Gesundheitsökonomie

Dr. Andreas Jakob im Interview über Supportivtherapie in der Onkologie

24.06.2011 -

Dr. Andreas Jakob im Interview über Supportivtherapie in der Onkologie. Der Einsatz von Zytostatika ist häufig mit einer Knochenmarkschädigung verbunden, die sich in Neutropenie, Anämie und Thrombozytopenie manifestiert. Um den unterschiedlichen Risikoprofilen der Patienten Rechnung zu tragen und frühzeitig ein adäquates Therapiemanagement einleiten zu können, hat die European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) europäische Leitlinien für die Anwendung sowohl von Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESA) als auch von Granulozyten-koloniestimulierenden Faktoren (G-CSF) entwickelt. Über die Empfehlungen dieser Leitlinien und deren bisherige Umsetzung sprach die Medizinjournalistin Marianne E. Tippmann für M & K mit Dr. Andreas Jakob, der in seiner Doppelfunktion als Chefarzt am Klinikum Offenburg und als in einer Gemeinschaftspraxis niedergelassener Onkologe die Belange beider Sektoren vertritt.

Management & Krankenhaus: Was besagen diese beiden europäischen Guidelines im Kern; welche Empfehlungen lassen sich aus ihnen ableiten?

Dr. Andreas Jakob: Lassen Sie mich zunächst ein paar Worte zum Sinn und Zweck der Guidelines sagen, ehe ich inhaltlich auf sie eingehe: Leitlinien zielen generell darauf ab, Ärzte darin zu unterstützen, evidenzbasierte Entscheidungen direkt am Patienten treffen zu können. Außerdem sollen sie dafür sorgen, dass ein möglichst hoher Qualitätsstandard gewährleistet ist, und schließlich stehen sie für einen optimalen Einsatz der Ressourcen. Diese drei Punkte sind mir wichtig, wenn man von Leitlinien spricht: Hilfestellung in der täglichen Arbeit bei maximalem Qualitätsstandard unter Schonung der Ressourcen!

Was nun konkret die EORTC-Guidelines zu den Erythropoese-stimulierenden Agenzien [1, 2] angeht, so zielen sie vordergründig darauf ab, Krebspatienten, die unter der Chemotherapie Symptome einer Anämie entwickeln, durch die Gabe von Epoetinen vor Bluttransfusionen zu bewahren und ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Mit intermittierenden Transfusionen, die den sprichwörtlichen Jo-Jo-Effekt bewirken, lassen sich natürlich keine konstanten Hämoglobin-Spiegel erreichen, sodass der Patient eher wenig davon profitiert. Vielfach wird auch erst transfundiert, wenn der Hb-Wert bereits unter 8 g/dl fällt und der Betroffene schon sehr stark in Mitleidenschaft gezogen ist. Gerade bei chronisch tumorkranken Patienten, die ja häufig unter dem Fatigue-Syndrom leiden und dann auch noch anämisch werden, ist also eine gute und vor allem dauerhafte Einstellung des Hämoglobin-Wertes unverzichtbar, die nur Erythropoese-stimulierende Agenzien gewährleisten können.

Die EORTC empfiehlt, als therapeutisch optimalen Zielbereich eine Hb-Konzentration von ungefähr 12 g/dl anzustreben, die EMEA differenziert in 10 bis 12 g/dl. Wir haben uns hier eher auf die Obergrenze festgelegt, weil alle Studien zeigen, dass der maximale Zugewinn an Lebensqualität bei einem Wert von 12 g/dl erreicht wird. Dies bezieht sich auf großangelegte Untersuchungen, in denen mehr als 8.000 Patienten aus drei voneinander unabhängigen Kollektiven ausgewertet wurden – jeweils mit identischem Ergebnis.

Aus meiner Sicht ist also ein Hb-Zielbereich von 12 g/dl sehr gut abgesichert. Ein Anheben darüber hinaus macht keinen Sinn und sollte deshalb vermieden werden, weil man keinen wirklichen Benefit erzielt, sondern nur das Risiko potentieller Komplikationen eingeht.

Unter einen Wert von 10 g/dl sollte der Spiegel allerdings auch nicht absinken, da ein zu niedriger Hb die Leistungsfähigkeit des Patienten beeinträchtigt.

Management & Krankenhaus: Und welchen Basiskriterien folgt die EORTC-Leitlinie für die Anwendung von G-CSF? Sieht sie auch einen Behandlungsalgorithmus vor?

