Bauen, Einrichten & Versorgen

Das Krankenhaus der Zukunft auf der Hospital Build Europe

07.05.2012 -

Das Krankenhaus der Zukunft ist lichtdurchflutet, von Garten und Wasser umgeben und so flexibel gestaltet, dass es Behandlungsprozesse optimal unterstützt und sich auch neuen Technologien schnell anpassen kann. Dieses Szenario entwarfen Klinikleiter, Architekten und Planer auf der Hospital Build Europe, Europas führender Messe rund um Krankenhausbau und -infrastruktur, die vom 24. bis 26. April 2012 in Berlin stattfand.

2400 Besucher aus Europa, China, Indien, Israel, Südkorea und Russland informierten sich über neue Produkte und Lösungen - von der Ausstattung von Pflegestationen und OP-Sälen über Energieverwaltung und Facility Management bis hin zur Prozessoptimierung. In fünf begleitenden Kongressreihen berichteten internationale Experten von ihren Erfahrungen und Projekten.

Wie eine moderne Klinik heute aussehen kann, wird am Herzzentrum der Uniklinik Köln deutlich: Viel Glas, helle Räume und viel Grün bestimmen den 2007 fertiggestellten Neubau. Dabei war die Motivation für das Projekt anfangs weniger design-, sondern vielmehr organisationsgetrieben, wie Jens Rauber von medfacilities, der Baudienstleistungsgesellschaft der Uniklinik, auf der Hospital Build Europe berichtete: „Wir wollten weg vom dezentralen Charakter und der historisch gewachsenen Streulage unseres Klinikums." medfacilities entwickelte ein Integrationskonzept, aus dem sich schnell die Idee der Zentrenbildung herauskristallisierte: Herzthoraxchirurgie, Kardiologie, Gefäßchirurgie und Kinderkardiologie sollten in einem Haus zusammengefasst, Prozesse dadurch verbessert, Synergien ausgeschöpft werden. gmp-Architekt Martin Bleckmann konstruierte mit seinem Team dafür bewusst ein Gebäude in Form des Buchstabens H: kompakt und klar strukturiert, aber dennoch luftig und lichtdurchlässig. Durch ein geschicktes Raumkonzept sind Besucher von Versorgungswegen getrennt, kommen also zum Beispiel nicht mit dem Bettentransport in Berührung.

Mit Klinikbauten die Gesundheit fördern

Von einem ähnlichen Ansatz versucht Alan Dilani, Leiter der International Academy for Design and Health, schon seit Jahren Gesundheitspolitiker und andere Entscheider zu überzeugen. Der Vorwurf des studierten Mediziners und Architekten: Das Gesundheitswesen beschäftige sich zu sehr mit pathogenetischen Faktoren, also den Ursprüngen und der Behandlung von Krankheiten. Viel wichtiger sei es hingegen, sich auf gesundheitsfördernde Aspekte zu konzentrieren. Das gelte vor allem beim Bau von Gebäuden: „Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Krankheit, sondern Wohlbefinden - nach dieser These sollten Architekten Häuser errichten", appellierte er auch in Berlin an die Kongressbesucher. Zu seiner Vorstellung von einem gesundheitsfördernden Klinikgebäude - Dilani nennt es „salutogenetisches Design" - gehörten ein lichtdurch-fluteter Eingangsbereich, grüne Flächen, Wasserelemente, Orientierungshilfen durch Farben oder in den Boden eingelassene Wegweiser - oder auch Kunst. „Ist die Zimmerdecke in einem Aufwachraum hübsch bemalt, können sogar Schmerzen der hier liegenden Patienten gelindert werden", so Dilani.
Auch der Architekt Albert Wimmer hat das verinnerlicht - und geht sogar soweit, das Wort „Krankenhaus" möglichst zu vermeiden. „Wir sprechen intern immer lieber von einem Gesundheitsquartier", verriet er auf der Messe. In seinem aktuellen Projekt, dem Neubau des Spitals Wien Nord, hat er neben einer weitläufigen Parkanlage mit Wasserspielen und Therapiegärten auch verglaste Atrien und eine Piazza eingeplant.

