Gesundheitspolitik

medlounge rhein-main: Darf die Pflege nach „Höherem“ streben?

04.04.2012 -

Es ist halt nach wie vor ein „Aufreger"-Thema: Soll sich die Pflege voll und ganz und möglichst am Bett um den Patienten kümmern, oder dürfen Schwestern und Pfleger auch nach „Höherem" streben? Bei der medlounge rhein-main Ende März im Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt ging es einmal nicht um die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten, wie häufig in der Vergangenheit, sondern um Managementaufgaben. Doch auch dies ist ein Thema mit Sprengpotential, wie sich in der Diskussion zeigte.

Ganz gleich, ob es „Fall-Manager" wie im Universitätsklinikum Frankfurt oder „Case-Manager", wie im Krankenhaus Nordwest, heißt, wer es in diese „Pflegeelite" (Moderator Prof. Dr. Thomas Kraus, Ärztlicher Direktor der Klinik für Chirurgie am Krankenhaus Nordwest, Frankfurt am Main) geschafft hat, der schüttelt keine Kissen mehr am Patientenbett auf. Im Zuge der Akademisierung der Pflege findet sich die klassische Krankenschwester unversehens am Schreibtisch wieder. Sie navigiert als eine Art Lotse vor allem schwierige Patientenfälle durch die immer kürzeren Aufenthalte im Spital.

18 solcher Fall-Managerinnen hat bereits das Krankenhaus Nordwest, und Ende dieses Jahres soll in jeder Klinik des Universitätsklinikums Frankfurt ein Case-Manager für reibungslose Abläufe sorgen, berichteten Margarete Post, Pflegedirektorin am Krankenhaus Nordwest und ihr Kollege Martin Wilhelm, Pflegedirektor am Universitätsklinikum Frankfurt. Fall-Manager sollen die Behandlungsabläufe verbessern, Doppeluntersuchungen vermeiden und Ärzte wie Pflegekräfte am Bett entlasten. Sie sollen sich aber auch um die vollständige Kodierung aller Behandlungselemente kümmern und damit im günstigsten Falle zusätzliches Geld erwirtschaften. Ob das gelingt, wissen aber derzeit weder Post noch Wilhelm, die Projekte seien noch zu frisch.

Warum braucht man überhaupt Fall-Manager? Können nicht Stationsleitung und Stationsarzt solche Aufgaben übernehmen, wie in der Vergangenheit? Das sei angesichts immer kürzerer Verweildauern nicht sinnvoll, argumentieren Post und Wilhelm. Arzt und Pflege würden ja entlastet und könnten sich so besser auf ihre jeweiligen Tätigkeiten konzentrieren. Aber warum drängt es gerade die Pflege in derartige Managementaufgaben? Die Pflege sei dafür prädestiniert, betonen die beiden Pflegedirektoren und Ärzte würden diese Jobs ohnehin nicht anstreben.

Auch wenn Ärzte den Job als Case-Manager vielleicht nicht anstreben, in der Diskussion drängte es am Ende doch so manchen Mediziner zu einer kritischen Bemerkung, die zumeist in der Frage gipfelte: Wenn sich eine Pflegeelite am Schreibtisch tummelt, wer pflegt am Ende die Patienten am Bett? Oder müssen sich die Patienten bald selbst pflegen? (Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach, Präsident Landesärztekammer Hessen).

Einig waren sich die meisten Diskutanten allerdings darin, dass jeder Mensch das Recht hat, eine höhere Qualifikation anzustreben, selbstverständlich auch Beschäftigte der Pflege. Man müsse allerdings die Bedürfnisse der Patienten im Auge behalten. So sei es wichtig, für ein Berufsbild „Pflege" zu werben, dessen Akteure die Arbeit am Patientenbett nicht nur als Durchgangsstation zu höheren Weihen, sondern auch als einen Ort beruflicher Erfüllung sehen. Gleichwohl dürfe man den Weg nach „oben" nicht verbauen.

 

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