Bauen, Einrichten & Versorgen

Bodenbelag und Farbkonzept –vom Bemustern zum Musterzimmer

25.06.2012 -

Von außen ist das Farbkonzept für die neue Winnender Klinik bereits gut sichtbar: In einem gemeinsamen Entscheidungsprozess von Klinikleitung und Klinikpersonal suchten die beiden Architektinnen die passenden Bodenbeläge aus.

Ein eintägiger Workshop in Waiblingen war die Grundlage für die Auswahl der Bodenbeläge. „An diesem Tag stellten sich mehrere namhafte Hersteller nacheinander vor", erläutert Anja Haferkorn von Hascher Jehle Architektur das Verfahren. Bei der Auswahl galt es, verschiedene Kriterien zu berücksichtigen. Nicht jedes Material ist für jeden Raum geeignet. Während im Pflegebereich die Entscheidung für Linoleum fiel, kam der Boden aus natürlichen Rohstoffen im OP-Bereich nicht infrage. „Das ist in Deutschland nicht zugelassen", erklärt Christiane Königsmann vom Architekturbüro Monnerjan Kast Walter, das sich auf Krankenhaus- und Pflegeheimplanungen spezialisiert.

Im OP-Bereich, der Intensivstation, der Schlaganfalleinheit und bestimmten Technikräumen ist PVC wegen seiner Leitfähigkeit das Material der Wahl. Im Eingangsbereich liegen Fliesen in hellem Beige, eine Sauberlaufmatte im Windfang fängt den ersten Schmutz ab, und im Kantinenbereich sorgen Steinzeugfliesen in dunklem Braun für eine angenehme Atmosphäre.

Neben der Funktionalität sind auch das Design und die Harmonie der Bodenbeläge untereinander wichtig. Darum haben Anja Haferkorn und Christiane Königsmann unzählige Muster geprüft, nebeneinandergelegt und beurteilt, ob sie zu Sockeln, Möbeln und Vorhängen passen. Bei alldem hielten sie stets den Kostenrahmen im Blick.

Auch die Ausschreibung des Auftrags und die endgültige Auswahl von Design und Farbe der Bodenbeläge auf Basis des Farbkonzepts mit dem Zusammenspiel von Grün-Gelborange, Holzdekor und de­zentem Grau gehörten zu ihren Aufgaben. Im Kinderbereich geht es farbig zu, aber immer im Rahmen des Farbkonzeptes: Orange und grün ist der Linoleumbelag, kleine geometrische Elemente werden eingelegt. Rund 30.000 m2 Linoleum und 15.000 m2 PVC werden in Winnenden gelegt.

Interview mit Daniela Feindor und Jens Loeffler

Lösungen müssen sinnvoll und leistbar sein. Daniela Feindor ist als Projektleiterin für den Neubau des Rems-Murr-Klinikums in Winnenden verantwortlich. Seit 2006 koordiniert die studierte Biologin und erfahrene Projektmanagerin das 274-Mio-€-Projekt. Zuvor leitete die gebürtige Stuttgarterin u. a. beim Württembergischen Landessportbund den Neubau des SpOrt Stuttgart.

Über den Prozess der Entscheidungsfindung während der Bauphase eines Krankenhauses sprach Insa Lüdtke mit ihr und Jan-Lennart Loeffler, zuständig für die Unternehmenskommunikation der Rems-Murr-Kliniken.

M&K: Ein Krankenhaus besteht aus zahlreichen Raumabschnitten. Welche Bereiche machen Sie fest im Hinblick auf Anforderungen an die Auswahl von Materialien und Objekten?

Daniela Feindor: Tatsächlich bringen die verschieden Funktionen ganz unterschiedliche Raumanforderungen mit sich: Haupteingang, Leitstellen und Stützpunkte, Patientenzimmer haben natürlich ebenso eigene Anforderungen wie die Bereiche „hinter den Kulissen", zu denen Arbeitsplätze für Ärzte, Pflege und Verwaltung, Serviceräume und Funktionsbereiche wie Apotheke, Lager, Archiv, Sterilisation oder Labor zählen. Auch Cafeteria, OP, Entbindung, Privatstation und Wahlleistungszimmer, Wartebereiche, Untersuchungs- und Behandlungszimmer gehören dazu.

Nach welchem Prozedere erfolgen Entscheidungsprozesse bei Bemusterungen von Materialien, Sanitärobjekten etc.?