„Sie ist ein bisschen dem Markusplatz in Venedig nachempfunden - hier soll sich das öffentliche Stadtleben abspielen." Dem Personal jener sechs Krankenhäuser, die nach der Fertigstellung des neuen Gebäudes geschlossen und hier neu zusammengefasst werden sollen, hat der Träger, der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), ein hohes Mitspracherecht eingeräumt: 250 Fachkräfte haben sich in 56 themenbezogenen Teams zusammengefunden, hier in mehr als 700 Sitzungen Arbeitsprozesse besprochen, Vorschläge gemacht, Veränderungen diskutiert. Zwar stoße man dabei schon mal an „psychosoziale Schwellen", wie Thomas Pankl vom KAV sagte, „aber wir haben sogar jeden Plan von den Nutzern per Unterschrift freigeben lassen."

Krankenhauseinrichtung mit Wohlfühlambiente

Der immer bedeutendere Wohlfühlfaktor hat auch die Produktentwickler des Elektronikkonzerns Philips inspiriert, der sich auf der Hospital Build Europe mit einem Stand präsentierte. Eine seiner neuesten Lösungen ist „HealWell", ein Lichtkonzept, das auf drei Säulen beruht. Kim-Van Ho, Segment Marketing Managerin Hospital and Health, erklärt: „Zum einen bietet es Funktionalität, nämlich eine optimale Beleuchtung, unter der die Klinikfachkräfte vernünftig arbeiten können."

Der Clou aber sei ein Feature, über das die Patienten das ihnen angenehmste Licht selbst einstellen können. Ob ein entspannender Orangeton oder ein aufmunterndes Blau - die Kontrolle über das Licht liegt in der Hand des Patienten. „Das ist auch psychologisch wertvoll, weil wir den Patienten in seinem Selbstbewusstsein stärken: Er bekommt das Gefühl, trotz vielleicht langer Liegezeiten selbst über einen Teil seines Umfelds bestimmen zu können." Zudem könne das System so eingestellt werden, dass es automatisch das Tageslicht nachbildet. „Morgens ist das Licht dann etwas frischer, gegen Abend hin wechselt es zu einem gedämpfteren Ton." Das wirkt sich auf die Gesundheit aus: „Wir haben eine Feldstudie durchgeführt, die zeigt: Wird HealWell eingesetzt, schlafen die Patienten zum einen länger und zum anderen schneller ein", so Kim-Van Ho. Noch in diesem Jahr soll das Konzept erstmals im Regelbetrieb eines Krankenhauses implementiert werden.

Auch an den Messeständen der klassischen Gebäudeausstatter war von einem Umdenken im Krankenhausbau zu hören. Etwa beim Fliesenhersteller Mosa aus Maastricht, der sich auf elegante und stilvolle Fliesen spezialisiert hat - und neuerdings neben Hotels und Restaurants auch Krankenhäuser zu seinen Kunden zählt. „Kliniken entwickeln sich immer mehr zu Gesundheitshäusern", sagt Marketing Managerin Janine Bayartz. „Das heißt, sie wollen ihren Patienten ein Interieur bieten, das schick und modern aussieht und zugleich beruhigend wirkt." Aktuell im Trend: spielerisch versetzte Formen, neben fröhlichen Farben auch gedeckte, rauchige Grautöne. „Die hochgezogene, einfarbige Fliesenwand - Architekten sprechen vom Schlachthauseffekt - ist definitiv passé", so Bayartz. Im Kommen seien auch antibakterielle Wandfliesen. Mit Silber-Ionen beschichtet, bieten sie bessere Hygiene als herkömmliche Fliesen. Das Thema Hygiene fördert immer neue Produktdetails zutage, etwa bei Viessmann Technologies. Der Ausstatter von Reinräumen verwendet heute Touchscreens mit Berührungsflächen aus Glas statt mit Folien - und ohne jegliche Fugen. „So können sich Bakterien nicht so schnell einnisten", erklärt Vertriebsmitarbeiter Elmar Götzl.

Der Trend: Jegliches Krankenhausgefühl vermeiden

Das belgische Architekturbüro VK, das unter anderem beim Bau des vielfach prämierten Gerichtshofs in Antwerpen mitgewirkt hat und aktuell an der Errichtung des neuen NATO-Hauptquartiers in Brüssel beteiligt ist, macht mittlerweile 40 Prozent seines Umsatzes mit der Konstruktion und Renovierung von Gesundheitsimmobilien. Auf der Hospital Build Europe berichteten zwei Vertreter en detail über ihre Projekte: „Wir bauen ganze Hauswände aus photovoltaischen Zellen, die das Sonnenlicht aufnehmen und weiterleiten", sagt der Leiter des Bereichs Healthcare, Stéphane Vermeulen. „Oder wir errichten im Klinikgebäude einen boulevardähnlichen Gang mit Bäckereien, einem kleinen Markt, einem Blumengeschäft. Wir versuchen einfach, jegliches Krankenhausgefühl zu vermeiden."

