Wie 3D-Drucker und Vorratsdose zum Lebensretter werden
16.12.2024 - Dank einer Partnerschaft zwischen der Hochschule Hof und dem Sana Klinikum Hof wird eine innovative Trainingsmöglichkeit für angehende Ärzte Realität.
Durch die Kooperation können junge Ärzte nun minimalinvasive Eingriffe zur Behandlung von Gefäßverschlüssen an einem lebensnahen Modell geübt werden – eine Entwicklung, welche die Ausbildung revolutioniert. Bisher war dies ausschließlich unter Anleitung langjährig ausgebildeter, erfahrener Kollegen am Patienten oder an Tiermodellen möglich. Das kostengünstige Verfahren soll künftig auch anderen medizinischen Hochschulen und Ausbildungsstätten zur Verfügung stehen.
Der MakerSpace der Hochschule Hof ist eine hochmoderne Werkstatt, ausgestattet mit Hightech-Maschinen, Werkzeugen und Software, die es ermöglicht, technische Ideen zu verwirklichen und Prototypen zu entwickeln. Auf diese beeindruckenden Möglichkeiten traf Mohammed Misbahuddin-Leis, Assistenzarzt der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie, als er mit seiner Idee im Gepäcke durch die Hofer Innenstadt eilte. René Göhring, Technischer Leiter im MakerSpace, erzählt schmunzelnd: „Eines Nachmittags kam ein junger Assistenzarzt im Kittel zu uns und fragte, ob wir nicht etwas für ihn bauen könnten.“ Es wirkte, als sei er zwischen zwei OPs mal eben losgerannt. Man konnte ihm die Dringlichkeit seines Projektes förmlich ansehen.“
Bessere Übungsmöglichkeiten
Was zunächst als Idee begann, wurde nun erfolgreich umgesetzt. Mit dem „MANTA 3.4“ – dem „Medizinischen Angiographie Nachbildungsphantom zum Training von Ärzten“ – steht nun ein Modell zur Verfügung, das jungen Medizinern ermöglicht, die Handhabung von Kathetern und Verschlusstechniken in einer realitätsnahen Umgebung zu üben ohne dabei sofort am Patienten arbeiten zu müssen. Prof. Dr. Boris Radeleff, Chefarzt für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Sana Klinikum Hof und Apl. Professor am Uniklinikum Heidelberg, beschreibt den Fortschritt: „Ein Gefäßverschluss muss in der Regel innerhalb von wenigen Minuten erfolgen. Präzision und Schnelligkeit sind entscheidend. Bislang waren die Möglichkeiten für praktisches Training stark limitiert. Die angehenden Mediziner mussten entweder unter der Anleitung erfahrener Kollegen direkt am Patienten üben, was risikobehaftet und bei bestimmten Blutungsfällen nur bei wenigen Fällen pro Jahr möglich ist oder auch auf Tiermodelle zurückgreifen. Das Anlernen dauert dementsprechend sehr lang. Mit unserem neuen Modell können wir die Ausbildung unserer angehenden Radiologen erheblich verbessern und damit die Patientenversorgung optimieren.“
Entwicklung eines Trainingsphantoms
Bislang existiert als topfunktionsfähiges, aber teures Phantom lediglich eines in Form des Angiotrainers, entwickelt von der Charité in Berlin. Schon aufgrund der Kostenstruktur ist damit eine breite Ausbildung medizinischen Personals, vor allem in Ländern mit niedrigem medizinischen Standard und unter schlechten finanziellen Möglichkeiten gar nicht oder nur eingeschränkt an wenigen Spitzenzentren möglich. „Dass wir dies nun gemeinsam mit der Hochschule Hof bei uns umsetzen können, ist ein enormer Fortschritt, so der Chefarzt. „Unser Ziel war es, ein kostengünstiges Trainingsphantom zu entwickeln, das für Ausbildungszwecke an Universitäten und Ausbildungszentren mit begrenzten Mitteln, hergestellt werden kann.“ so Prof. Dr. Anke Müller, Prof. für Fertigungstechnologien und Leiterin des Startuplabs der Hochschule Hof.
Vorbereitung auf Notfälle
Und so wurden im MakerSpace der Hochschule Modelle der menschlichen Gefäßstruktur mit dem 3D Drucker hergestellt, in die ein variabel steuerbares Pumpsystem integriert ist. Dieses System simuliert den menschlichen Blutdruck in der Arterie mit Flussraten und damit die physiologischen Bedingungen, die während eines echten Eingriffs auftreten. „Nach mehreren Prototypen wurde eine Variante gefunden die sich als geeignet herausstellte, ein transparentes, weiches Gefäßsystem nachzubilden“, berichtet Prof. Dr. Thomas Rausch, der maßgeblich daran mitgewirkt hat. Es ermöglicht nun, die Handhabung von Instrumenten wie Kathetern und Führungsdrähten sowie das Verschließen mittels Coils (Spiralen) risikolos zu üben. Prof. Radeleff ergänzt: „Unser MANTA-Phantom bereitet medizinisches Fachpersonal auf Notfälle vor und verbessert die Reaktionsfähigkeit und Genauigkeit bei dringenden medizinischen Interventionen. Durch Trainingsszenarien, wie den Umgang mit akuten Gefäßverschlüssen oder arteriellen Blutungen, werden Interventionelle Radiologen befähigt, schneller und präziser zu agieren.“
Kosteneffizient und einfach herzustellen
Die einfache und kostengünstige Herstellung des Modells, die im Ursprung mit der Verwendung eines 3D Druckers und einer Vorratsdose startete, ist ein weiterer Vorteil, der die Zugänglichkeit der Ausbildung für eine breitere Gruppe von Medizinstudierenden erhöht. „Die Materialkosten für das Modell belaufen sich auf etwa 250 EUR. Zudem sind alle Bestandteile mittels üblicherweise im Hochschulumfeld befindlichen Equipment herstellbar“, so Prof. Dr. Anke Müller. Geplant ist, die Technik als Open Source Anleitung auch anderen Ausbildungsstätten und Unikliniken zur Verfügung zu stellen, ganz im Sinne der Maker-Bewegung. Die Zukunft des medizinischen Trainings sieht vielversprechend aus: Das Modell soll laufend weiterentwickelt werden, um spezifische Trainingsmodule für verschiedene radiologische Subdisziplinen zu integrieren. „Mit dieser Innovation setzen wir einen neuen Standard in der medizinischen Ausbildung, der letztendlich ein Vorteil für unsere Patienten sein wird“, betont Prof. Radeleff. Angefragt wurde zum Beispiel auch schon ein Modell für die Urologie.
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