Gesundheitsökonomie

BAG bestätigt ärztliches Arbeitszeitmodell in Krankenhäusern

09.09.2010 -

Die Gestaltung europarechtskonformer Arbeitszeitmodelle im ärztlichen Dienst ist spätestens seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Jahr 2003 und den daran anschließenden Änderungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) kein einfaches Unterfangen. Hiernach ist der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitgesetze zu werten. Während die Patientenversorgung im regulären Krankenhausbetrieb durch die Regelarbeitszeit der ärztlichen Mitarbeiter sichergestellt wird, sind neben Rufdiensten auch Bereitschaftsdienste ein Mittel, eine Rundum-die-Uhr-Versorgung zu ermöglichen. Dementsprechend sind Ärzte aufgrund vertraglicher oder tariflicher Regelungen (z. B. im TV-Ärzte/VKA oder im TVöDK) verpflichtet, Bereitschaftsdienste zu leisten. Diese Dienste werden wegen der reduzierten Beanspruchung im Vergleich zur Regelarbeitszeit zwar meist geringer vergütet, gleichwohl nutzen Ärzte solche Sonderdienste aber vielfach zur Erhöhung ihres Gesamteinkommens.

Eine zusätzliche Vergütung für die Erbringung von Bereitschaftsdiensten ist allerdings keinesfalls zwingend. Die Tarifparteien haben sowohl im TVöDK als auch im TV-Ärzte/VKA - teilweise im Gegensatz zu anderen Beschäftigten - festgelegt, dass Bereitschaftsdienste mit einem tariflich festgelegten Faktor in Arbeitszeit umgerechnet werden. Diese ist entweder mit einem ebenfalls tariflich festgelegten, von der Entgeltgruppe abhängigen Stundenlohn zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit abzugelten (Freizeitausgleich). Auch in Anstellungsverträge wird in der Regel aufgenommen, dass die Beschäftigten keinen Anspruch darauf haben, geleistete Bereitschaftsdienste vorrangig vergütet zu erhalten. In diesen Konstellationen besteht - zumindest für ein festgelegtes Zeitfenster von beispielsweise drei Monaten - ein Wahlrecht des Arbeitgebers. Im Rahmen seines Direktionsrechtes kann er zwischen Vergütung und Freizeitausgleich wählen.

Insbesondere der allseits spürbare Kostendruck führt bei vielen Krankenhäusern dazu, dass vermehrt die Möglichkeit des Freizeitausgleiches genutzt wird, um die Gesamtlohnkosten zu senken. In der Praxis wird zu diesem Zweck vielfach ein Arbeitszeitmodell genutzt, bei dem sich an die achtstündige Regelarbeitszeit ein mehrstündiger Bereitschaftsdienst anschließt. Dieser Bereitschaftsdienst wird dann in Arbeitszeit umgerechnet. Ein zehnstündiger Bereitschaftsdienst ergibt beispielsweise nach dem TV-Ärzte/VKA (Faktor 0,9) eine errechnete Arbeitszeit von neun Stunden. Im Anschluss an den Bereitschaftsdienst erhält der Beschäftigte für den nächsten Arbeitstag einen achtstündigen Freizeitausgleich und wird von der ansonsten am Folgetag bestehenden Arbeitspflicht vollständig freigestellt. Lediglich die verbleibenden aus dem Bereitschaftsdienst errechneten Arbeitsstunden (im Beispielsfall eine Stunde) werden zusätzlich zum Regelgehalt und damit gesondert vergütet.

Die Zulässigkeit dieser Arbeitszeitgestaltung ist zuletzt durch zwei Entscheidungen der Arbeitsgerichte Hamburg und Bremen infrage gestellt worden. Nach Auffassung dieser Gerichte könne ein Freizeitausgleich nicht erfolgen, wenn die Gewährung in die gesetzliche Ruhezeit falle. Begründet wurde dies damit, dass das Arbeitszeitgesetz nach der Beendigung der täglichen Arbeit ohnehin eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden fordere. Da hier keine Arbeitspflicht bestehe, sei auch ein Freizeitausgleich nicht möglich. In Kenntnis dieser Entscheidungen haben Beschäftigte mithilfe von Musterschreiben, die der Marburger Bund entworfen hatte, die volle Vergütung ihrer Bereitschaftsdienste geltend gemacht.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nunmehr klargestellt, dass Ärzte keinen Anspruch darauf haben, nach Ableistung eines Bereitschaftsdienstes zunächst unbezahlte Ruhezeit und anschließend bezahlten Freizeitausgleich gewährt zu bekommen. Der Freizeitausgleich dürfe auch in die gesetzliche Ruhezeit gelegt werden. Das Arbeitszeitgesetz schreibt dem Krankenhaus nicht vor, durch welche arbeitsvertragliche Gestaltung sicherzustellen ist, dass der Arzt nach der Beendigung der täglichen Arbeitszeit mindestens während der folgenden gesetzlichen Ruhezeit nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Erfolgt der Freizeitausgleich in der gesetzlichen Ruhezeit, wird also bezahlte Freizeit unter Anrechnung auf die Regelarbeitszeit gewährt, ist der nach dem Tarifvertrag entstehende Entgeltanspruch abgegolten.

Parallel hierzu wagen sich in jüngerer Zeit vermehrt einige vor allem kleinere Krankenhäuser und Kliniken an einen fachübergreifenden Bereitschaftsdienst. Die dadurch insgesamt verringerte Mitarbeiterpräsenz im Nachtdienst bzw. an Sonn- und Feiertagen sowie die Reduzierung der Zusatzdienste ermöglichen ihnen - ungeachtet bestehender Unsicherheiten bei der Notwendigkeit der Gewährung eines vollumfänglichen Facharztstandards - eine optimierte Dienstplangestaltung im regulären Krankenhausbetrieb.

Die Tarifverträge erlauben damit einen effektiven Einsatz der vorhandenen ärztlichen Mitarbeiter, bei dem einerseits die gesetzlichen Vorgaben aus dem Arbeitszeitgesetz beachtet und andererseits möglichst wenig zusätzliche Kosten ausgelöst werden. Wenn es die Dienstplangestaltung zulässt, kann ein Großteil der aus dem Bereitschaftsdienst folgenden Abgeltungspflicht durch Freizeitausgleich während ohnehin bestehender Beschäftigungsverbote erfolgen. Soweit das jetzt vom BAG bestätigte Arbeitszeitmodell nicht schon eingeführt ist, kann es in vielen Krankenhäusern eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen Modelle sein. Die möglichen Kostenersparnisse lohnen in jedem Fall eine Überprüfung der bisherigen Dienstplangestaltung. Auch bei den Betriebs- und Personalräten, die hier ein Mitbestimmungsrecht haben, dürfte eine Akzeptanz angenommen werden, um Einschnitte in anderen Bereichen zu vermeiden.

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Heuking- Kühn- Lüer-Wojtek Rechtsanwälte

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