Arbeitsplatz Krankenhaus: Flexibilität erhöht Attraktivität
10.10.2011 -
In vielen Krankenhäusern mangelt es an einer systematischen Personalentwicklung. Krankenhäuser, die - aufgrund ökonomischer Entscheidungen - in der jüngeren Vergangenheit Personalentlassungen durchgeführt haben, müssen sich nun verstärkt um Fachkräfte am Arbeitsmarkt bemühen. Um künftig als attraktiver Arbeitgeber zu gelten, sollten diese Häuser rasch einen überzeugenden Imagewandel vollziehen.
Das Ergebnis einer bundesweit durchgeführten Befragung des Instituts für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) im Auftrag des Marburger Bundes bei mehr als 12.000 Assistenz-, Fach-, Ober- und Chefärzten an Krankenhäusern jeder Trägerschaft verdeutlicht, dass die Unzufriedenheit der Mitarbeiter mit den Arbeitsbedingungen auch aus der Personalnot der Kliniken heraus resultiert. Die Hälfte aller Befragten gibt an, dass ihnen die Reduzierung der Arbeitszeit am wichtigsten oder sehr wichtig ist. Vor allem aber sei die Kalkulierbarkeit der Arbeitszeiten eine der wichtigsten Faktoren, die einen Arbeitsplatz attraktiv machen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat dabei einen besonders hohen Stellenwert.
Abschreckend wirkt außerdem die Bürokratie an deutschen Kliniken: Der tägliche Zeitaufwand für Verwaltungstätigkeiten von teilweise bis zu vier Stunden sei viel zu hoch.
„Der Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen befindet sich in einem radikalen Wandel", beschreibt Dr. Christiane Dithmar, Geschäftsführerin der drdp Managementberatung, die Entwicklung. „Die Situation ist so eklatant, dass in Expertenkreisen von einem ‚War for Talents‘ und einem ‚Exodus der Eliten‘ gesprochen wird. Studien anerkannter Forschungsinstitute gehen davon aus, dass im Jahr 2030 rund 950.000 Fachkräfte fehlen werden. Diese Situation bewirkt, dass Arbeitnehmer bei der Auswahl ihrer Arbeitgeber mehr Selbstbewusstsein beweisen und höhere Ansprüche stellen. Dabei erlangen Fachkräfte ihre Information vermehrt über informelle Netzwerke oder in direkten Gesprächen vor Ort. Arbeitnehmer hinterfragen kritischer und konkreter die vorzufindenden Arbeitsbedingungen."
Für Krankenhäuser entstehen dadurch zwei Anforderungen:
- Die Arbeitsplatzattraktivität muss den Ansprüchen von medizinischem Personal zumindest entsprechen.
- Die Hochwertigkeit der Arbeitsplätze eines Klinikums muss an der richtigen Stelle im Arbeitsmarkt platziert werden. Nötig ist also eine Kommunikation der Arbeitsplatzattraktivität, um die Aufmerksamkeit suchender Fachkräfte auf die Klinik zu lenken.
„Fragt man bei den Personalverantwortlichen sowie bei den Mitarbeitern in Krankenhäusern und Kliniken nach, was Arbeitsplatzattraktivität bedeutet, so erhält man viele unterschiedliche Antworten", berichtet Dr. Dithmar. „Dementsprechend vielseitig und wenig verknüpft sind die Maßnahmen der Krankenhäuser."
In einer weitreichenden Studie des Instituts zur Messung der Arbeitsplatzattraktivität in Kliniken (IMAAK) wurden neun klinikspezifische Kriterien erhoben, die Arbeitsplatzattraktivität ausmachen.
- Aus-, Fort- und Weiterbildung,
- Gehalt und Aufstiegsmöglichkeiten,
- Betriebsklima,
- Arbeitszeitengestaltung,
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
- Führungskultur,
- Raum- und Sachmittelausstattung,
- Arbeitsalltag, Qualität und
- Anspruch an die Patientenversorgung.
Eine konkrete Analyse entlang dieser Kriterien ermöglicht das Arbeiten an denjenigen Faktoren, die aus der Sicht der bestehenden Mitarbeiter von zentraler Bedeutung sind.