Doch es geht um mehr, meint VK-Marketing-Manager Serge Cappon: „Krankenhäuser müssen heute nachhaltig gebaut sein." Der Architekturexperte kritisiert, dass viel zu häufig nur über die vermeintlich hohen Baukosten geredet würde, ohne diese jedoch in Vergleich zu den operativen Kosten zu setzen. „Dabei können im laufenden Betrieb später viel Energiekosten gespart werden, wenn man vorher in entsprechende Baumaßnahmen investiert hat." Geothermale Energie, Photovoltaik, Wärmerück¬gewinnung oder die Nutzung von Regenwasser - vielen Klinikentscheidern sei nicht bewusst, dass man durch genaue Szenarien die später reduzierten Betriebskosten gut kalkulieren könne, betont Cappon. „Hier muss ein Umdenken stattfinden."

Auch Dr. Theo van der Voordt von der TU Delft, der durch die Kongressreihe „Design, Build and Upgrade" führte, macht einen Denkfehler bei den Planungsentscheidern aus: „Noch immer schauen viele beim Bau oder der Renovierung einer Klinik nur auf die Kosten oder die zu erreichenden Quadratmeter", sagt der Professor für Immobilienmanagement. „Genauso wichtig sind aber auch Outputfaktoren wie zufriedene Patienten und Mitarbeiter, Imagesteigerung und Produktivität."

Vordenker präsentieren neue Wege

Der Schweizer Gesundheitsökonom Dr. Willy Oggier, in dessen Vortragsreihe Vordenker im Gesundheitswesen ihre Ideen und Projekte vorstellten, definierte drei Treiber, die die baulichen Maßnahmen im Gesundheitswesen künftig bestimmen werden: Neben den ökonomischen Zwängen, unter denen Krankenhäuser versuchen werden, neue Finanzierungsmodelle einzuführen und ihre Prozesse zu optimieren, beeinflussten auch medizinische und gesellschaftliche Entwicklungen den Krankenhausbau. So nehme etwa die Halbwertzeit des Wissens immer mehr ab. „Deshalb ist es heute Unsinn, Krankenhäuser mit einer einkalkulierten Nutzungsdauer von 40 Jahren zu errichten. Uns erwarten bald völlig neue Krankheitsbilder, Multimorbidität, ein Alterungsprozess, den wir so vorher nie hatten - das Wissen darum muss in den Bau oder den Umbau von Gesundheitseinrichtungen einfließen." Auch die ländliche Versorgung werde das Gesundheitswesen immer mehr beschäftigen. „Hier werden wir neue, spannende Modelle entwickeln müssen." Denkbar sei es, Krankenhäuser, die nicht mehr ausgelastet sind, in moderne Gesundheitszentren umzufunktionieren und sie mit anderen Krankenhäusern zu vernetzen. „Da wird dann schon mal ein Hubschrauberlandeplatz nötig."

Dr. Volker Cornelius, Präsident des Verbands der beratenden Ingenieure (VBI), der die Messe als Partner unterstützt, erwartet einen Paradigmenwechsel im Krankenhausbau: Das Krankenhausmanagement müsse noch enger mit den Ingenieuren und Architekten zusammenarbeiten, um sowohl kurzfristige Änderungen wie neue medizinische Behandlungsmethoden als auch langfristige Parameter, etwa die Schaffung ausreichender Fläche oder die nötige Flexibilität für Erneuerungen und Verbesserungen einzukalkulieren. „Die Architektur ist die Hülle und der Aktionsraum für Behandlungsprozesse und Patientengenesung - wie eine Stadt muss sie daher die Infrastrukturen bereitstellen." Wie Städte änderten sich auch Krankenhäuser ständig. „Die Flexibilität eines Krankenhauses wird deshalb zum entscheidenden Wirtschaftsparameter."

Der gleichen Überzeugung ist Dr. Henny van Laarhoven: „Statt nur auf schönes Design zu setzen, sollte man sich von der Frage leiten lassen, ob neue Bauten auch in der Praxis funktionieren", fordert die Klinikdirektorin, die beim Neubau des von ihr geleiteten Orbis Medical Parks im niederländischen Sittard auf Flexibilität geachtet hat. „Wir wollten, dass sich unsere Organisation schnell und einfach an neue Entwicklungen anpassen kann." Sie habe den Komplex unterteilt - in einen Kernbereich, eine psychiatrische Klinik und ein Rehazentrum - und sich für ein auf Standards basierendes Geschäftssystem entschieden.