Dr. Andreas Jakob: Ziel dieser Guideline [3, 4] ist es, dem Risiko febriler Neutropenien (FN) als schwerwiegendster Nebenwirkung einer myelotoxischen Chemotherapie entgegenzuwirken, und zwar zum einen, um lebensbedrohliche Neutropenie-bedingte Infektionen zu verhindern, zum anderen, um die Durchführung eines Therapiezyklus in der geplanten Dosisintensität zu gewährleisten. Es ist ja nun mal so, dass einige der heute in Europa gängigen Chemotherapie- Regime mit einem hohen oder moderaten Risiko für febrile Neutropenien verbunden sind und dass ferner manche Patienten mit einem höheren Gefährdungspotential behaftet sind als andere. Nach Auswertung von mehr als 5.000 klinischen Studien in diesem Bereich hat die EORTC Richtwerte für das mit bestimmten Chemotherapie-Regimen assoziierte Neutropenie-Risiko entwickelt. Demnach wird eskritisch bei Therapieprotokollen, die ein FN-Risiko von ≥ 20 % aufweisen – bei ihnen sollte die primärprophylaktische G-CSF-Gabe obligatorisch sein. Liegt die Gefährdung unter 10 %, ist keine Prophylaxe erforderlich. Bewegen wir uns zwischen 10 und 20 %, so müssen zusätzlich vor jedem Chemotherapiezyklus Patienten- individuelle Faktoren, die das FN-Risiko erhöhen können, in die Bewertung einfließen – also z. B. Alter, Geschlecht, Performance-Status, frühere FN-Episoden etc.

Management & Krankenhaus: Dann zielen also beide Supportivtherapien auf eine Verbesserung der Lebensqualität ab?

Dr. Andreas Jakob: Den therapeutischen Stellenwert allein auf die Lebensqualität zu reduzieren, wäre zu kurz gesprungen. Immerhin können wir durch den Einsatz von Erythropoesestimulierenden Agenzien die Transfusionshäufigkeit signifikant verringern – lt. EORTC eines der prioritären Ziele im Anämie-Management –, womit wiederum gewährleistet ist, dass Transfusions-assoziierte Infektionsrisiken vermieden werden. Zwar sind die Blutpräparate gerade im Hinblick auf HIV und Hepatitis-Viren deutlich sicherer geworden, aber es treten natürlich auch immer wieder neue Erreger auf, die in ihrer Bedeutung teilweise noch nicht bekannt und erst recht nicht getestet sind. Ein Beispiel ist das West-Nil-Virus, das sich vor Jahren über Transfusionen in den USA ausgebreitet hat. Oder denken Sie an die Prionen, von denen man nach wie vor nicht weiß, ob es eine Übertragungsmöglichkeit gibt.

Und neben diesen Infektionsgefahren kann es durchaus auch zu allergischen Reaktionen auf unbekannte Allergene im Spenderblut kommen – oder aber zu bakteriellen Kontaminationen einer Blutkonserve. Das heißt, wir haben es hier mit einem Verfahren zu tun, das nicht unerhebliche Risiken birgt, und wenn wir mit Epoetinen den Transfusionsbedarf vermindern können und gleichzeitig einen dauerhaft konstanten Hb-Wert erreichen, dann ist dies für die Patienten ein unschätzbarer Vorteil.

Was nun die Anwendung von G- CSF angeht, so profitieren die onkologischen Patienten, wie schon angedeutet, in gleich mehrfacher Hinsicht: Zum einen lassen sich schwere Neutropenie-bedingte Komplikationen, die lebensbedrohlich oder sogar tödlich verlaufen können, durch die frühzeitige Intervention mit hämatopoetischen Wachstumsfaktoren weitestgehend vermeiden. Und der zweite, aus meiner Sicht sehr wichtige Aspekt ist, dass die primärprophylaktische Gabe von G- CSF eine zeitgerechte Durchführung der geplanten Chemotherapie ermöglicht und damit die Prognose des Patienten maßgeblich verbessert.

So gibt es beispielsweise ganz klare Studiendaten, die sehr eindrucksvoll zeigen, dass dosisdichte Konzepte sowohl bei malignen Lymphomen als auch bei einigen soliden Tumoren, etwa beim Mammakarzinom, zu einer Verbesserung der Therapieergebnisse einschl. Überlebensvorteilen gegenüber Standardregimen führen. Citron et al. waren die Ersten, die für den adjuvanten Bereich eindeutig nachweisen konnten, dass verkürzte Therapieintervalle die Prognose begünstigen und – damit verknüpft – die Metastasierungshäufigkeit reduzieren. [5] Zeitgerechte dosisabhängige Protokolle gewährleisten zu können, ist also von erheblicher Relevanz. Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass die Patientinnen ein derartiges Behandlungsschema – eine Volldosis alle 14 Tage – nicht durchhalten können, es sei denn, wir geben ihnen prophylaktisch G-CSF. Gleiches gilt für verschiedene Formen von Lymphdrüsenkrebs, und hier gerade beim hochmalignen Hodgkin- Lymphom.

Management & Krankenhaus: Wie sieht es mit der praktischen Umsetzung dieser erstmals im Sommer 2006 veröffentlichten Guideline aus? Wird leitlinienkonform behandelt, oder manövriert sich noch der eine oder andere um die primäre G-CSF-Prophylaxe herum?

