Methoden gibt: „Bei solchen Eingriffen kommt es eben auch auf die Kombination von operativem Geschick und neuen Methoden an. Ich glaube, dass wir noch viele Erfolge haben werden, auch bei Krankheitsgeschehen, die bisher für viele Chirurgen als inoperabel galten.“