Bauen, Einrichten & Versorgen

Das Patientenhotel als kostensenkender Baustein

10.10.2013 -

Das Patientenhotel als kostensenkender Baustein. In Ländern wie den USA, Australien, Schweden und Dänemark haben Patientenhotels bereits eine langjährige Tradition.
Auch in Deutschland planen erste Kliniken Einrichtungen von Hotelstationen für sog. Low-Care-Patienten.
Sie sollen – entweder in das Krankenhaus integriert oder separat als benachbartes Gesundheitshotel betrieben – zusätzliche Einsparungen bringen. Im Hinblick auf den Abbau von Klinikbetten, den zunehmenden Wettbewerb der Häuser untereinander und die steigenden Erwartungen der Patienten an Komfort ging es kürzlich um die Chancen und Risiken solcher Vorhaben in Deutschland beim Euroforum- Patientenhotel-Kongress, München.

Durch den Bettenabbau – der Einführung der DRGs geschuldet – rechnet Prof. Dr. Günter Neubauer, Institut für Gesundheitsökonomik an der Universität der Bundeswehr, zwar mit einer Verkürzung des Klinikaufenthalts von heute zwischen rund acht Tagen auf sechs bis vier Tage in den nächsten Jahren.
Trotzdem kostet ein Tag in der Klinik mit rund 120 bis 250 € durch den erhöhten Personalaufwand immer noch rund 80 bis 100 € mehr als künftig im benachbarten Patientenhotel.
Zudem werden aufgrund der demographischen Entwicklung immer mehr chronisch kranke Menschen regelmäßig zu Check-Ups in klinischer oder ambulanter Behandlung sein und unter fachlicher Anleitung lernen, wie sie Zuhause allein zurechtkommen können.
Diese Anforderungen werden künftig nur regionale Kooperationen und Netzwerke in Form von hoch spezialisierten Gesundheitszentren, bestehend aus MVZ, Krankenhaus und Patientenhotel, auffangen können.
„In Zukunft geht es bei der Behandlung von Krankheiten nicht mehr um die Unterteilung in ärztliche Fachrichtungen, sondern um Pflegeintensität am Patienten – zwischen Intensive- und Low-Care“, betonte Dr. Guido Messtaler vom Büro TMK Architekten.
Er ist spezialisiert auf das Bauen von Krankenhäusern und plant derzeit schon erste Patientenhotels. „Zur Unterstützung seiner Genesung muss dem Patienten nach dem Eingriff so früh wie möglich seine Privatsphäre zurückgegeben werden“, unterstrich Marie-Luise Müller.
Als Geschäftsführerin gründete sie 2004 zusammen mit Experten aus den Disziplinen der Pflege, Finanzierung, Architektur, Bildung und Hotellerie die Gesellschaft Deutsche Patientenhotel (DPH) in Berlin.
Mit Hilfe des Kapitals eines britischen Investors wird die DPH in den nächsten Jahren 50 Pflegehotels in Deutschland bauen. 10 % der Patienten seien durchschnittlich für das Patientenhotel geeignet, zur Nachsorge etwa nach Entbindungen und Routineeingriffen. Dazu kämen ambulante Patienten, Angehörige sowie Tagungsgäste, so Müller.
Da es derzeit an qualifiziertem Personal für den Service im Patientenhotel fehlt, baut die DPH in Kooperation mit der Zentrale Akademie für Berufe im Gesundheitswesen (ZAB) ein Bildungskonzept auf, das speziell für die Gesundheitshotellerie spezialisiert ist.
Die Qualifizierung zur Gesundheitshotelfachkraft soll dazu befähigen, die Pflege und Versorgung von Patienten mit dem Servicegedanken eines Hotels zu verbinden. Im Mai startet der erste Kurs mit 15 Teilnehmern.
Bernd Chr. Claessen vom Fachbereich Gesundheitshotellerie DPH sprach von der Bedeutung des „Service-Mind“, der inneren Einstellung des Personals, dem Gast zu dienen. Bei Befragungen von Patienten bliebe nämlich die Qualität des Service am ehesten in Erinnerung und werde als Marketinginstrument der Kliniken immer bedeutsamer.
Als erstes Bundesland hat Nordrhein- Westfalen die klinischen Low- Care-Betten als förderfähige Krankenhaus- Planbetten anerkannt. Auf dem Gelände des Universitätsklinikums in Münster (UKM) soll 2007 eines der ersten Pflegehotels in Deutschland entstehen: Zugeschnitten ist das geplante viergeschossige ellipsenförmige Gebäude auf knapp 100 Betten.
Vom Komfort her entspricht das Haus einem Vier-Sterne- Hotel. Vom einfachen Standard-Zimmer wird es bis zur komfortablen Suite insgesamt vier Kategorien geben. Jedes Zimmer ist sowohl als Einzel- als auch als Doppelzimmer nutzbar und hat neben der Hoteltelefonanlage eine Notruftaste.
Wie bei einem Hotel gibt es eine große Lobby mit Shops, Veranstaltungs- und Tagungsräumen sowie ein Restaurant.
Kosten wird es das UKM keinen Cent. Bauherr ist die Deutsche Patientenhotel: Von der architektonischen Planung bis zur Einrichtung übernimmt die Beratungsgesellschaft den gesamten Service im Vorfeld. Die Finanzierung wickelt das Unternehmen über private Investoren ab.
Betrieben wird das Haus später von einer noch zu gründenden Betriebsgesellschaft, an der das UKM als Anteilseigner maßgeblich beteiligt sein wird.
Ähnlich Pläne hat auch Barbara Schulte vom Universitätsklinikum Lübeck-Kiel: „Wir wollen mit dem Konzept künftig Klinikkosten senken und mehr Patienten gewinnen.“ Das Patientenhotel sieht Schulte als integrierten Bestandteil der stationären Versorgung.
Durch die Verlagerung der Betten im Low-Care-Bereich soll die Auslastung des Patientenhotels bereits bei 63 % liegen, was vergleichbar zum Betrieb eines Hotels als gewinnbringend gilt. Zähle man noch die ambulante Versorgung hinzu, so komme man auf 80 % Belegung.
Die Betriebswirtin verspricht sich jährliche Einsparungen von mindestens 500.000 €, im Idealfall sogar von 1,6 Mio. €.
Als Entscheidungsgrundlage empfahl Prof. Dr. Harald Schmitz, Gesellschaft für betriebswirtschaftliche Beratung Gebera, den Teilnehmern einen fundierten Businessplan: „Das Patientenhotel ist kein Allheilmittel, man sollte es als Chance nutzen, den gesamten Pflegedienst zu reorganisieren.“
Es könne zur Optimierung von Abläufen und zu mehr Wirtschaftlichkeit beitragen.
Dr. Boris Robbers, Gesundheitsministerium in Niedersachsen, betonte, dass Patientenhotels besonders in Ballungsräumen, wo die Konkurrenz höher sei, sinnvoll seien. „Wer zögert, verliert Kunden“, warnte Prof. Dr. Herbert Rebscher, Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), „das Patientenhotel darf jedoch nicht zur ,Null-Pflege‘ animieren.“
Skeptisch äußerte sich Dr. Joachim Patt, Verband der Privaten Krankenversicherungen, zu bisher noch offenen juristischen Fragen: „Um wirklich zu profitieren, muss man dicke Verträge schließen und alles festlegen.“

Insa Lüdtke, Berlin

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