Daniela Feindor: In einem ersten Schritt stimmen sich Architekten und Fachplaner im Rahmen des Farb- und Materialkonzepts untereinander ab. Dieses Farb- und Materialkonzept wurde zuvor in Abstimmung mit dem Bauherrn festgelegt. Diesen Vorschlag diskutieren sie mit der Projektleitung Neubau und passen ihn gegebenenfalls an.

Je nach Bedarf werden in einem zweiten Schritt die Nutzer hinzugezogen. Dies können z. B. Hygienebeauftragte, der jeweilige Fachbereich, die Haustechnik oder die Reinigung sein. Der Stand wird auch von Zeit zu Zeit der Geschäftsführung vorgestellt. Bei Details, die alle Bereiche betreffen, wie der Boden oder das Leitsystem, werden die Konzepte in verschiedenen Gremien wie dem Aufsichtsrat, bei Chefärzten und pflegerischen ­Bereichsleitungen und in Mitarbeiterversammlungen vorgestellt. Da über das Farb- und Materialkonzept die Rahmenbedingungen vorgegeben sind, kann die Entscheidung oft innerhalb der ersten beiden Schritte getroffen werden.

Wer ist an den Entscheidungen beteiligt?

Daniela Feindor: Das ist ganz unterschiedlich. Bei der Auswahl der Fußbodenbeläge sind das die Projektleitung, Hygienebeauftragte, Reinigungskräfte, Verantwortliche für Haustechnik, Pflegedienstleitungen und die Geschäftsführung; für einzelne Spezialbereiche (z. B. OP) beziehen wir weitere Nutzer wie Ärzte und leitende Pflegekräfte mit ein. Bei der Frage der richtigen Nachtbeleuchtung im Patientenzimmer sind Kompetenzen der Haustechnik, Projektleitung und Pflegedienstleitungen gefragt.

An der Auswahl von Fertignasszellen waren die Projektleitung, Hygiene, Reinigung, Haustechnik, Pflege, Geschäftsführung und der Aufsichtsrat verantwortlich. Alle Vorlagen und Entscheidungen werden stets unterstützt durch Architekten und Fachplaner.

In welchem Verhältnis stehen Investitionskosten und Betriebskosten?

Daniela Feindor: Dazu kann ich keine generelle Aussage treffen. Vor jeder Entscheidung prüfen wir die Wirtschaftlichkeit und wägen zwischen den verschiedenen Anforderungen ab. Die Lösung muss nötig, sinnvoll, leistbar und haltbar sein sowie ins Budget passen. Dabei favorisieren wir grundsätzlich eine wirtschaftliche und keine billige Lösung.

Welche Bedeutung hat aus Sicht der Entscheider die Gestaltung in ästhetischer Hinsicht?

Daniela Feindor: Sie spielt im Hinblick auf den Neubau eine entscheidende Rolle. Die Gestaltung dient der Gesundung der Patienten und der Zufriedenheit der Mitarbeiter. Diese Aspekte sind auch Teil der Unternehmensvision der Rems-Murr-Kliniken, die sich in den drei Leitlinien „optimale Patientenversorgung", „attraktive Arbeitsplätze" und „wirtschaftliches Handeln" wiederfinden.

Herr Loeffler, gibt es einen Zusammenhang zwischen der Markenbildung - neudeutsch Corporate Identity - der Rems-Murr-Kliniken und der Auswahl der Materialien, Farbe oder Objekte?

Jan-Lennart Loeffler: Die Farbauswahl für die Ausstattung des neuen Klinikums steht in engem Zusammenhang mit der Farbauswahl für die Rems-Murr-Kliniken. Das architektonische Farb- und Materialkonzept des Neubaus findet sich im gesamten Haus z. B. im Leitsystem wieder. Dieser Zusammenhang ist nicht nur in eine Richtung.

So werden sich die mit dem Neubau einhergehenden markanten Veränderungen mit dem Patientenumzug auch in einem Relaunch des Unternehmensauftritts widerspiegeln: Dabei wird die bisherige Leitfarbe Blau durch Orange ersetzt, das durch einen weiteren Orange-Ton und Grau ergänzt wird. So präsentiert sich das Rems-Murr-Klinikum durchgängig vom Logo auf dem Briefpapier bis zur Fassade in einem Guss.

 

Kontakt

HASCHER JEHLE Architektur

Kantstraße 17
10623 Berlin

+49 30 347976 50
+49 30 347976 55

Rems-Murr-Kliniken gGmbH

Am Jakobsweg 1
71364 Winnenden

+49 7195 591 0

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