Beim Krankenhausbau müsse man sich bewusst sein, so van Laarhoven, dass sich die gewählte Strategie auf vier Bereiche auswirke: Kosten und Prozesse, die Wahl des richtigen Personals, Versorgung und Pflege und das Kapital. „Sie sollten sich beim Bau eines Krankenhauses und der Wahl der richtigen Strategie immer überlegen, welche Auswirkungen sie auf genau diese vier Felder hat und wie Sie diese Auswirkungen messen können", riet sie dem Publikum. Van Laarhoven prüft alle Resultate regelmäßig und bespricht sie einmal monatlich mit dem Team. Das zeigt Wirkung: „In den letzten drei Jahren war unsere Produktivität um 14 Prozent höher als im übrigen Land. Unseren EBITDA konnten wir seit dem Umbau um 20 Prozent steigern."

Ein weiteres Erfolgsprojekt stellte Yossi Bahagon auf der Hospital Build Europe vor: Der E-Health-Experte des israelischen Gesundheitskonzerns Clalit Health Services hat bei der Frage nach besserer Gesundheitsversorgung den Patienten als wichtigste Ressource entdeckt. „Wenn man davon ausgeht, dass nur 50 Prozent der Ärzte die richtige Therapie empfehlen und nur die Hälfte dieser Patienten bei der Behandlung mitziehen, erhält am Ende nur ein Viertel der Kranken die richtige Behandlung", rechnete Bahagon vor. Seine Idee: beim Patienten ansetzen. „Ihn müssen wir motivieren und dazu bringen, sich um seine Gesundheit zu kümmern." Er hat daher eine digitale Plattform entwickelt, die Patienten personalisierte Gesundheitsdaten bereitstellt. Monatlich nutzen mehr als anderthalb Millionen Menschen das Programm, über 2,4 Millionen Interaktionen verzeichnet die Plattform im selben Zeitraum. Bahagon berichtete von guten Ergebnissen: „Gerade chronisch Kranke werden in den Behandlungsprozess eingebunden und stärker zur Vor- und Nachsorge ermutigt." Auch finanziell lohne sich das E-Health-System: Clalit habe damit laut Bahagon, einen Return on Invest in Höhe von 415 Prozent erzielt.

Prozesse gestalten statt Selbstläufer zulassen

In funktional ausgerichteten Organisationen wie Krankenhäusern gebe es nur wenige Leute, die sich über Prozesse Gedanken machen, stellt Dr. Marco Emmermann fest. Der Wirtschaftsingenieur und Logistiker, der mit seinem Unternehmen Visality unter anderem Krankenhäuser in Sachen Prozessoptimierung betreut, rät seinen Kunden dennoch, von einer Funktions- auf eine Prozesssichtweise umzuschwenken: „Für sich allein genommen mögen alle Abteilungen funktionieren. Es braucht aber nur bei einem Glied in der Kette oder einer Schnittstelle zu haken, schon ist der ganze Prozess, etwa einer Behandlung, gefährdet."

Wie wenig dieses Denken bereits in Krankenhäusern angekommen sei, machte auch Prof. Dr. Tom Guthknecht vom Beratungshaus CMS Lausanne Health and Hospitality Group deutlich. Er wisse von einer Einrichtung, in der Unklarheit über die erbrachten Leistungen herrsche, einfach, weil keine genauen Daten vorlägen. Eine andere Einrichtung habe ihm gegenüber ein halbes Jahr lang keine Aussage darüber machen können, wie viele Betten sie tatsächlich betreibe - aus purer Unkenntnis. Und bei einem dritten Klinikum klagten die Leiter über den in die Wege geleiteten Neubau - sagten aber auch, das Projekt habe bereits so viele politische Hürden genommen, dass es sich mittlerweile zu einem schwer zu stoppenden Selbstläufer entwickelt habe - und zu einem Betriebskostengrab. „Statt blinde Kuh mit Ressourcen zu spielen, müssen ordentliche Prozesse definiert werden", so Guthknecht. Dazu gehörten vier wichtige Schritte: den Arbeitsfluss genau planen, Pufferzonen bei Schnittstellen einarbeiten, nicht an Hilfsmitteln sparen und IT einbinden. „Wichtig ist auch, dass Sie gleich zu Beginn sehr sorgfältig planen." Denn am Anfang seien die Einflussmöglichkeiten am größten, im Verlauf nehmen sie immer weiter ab. „Alles, was nicht schon zu Beginn definiert ist, wird später sehr teuer."

 

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