Gesundheitsökonomie

Angebot Kooperationsmodell der Arcus-Kliniken verunsichert

07.01.2016 -

Kliniken, die mit niedergelassen Ärzten bei vor- und nachstationären Behandlungen zusammenarbeiten, müssen juristische Fallstricke wie verbotene Kopfpauschalen umgehen.

Mehrere Hundert Orthopäden in Baden-Württemberg erhielten Ende 2013 ein Angebot der Arcus-Kliniken, das sehr unterschiedliche Reaktionen auslöst. Danach sollen Ärzte vor- und nachstationäre Leistungen bei Knie- und Hüftoperationen vergütet bekommen - z. B. die Einweisung inklusive Stellungnahme, Arztbericht und Ausfüllen eines Fragebogens zum Thema Gelenkprothesen, ebenso die Nachsorge, Röntgenkontrolle und Ausfüllen eines Endprothesenregisterbogens.

Viele Ärzte zeigten sich interessiert, aber bei Krankenhäusern schrillten die Alarmglocken. Das Angebot führe zu einer Wettbewerbsverzerrung. Kritiker wie die Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg befürchten, dass künftig nicht mehr die medizinische Qualität der Kliniken, sondern der geldwerte Vorteil ausschlaggebend ist für die Wahl des Krankenhauses. Schließlich fehlen vielen Krankenhäusern die finanziellen Mittel für entsprechende Lockangebote. Die Regionale Kliniken Holding in Ludwigsburg zog vor Gericht und bekam Anfang November vorläufig Recht. Das Landessozialgericht in Stuttgart untersagte per einstweiliger Verfügung weitere Zahlungen. Anderenfalls droht ein Zwangsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu zwei Jahre Haft.

Abgrenzung von Kooperation und Kopfpauschale

Der Fall veranschaulicht einmal mehr das Spannungsverhältnis zwischen zulässiger Kooperation von Kliniken mit niedergelassenen Ärzten und einer verbotenen Kopfpauschale.

Zwar ermöglicht das Versorgungsstrukturgesetz seit Anfang 2012 ausdrücklich, dass Krankenhäuser Niedergelassene mit vor- und nachstationären Behandlungen beauftragen. Die Grenzen hierfür sind aber nach wie vor eng gesteckt. Zwingend notwendig ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten, der nicht für jeden einzelnen Patienten geschlossen werden muss. Ausreichend ist eine generelle Vereinbarung zwischen Krankenhaus und Arzt. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass diese Kooperationsvereinbarungen mit größter Sorgfalt zu formulieren sind, um juristische Fußangeln zu umgehen.

Medizinisch notwendige Leistungen

Zum einen muss die Vergütung für die Vertragsärzte an medizinisch erforderliche Leistungen geknüpft sein. Im vorstationären Bereich trifft das zu, wenn die Leistung nicht der Indikation zur stationären Behandlung dient, sondern der Vorbereitung eines bereits abschließend indizierten stationären Aufenthalts. Hierzu zählen beispielsweise EKG, Gerinnungsuntersuchungen oder Sonografie und Röntgenleistungen. Nicht möglich ist eine Zusammenarbeit bei Leistungen, auf deren Basis der Vertragsarzt entscheidet, ob er den Patienten überhaupt in ein Krankenhaus einweist.

Nachstationäre Leistungen, mit denen das Krankenhaus Niedergelassene beauftragen kann, sind beispielsweise Wundkontrolle, Verbandswechsel, Drainagewechsel, Ziehen von Fäden und Laborkontrollen. Voraussetzung ist, dass durch die ambulante Nachbehandlung der Erfolg des stationären Aufenthalts zu sichern oder zu festigen ist. Das Bundessozialgericht hat dies etwa bei komplizierten großen Wunden nach Operationen oder bei problematischen Wundheilungsprozessen angenommen, bei denen der Patient zunächst unter Beobachtung des Krankenhauses bleiben sollte.

Angemessene Vergütung

Des Weiteren ist von großer Bedeutung, dass sich Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis gegenüberstehen. Vorgaben des Gesetzgebers gibt es hierzu nicht. In der Vergangenheit wurde jedoch in einer überdurchschnittlich hohen Vergütung von Honorarärzten durch eine Klinik ein Indiz für verkappte Provisionen für die Zuweisung von Patienten gesehen. Gleiches kann für Pauschalen gelten. Stattdessen sollten Krankenhäuser in einer Kooperationsvereinbarung genau definieren, welche Leistungen zum Beispiel nach welchen Gebührenordnungspositionen der GOÄ vergütet werden. Auch der medizinische Nutzen muss jeweils transparent sein. Wird bei Anwendung der GOÄ der Einfachsatz überschritten, ist dies ebenfalls exakt zu begründen.

Zeitrahmen beachten

Drittens unterliegt die Zusammenarbeit bei der vor- und nachstationären Behandlung zeitlichen Voraussetzungen: Die vorstationäre Behandlung ist auf längstens drei Behandlungstage innerhalb von fünf Tagen vor dem stationären Aufenthalt begrenzt. Die nachstationäre Versorgung darf grundsätzlich nicht länger als sieben Behandlungstage innerhalb von 14 Tagen nach Ende des stationären Aufenthalts dauern. Denn grundsätzlich beinhalten die Fallpauschalen für das Krankenhaus die Vor- und Nachbehandlung. Wenn Hausärzte diese Leistungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen erbringen, würde es sich um eine unzulässige Doppelabrechnung handeln. Dies stünde auch im Widerspruch zu dem Kostendämpfungseffekt, den das Versorgungsstrukturgesetz beabsichtigt.

Rechtliche Rahmenbedingungen für Kooperationen

Angesichts dieser Abgrenzungsschwierigkeiten und der aktuellen Entscheidung des Landessozialgerichts in Stuttgart bestehen erhebliche Unsicherheiten, wie Kooperationen rechtssicher gestaltet werden können.

Handelt es sich bei einem Kooperationsmodell um unzulässige Zuweiser- oder Fangprämien, verhält sich das Krankenhaus wettbewerbs- und der Arzt berufsordnungswidrig. Eine Vereinbarung, die solche Prämien zum Gegenstand hat oder verschleiern soll, ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nichtig. Hinzu kommen disziplinarrechtliche, haftungs-, abrechnungs- und sozialrechtliche Ansprüche gegenüber dem Krankenhaus beziehungsweise Arzt.

Nicht zu vergessen ist, dass sich bei einem Behandlungsfehler die Frage einer gesamtschuldnerischen Haftung der Kooperationspartner stellt. Handelt ein niedergelassener Arzt im Auftrag der Klinik, kann diese unter Umständen für etwaige Fehler des Niedergelassenen zur Verantwortung gezogen werden. Deshalb ist es ratsam, die Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit der Haftpflichtversicherung abzustimmen und den Umfang des Versicherungsschutzes abzuklären.

Innerhalb dieser engen Grenzen sind Kooperationen bei der vor- und nachstationären Behandlung zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern vom Gesetzgeber durchaus gewünscht. Kliniken können dadurch ihre Ressourcen flexibler einsetzen. Auch Patienten profitieren bei der Nachsorge vor Ort etwa bei problematischen Wundheilungsprozessen, wenn sie weiter entfernt vom Krankenhaus wohnen. Nicht gewollt ist aber eine systematische Marktbearbeitung, weil sie finanzstarke Krankenhäuser bevorzugt. In solchen Fällen ist mit Gegenwehr zu rechnen.

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