DAK-Gesundheitsreport 2008
27.08.2011 -
DAK-Gesundheitsreport 2008. „Männer sind ja so verletzlich“, resümierte der Liedermacher Herbert Grönemeyer einst in seiner Hymne auf das stake Geschlecht „Männer“. Glaubt man dem DAK-Gesundheitsreport 2008, der einen besonderen Fokus auf die Männergesundheit legt, so ist das Wohlbefinden von 50 % der Bevölkerung ein fragiles Gebilde, das nicht zuletzt unter gesellschaftlichen Stereotypen leidet.
Denn das Bild will gewahrt werden: Krebsvorsorgeuntersuchungen und der „Checkup 35“ werden laut der DAK-Erhebung nur von jedem vierten Mann regelmäßig wahrgenommen – obwohl das Wissen um Relevanz und Existenz durchaus vorhanden ist. Dabei ist der Grund hierfür natürlich nicht einfach, sondern durch vielfältige individuelle wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen determiniert. Sicherlich ist nach wie der „starke Mann“, der sich von „Zipperlein“ nicht aus der Bahn werfen lässt – trotz Emanzipation und Gleichstellungsparagraphen – ein gesellschaftlich virulentes Bild. Hieran wird sich nach wie vor orientiert. Zum anderen gibt Dr. Michael Probst, Oberarzt an der Klinik für Urologie am Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt, der tagtäglich mit den geschlechtsspezifischen Charakteristika seiner Patienten zu tun hat, zu bedenken: „Während Frauen etwa zwischen dem 16. bis 18. Lebensjahr meist die Pille verschrieben bekommen und im Anschluss daran regelmäßig den Frauenarzt besuchen müssen, gibt es bei Männern lediglich die Untersuchung innerhalb der Musterung – danach kommt lange nichts.“ Männer, so Dr. Probst, suchten einen Arzt dann meist erst bei konkreten Beschwerden auf. Der Weg zur Vorsorgeuntersuchung ist jedoch mit Hemmnissen gepflastert: „Wir sprechen hier von Dingen wie einer Darmspiegelung oder dem Abtasten der Hoden. Hier schreit kein Mann ,Hurra‘!“
Kompensation mit Konsequenzen
Bundesweit war laut Report die alkoholische Leberkrankheit in 2006 bei den 40- bis 44-Jährigen die häufigste Todesursache. Probst kommentiert: „Männer sind leistungsorientiert“, wenn die Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nachließe, werde die Kompensation gesucht: Trinken, Essen, Selbstbeweis – Letzteres meist im (Extrem-)Sport.
Oftmals steht hinter einer Trunksucht oder auch einer Arbeitswut – dem neudeutschen Workaholic – eine unbehandelte Depression. Ernste depressive Leiden werden zudem im Alltag oft als „Midlife Crisis“ abgetan oder gar belächelt. Mit ernsten Konsequenzen: der Weg zum Arzt wird gescheut. Die Kompensation mit Alkohol und einem schnelleren fahrbaren Untersatz gilt durchaus als sozial akzeptabler Umgang mit psychischen Krankheiten, die – da nicht ins Männerbild passend – nicht als solche thematisiert und dann auch nicht adäquat behandelt werden. Dr. Katrin Krämer vom IGES-Institut, das zum wiederholten Male im Auftrag der DAK den Gesundheitsreport erstellt hat, gibt zudem zu bedenken, dass es statistisch nachweisbare Einschränkungen der Behandlungsqualität gäbe: „Männliche Ärzte diagnostizieren seltener als ihre weiblichen Kolleginnen eine Depression bei einem Patienten.“
Im Wandel der Zeit
Männer leben kürzer, als Frauen, sind aber seltener krank. Ein Paradoxon? Eigentlich nicht, denn vieles wird aufgeschoben, verdrängt, was letztlich ein böses Ende nimmt. Dabei speist sich die Belastung des Mannes am vielfältigen Variablen: Arbeitswelt- und berufsbezogene Faktoren, Unfallgefahren, schwere körperliche Arbeit; riskante und gesundheitsschädigende Verhaltensweisen wie Alkohol, Sport, Straßenverkehr. Einen weiteren Aspekt, der zum frühren Ableben beiträgt, umschreiben die Analyse-Herausgeber mit dem Wort „Rollenstress“. In erster Linie werden darunter hohe Leistungsorientierung sowie die Tendenz, Schwäche, Angst und Unsicherheit zu verneinen subsumiert. Vielerorts sehen Gesellschaftswissenschaftler den Begriff des Rollenstresses jedoch aus den „männlichen Tugenden“ heraus in eine zweite Dimension gewendet. Diese verkompliziert vieles und überfordert zudem. Blieben die Attribute der Männlichkeit, sprich Stärke, die Ernährerrolle und Erfolg bis dato erhalten, so wurde dieses Bild kontinuierlich um „weibliche“ Qualitäten erweitert. Der Mann von heute sieht sich mit ganz neuen Anforderungen konfrontiert: Er soll sich an Haushalt und Kindererziehung beteiligen, zudem seiner Partnerin verständnisvoll und auch durchaus „unmännlich“ gegenübertreten – zuhören, verstehen. Als vor einigen Jahren der Fußballstar David Beckham den Begriff der „Metrosexualität“ prägte, wurde zudem offensichtlich, dass Ästhetik und Körperbewusstsein nicht mehr lediglich dem weiblichen Geschlecht überlassen bleiben sollen. Für dieses Dilemma exemplarisch steht die Werbekampagne eines Staubsaugerherstellers, der sein Produkt in den durchtrainierten Armen eines männlichen Models mit blankem Oberkörper wie eine Bohrmaschine platzierte. Diese Kampagne überforderte auch mehr, als dass sie den Verkauf ankurbelte – diesem Bild konnte „Mann“ noch nicht gerecht werden.
Der Weg aus dem Dilemma?
Uwe Senfleben, Leiter des DAK-Regionalzentrums Frankfurt, sieht denn auch die Lösung des Problems in der urtypisch männlichen Zone: der Arbeitswelt. „Männer erreicht man am Arbeitsplatz“, so Senfleben. Solle das nicht genügen, so reizen dann vielleicht allenfalls noch die finanziellen Anreize, die Krankenkassen ihren Kunden für die Teilnahme an Vorsorgeprogrammen geben.