„Der Erfolg eines Krankenhauses hängt wesentlich vom Engagement der Mitarbeiter, der Qualität der zu erbringenden Leistung und der Zufriedenheit der Patienten ab, weiß der selbstständige Unternehmensberater Dipl.-Kfm. Karl Ferdinand Prinz von Thurn und Taxis aus seiner langjährigen Tätigkeit im Klinikmanagement. „Mitarbeiter sind aber nur dann hoch motiviert, wenn auch deren Arbeitsbedingungen, die Anerkennung für Leistung und das soziale Umfeld stimmig sind. Eine ‚state of the art‘ bauliche, IT-, und medizinisch-technische Infrastruktur setze ich voraus. Diese werden künftig nur die Krankhausträger bieten können, die ein professionelles Management und eine erfolgreiche Unternehmensstrategie (business model) haben, die anständig verdienen und gleichzeitig investieren."
Prinz von Thurn und Taxis stellt eine klare und einheitliche Führungsstruktur in den Fordergrund seiner Thesen:
- Leitende Ärzte sind leitende Angestellte und werden vom Träger leistungsorientiert fix und variabel bezahlt, die Liquidationserlöse für privatärztliche Leistungen verbleiben beim Krankenhaus.
- Die ärztliche Fort- und Weiterbildung muss von der Krankhaus-Leitung insgesamt verantwortlich gestaltet werden, die Facharztausbildung darf nicht nur in das Belieben des Leitenden Arztes gestellt werden.
- Entlastung des ärztlichen Dienstes von den meisten Verwaltungs- und medizinischen Assistenztätigkeiten und deren Verlagerung auf qualifiziertes Funktionspersonal.
- Verpflichtende Beteiligung aller Ärzte an leistungsorientierten Ziel-Bonusregelungen aus dem Topf der durch das Krankenhaus vereinnahmter Liquidationserlöse für privatärztliche Leistungen.
- Einbindung in Entscheidungsvorbereitungs- und Kommunikationsprozesse.
- Verbreiterung der Fach- und Organisationsverantwortung auf der Oberarztebene (job enrichment und -enlargement).
„Prognostisch geht Deutschland einem Fachkräftemangel entgegen, der in den nächsten zehn Jahren eskalieren wird", warnt Dr. Udo Janßen, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Krankenhausinstituts. „Es ist davon auszugehen, dass dann rund 23.000 ärztliche Stellen im Gesundheitswesen nicht mehr besetzbar sein werden. Weiterhin werden besonders im Bereich der Intensivmedizin, Anästhesie und der Psychiatrie nicht mehr genügend Arbeitskräfte in der Krankenpflege zur Verfügung stehen."
Die Ursachen dafür sieht Janßen im demografischen Wandel in Verbindung mit einem zunehmenden Ausscheiden älterer Arbeitskräfte aus dem Berufsleben, in einer beginnenden „Feminisierung" in der ärztlichen Profession aufgrund der Veränderungen in der geschlechtlichen Zusammensetzung in den aktuellen Studentenkohorten im Fach Humanmedizin. Damit einhergehend wird es zu einer Veränderung der work-life-balance in der Reproduktiven Phase dieser Arbeitskräfte und einer verstärkten Nachfrage nach Teilzeitarbeitsverhältnissen, dem Wandel in der sozialen Wertschätzung der Professionen „Ärzte" und „Pflegekräfte" in der Bevölkerung sowie dem Wegfall der Zivildienstleistenden in der Krankenpflege und damit einem Hauptrekrutierungsweg von Krankenpflegern kommen.
Auf die Frage, wie Krankenhäuser attraktive Arbeitsplätze schaffen können, hat Dr. Janßen recht pragmatische Thesen parat:
- Kenne ich eigentlich die Bedürfnisse meiner aktuellen und künftigen Arbeitnehmer?
- Wie erfasse ich die Bedürfnisse der Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplatz in meiner Einrichtung?
- Bin ich bereit, diese als „Leitmaxime" für mein Personalmanagement zu akzeptieren?
- Wie sorge ich als Arbeitgeber aktiv dafür, dass suchende Arbeitnehmer Transparenz über mich als Arbeitgeber erhalten?
- Welcher Informationsquellen bedienen sich Arbeitssuchende?
- Sind meine Führungskräfte ausreichend qualifiziert, um im Rahmen ihrer Personalführung ihre nachrangigen Mitarbeiter nicht nur als Humanressource im Sinne eines Produktionsfaktors zu sehen, der „funktionieren muss"?
- Welche Aktivitäten entwickle ich als Arbeitgeber, um Führungsdefizite bei meinen Führenden zu beheben?