Aus den Kliniken

Vorhofflimmern: Erstmals gezielter medikamentöser Therapieansatz entdeckt

27.04.2023 - Wenn das Herz aus dem Takt gerät, laufen in den Herzmuskelzellen charakteristische Prozesse ab. Unter anderem verändern sich die Ströme elektrisch geladener Teilchen (Ionen). Bei chronischem Vorhofflimmern ist einer dieser Ströme vermindert.

Dr. Cristina Molina vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) hat jetzt herausgefunden, welches Protein dafür verantwortlich ist. Damit ergibt sich ein neuer und erstmals gezielter Angriffspunkt für medikamentöse Therapien gegen Vorhofflimmern.

Ionenströme erzeugen elektrische Impulse, die den Herzschlag steuern. Bei chronischem Vorhofflimmern ist der Einstrom von Kalzium-Ionen in die Herzmuskelzellen vermindert. „Die reduzierten Kalziumströme sind eines der charakteristischen Merkmale des chronischen Vorhofflimmerns“, sagt Dr. Cristina Molina, Wissenschaftlerin des Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Experimentelle Herz-Kreislaufforschung am UKE. „Warum das so ist, war aber jahrzehntelang unklar, so dass keine Therapie entwickelt werden konnte, die an diesem Prozess ansetzt.“

Molina hat nun herausgefunden, dass ein Protein namens Phosphodiesterase 8B (PDE 8B) dafür verantwortlich ist. Bei Vorhofflimmern ist in den Zellen zu viel PDE8B vorhanden, mehr als in den Muskelzellen eines gesunden Herzens. Das Besondere ist, dass PDE8B nur in den Zellen der Herzvorhöfe vorkommt, so dass man diese bei Vorhofflimmern gezielt behandeln könnte. Herkömmliche Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen zielen immer auf das ganze Herz, auch wenn nur die Vorhöfe oder nur die Herzkammern betroffen sind.

Ein Händchen für Herzzellen

Dass die Ursache für den verminderten Kalziumeinstrom bei Vorhofflimmern so spät entdeckt wurde, obwohl das Problem schon lange bekannt ist, hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass es bisher nur Molina gelungen ist, Herzmuskelzellen aus dem menschlichen Vorhof über einen längeren Zeitraum im Labor zu kultivieren. Normalerweise sterben diese Herzmuskelzellen im Labor nach wenigen Stunden ab. Um sie ausreichend untersuchen zu können, müssen sie aber mehrere Tage überleben. „Ich arbeite seit 2006 mit Zellen aus dem Herzmuskelgewebe von Patienten“, sagt Molina. „Das ist gar nicht so einfach, weil sich die Zellen je nach Alter, Krankheit und Medikation der Patienten stark unterscheiden. Damit muss man umgehen können.“

Dass PDE8B überhaupt im Vorhof des menschlichen Herzens vorkommt, haben sie und ihre Kollegen vor wenigenx Jahren entdeckt. Phosphodiesterasen wie PDE8B zerspalten wichtige sekundäre Botenstoffe in Zellen, was zum Entfernen der Phosphatgruppen von anderen Molekülen führt. Da bei Patienten mit Vorhofflimmern zu viel PDE8B in den Vorhöfen vorhanden ist, werden zu viele Phosphatgruppen von so genannten Kalzium-Ionenkanälen entfernt. Durch diese Ionenkanäle gelangen elektrisch geladene Teilchen in die Herzmuskelzellen.

Hemmstoff normalisiert Kalziumströme

Es gibt einen Wirkstoff, der PDE8B hemmt und derzeit in einer klinischen Studie zur Demenz überprüft wird. Das Forscherteam um Molina hat diesen Hemmstoff im Labor an Herzmuskelzellen von Patienten mit Vorhofflimmern getestet und beobachtet, dass er die Kalziumströme wieder normalisiert.

Nun soll der vielversprechende Wirkstoff an Pferden getestet werden. Denn auch sie können wie Menschen Vorhofflimmern entwickeln. Tritt die Herzrhythmusstörung auf, sind die Pferde für den Reitsport nicht mehr zu gebrauchen. Molina will diese oft „ausgemusterten“ Tieren in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Heidelberg (Dr. Constanze Schmidt) mit dem Hemmstoff behandeln, um zu sehen, ob er das Vorhofflimmern beheben kann. Außerdem verfolgt sie einen gentherapeutischen Ansatz, denn eine Veränderung im Gen für PDE8B führt dazu, dass zu viel davon vorhanden ist.

Kontakt

Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V. (DZHK)

Oudenarder Straße 16
13347 Berlin

+49 30 45937 100
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