AKG: Interdisziplinarität mit Atmosphäre
13.07.2015 -
Das diesjährige Frühjahrstreffen der Architekten für Krankenhausbau und Gesundheitswesen im Bund Deutscher Architekten (AKG) fand im April in Hannover statt.
Es setzt sich traditionell aus Fachtagung und anschließender Fachexkursion zusammen, die in diesem Jahr auch an das von Sander Hofrichter Architekten geplante Klinikum Siloah-Oststadt-Heidehaus Hannover führte. Eröffnet wurde das Frühjahrstreffen der Krankenhausarchitekten mit der Fachtagung in der ehemaligen Schalterhalle des Anzeiger-Hochhauses in Hannover. Der Hochhausbau im Stil des Backsteinexpressionismus bildete einen fulminanten Rahmen für fünf Expertenvorträge aus unterschiedlichen Disziplinen zum Thema „Hygiene“. Dieses ist mit den jüngsten Skandalen und Schlagzeilen um „Ekel-Besteck“ und resistente Keime in Krankenhäusern in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und daher auch bei den Krankenhausarchitekten ein vieldiskutiertes Thema.
Bei der anschließenden Fachexkursion wurden Best-Practice-Beispiele von Bauten im Gesundheitswesen im Großraum Hannover besichtigt. Neben zwei Neubauten auf dem Gelände der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und dem DRK-Krankenhaus Clementinenhaus wurde das von Sander Hofrichter Architekten geplante Klinikum Siloah-Oststadt-Heidehaus von den Teilnehmern besucht. Das Großprojekt mit 535 Betten ist von konsequenter Interdisziplinarität und einem wegweisenden Gestaltungskonzept geprägt.
Mit dem Neubau, der im Herbst 2014 eröffnet wurde, haben Sander Hofrichter Architekten für die Klinikum Region Hannover die Krankenhäuser Siloah und Oststadt-Heidehaus an einem Standort zusammengeführt. Das Gebäude orientiert sich städtebaulich an einem denkmalgeschützten Altbau, in dem die Klinikverwaltung untergebracht wurde. Neben historischen Bauten wurde auch schützenswerter Baumbestand in die Neubauplanung und die Entwicklung des Gesamtgeländes einbezogen.
Das neue Klinikum verfügt über einen massiven, zweigeschossigen Sockel, der die Traufhöhe der historischen Gebäude aufnimmt, und drei darüber schwebenden Bettenhausriegeln mit jeweils fünf Pflegegeschossen. Patchworkartig eingestreute Lichthöfe gliedern den Neubau und versorgen fast alle Räume mit viel Tageslicht. Alle Patienten genießen aus ihren Zimmern heraus einen herrlichen Blick auf die Flussauen.
Prof. Linus Hofrichter, einer der Geschäftsführer der Sander Hofrichter Architekten, begleitete die AKG-Mitglieder beim Gang durch das Haus, das sich trotz der großen Nutzfläche von 32.000 m² zurückhaltend in seine Umgebung einfügt: „Bei dem Projekt war die besondere Herausforderung, ein sehr kompaktes Gebäude zu schaffen, das sich mit einem menschlichen Maßstab auch in die Höhe entwickelt“, erklärt Hofrichter.
Der Sockel wurde als Ziegelfassade ausgeführt, um die Schwere und Erdverbundenheit zu betonen. Die Pflegegeschosse erhielten im Kontrast dazu eine Leichtigkeit vermittelnde Fassadenkonstruktion mit Bandfenstern und vorgehängten Glasbrüstungen. Vier der fünf Pflegegeschosse ragen über die Sockelgeschosse aus. Das direkt auf dem Sockel liegende Geschoss vermittelt durch seine zurückspringende Fassade den Eindruck, dass die übrigen Pflegegeschosse „schweben“. Es verfügt zudem über Dachterrassen, auf denen sich die Patienten der Wahlleistungs- und Palliativstation erholen können.
Die lichtdurchflutete Eingangshalle ist auf beiden Seiten raumhoch verglast und ermöglicht so Blickbeziehungen zwischen dem Fluss Ihme und dem Altbau, was dem Gebäude einen lichten und transparenten Charakter verleiht. Direkt an die Lobby grenzt die Cafeteria, die sich mit einer großen Außenterrasse zur Flussseite hin öffnet. Der Bau fügt sich so optimal in die Flussauen ein und bietet Mitarbeitern, Patienten und Besuchern eine hohe Aufenthaltsqualität.
Der Neubau des Klinikums Siloah-Oststadt-Heidehaus bietet Platz für 535 Betten. Im Krankenhaus der Schwerpunktversorgung kümmern sich rund 700 Ärzte und Pflegekräfte in insgesamt 12 Fachabteilungen um die Patienten. Im Erdgeschoss befinden sich alle nicht-invasiven und ambulanten Behandlungsbereiche, im ersten Obergeschoss sind alle Behandlungen, die eine Narkose benötigen, gebündelt.
Konsequente Interdisziplinarität war eines der bestimmenden Grundprinzipien der Planung. Das Erdgeschoss des Neubaus wurde als zentrale Untersuchungsebene gestaltet. Die Klinik verfügt über eine interdisziplinäre Notaufnahme, die von allen Fachabteilungen genutzt wird, sowie ein neuartiges interdisziplinäres Aufnahme- und Untersuchungszentrum.
Im 1. OG wurde eine räumliche Zusammenführung der interventionellen und operativen Behandlungsformen auf einer Etage erreicht. Ehemals getrennt arbeitende Fachabteilungen erzielen mit der gemeinsamen Arbeit in einem Raum hohe Synergieeffekte. In der interdisziplinären Endoskopie arbeiten drei Fachabteilungen in einem Funktionsbereich zusammen und bündeln so ihre Kompetenz.
Zum Klinikum gehören acht OP-Säle und ein Hybrid-OP, direkt daneben wurde die interdisziplinäre Intensivstation mit 54 Betten und Intermediate-Care-Einheit untergebracht. Hinzu kommt eine Weaning-Abteilung mit 17 Betten. Es verfügt zudem über drei Linksherzkathetermessplätze und zwei Angiografieanlagen.
Für das innovative Gestaltungskonzept „Wege der Heilung“ wurden Sander Hofrichter Architekten 2012 mit dem AIT Healthcare Application Award ausgezeichnet. Grafisch umgesetzte Pflanzenthemen und vier zugehörige Leitfarben helfen den Patienten und Besuchern, sich problemlos zurechtzufinden. Die Farbe Grün kennzeichnet die Behandlungsräume im Sockel, während die Farben Rot, Gelb und Violett sich auf die zugehörigen Heilpflanzen Hibiskus, Ringelblumen und Lavendel beziehen und den Weg zu den drei Bettenhäusern weisen.
Projektdaten:
- 1. Preis Wettbewerb und Auftrag
- Bauherr: Klinikum Region Hannover GmbH
- Zeitraum: 2007–2014
- Kosten: 192 Mio. €
- BRI: 258.000 m3
- BGF: 62.000 m2
- NF: 32.000 m2