Dr. Andreas Jakob: Im hämatologischen Bereich unserer Klinik werden die EORTC-Empfehlungen eigentlich sehr gut umgesetzt, vor allem auf den Leukämie-Stationen, weil da die Patienten größtenteils im Rahmen von Studien behandelt werden, die ein leitlinienkonformes Vorgehen vorgeben. Ähnliches gilt für solide Tumoren: Dosisdicht behandelte Patienten, die aggressiv therapiert werden, erhalten in aller Regel eine G- CSF-Prophylaxe, weil das in intensivierten Protokollen so vorgesehen bzw. bereits eingearbeitet ist.

Wenn das FN-Risiko bei ≥ 20 % liegt, kann man im Großen und Ganzen inzwischen von einem leitliniengerechten Einsatz von G-CSF ausgehen.

Wo wir noch Umsetzungsprobleme haben, ist bei den Patienten, die aufgrund des mit ihrem Therapieregime verbundenen Neutropenie-Risikos dem moderaten Bereich von 10 bis 20 % zuzurechnen sind und oftmals in der Peripherie behandelt werden. Grund ist, dass bei ihnen die individuellen Risikofaktoren, die lt. EORTC prinzipiell vor jedem Chemotherapiezyklus identifiziert werden sollten, nicht erkannt oder auch unterschätzt werden. Und dann haben wir die Situation, dass die Chemotherapie ohne G-CSFProphylaxe beginnt und erst beim Auftreten einer schweren Neutropenie im zweiten Zyklus an die Gabe von Wachstumsfaktoren gedacht wird. Auf diese Patienten-assoziierten Faktoren ein größeres Augenmerk zu richten, sich die individuelle Gefährdung bewusster zu machen und ihr dann natürlich auch primärprophylaktisch zu begegnen – das muss unser Appell an die Zukunft sein. Immerhin steht uns mit der Leitlinie eine Art Checkliste zur Verfügung, die eine entsprechende Identifizierung und Zuordnung der Patienten flächendeckend ermöglicht.

Management & Krankenhaus: Spielen hier womöglich auch budgetäre Zwänge eine Rolle?

Dr. Andreas Jakob: Wenn die Patienten, wie meist der Fall, im ambulanten Sektor, also in der onkologischen Praxis oder in der Klinikambulanz, behandelt werden, dürfte es im Grunde keine budgetären Hindernisse geben, weil G-CSF dort auf Kassenrezept verordnet werden kann. Problematisch wäre es natürlich, die Weiterbehandlung an den Hausarzt zu delegieren, der über ein wesentlich niedrigeres Budget verfügt und mit seinem Ausgabenvolumen nicht aus dem Rahmen fallen darf. Aber das wird normalerweise auch nicht so gehandhabt.

Wirtschaftlichkeitsanalysen haben zudem gezeigt, dass die Vermeidung von Komplikationen auch Geld einsparen kann.

Management & Krankenhaus: Nach Aussage von Prof. Matti Aapro, federführender Autor der Leitlinie, wird der Einsatz von Pegfilgrastim als Level-A-Empfehlung gewertet. Wie begründet sich das?

Dr. Andreas Jakob: Die Leitlinien empfehlen ja eine frühzeitige G-CSF-Gabe über einen ausreichend langen Zeitraum. Aapro verweist darauf, dass Pegfilgrastim eine studienbelegte hohe Effektivität besitzt, die es ermöglicht, den Patienten protokoll- und zeitgerecht mit der notwendigen Dosisintensität zu behandeln. Ein großer Vorteil von Neulasta liegt dabei in der einmaligen Applikation pro Chemotherapiezyklus, mit der die Patienten gut geschützt und sicher nach Hause entlassen werden können. Eine verspätet einsetzende und zu kurz durchgeführte G-CSFGabe bietet keinen optimalen Schutz vor Neutropenie-bedingten Komplikationen – und diese Problematik entfällt eben bei dem lang wirksamen Wachstumsfaktor. Daher die Level-A-Empfehlung.

Management & Krankenhaus: Heißt das, Pegfilgrastim ist deutlich effektiver als das herkömmliche Neutropenie-Management, also die tägliche G-CSF-Gabe?

Dr. Andreas Jakob: Genau das – und zwar studienbelegt. So zeigte sich in einer innerhalb der GEPARTRIO-Studie durchgeführten retrospektiven Subanalyse [6] an Patientinnen mit primärem Mammakarzinom, dass die sechstägige Gabe von herkömmlichem G-CSF mit einem relativ hohen Risiko für febrile Neutropenien assoziiert war, nämlich 18 %, während die Rate bei Pegfilgrastim-Prophylaxe mit 7 % deutlich darunter lag. Das bedeutet eine signifikante Effektivitätssteigerung.

Eindeutig bestätigt werden diese Ergebnisse von der NeuCup-Studie [7], einer retrospektiven, integrierten Datenanalyse von insgesamt 2.282 Mammakarzinom-Patientinnen aus elf Studien, in denen unterschiedliche Chemotherapien mit moderatem und hohem FN-Risiko eingesetzt worden waren. Verglichen mit dem üblichen Management traten unter Pegfilgrastim signifikant weniger Neutropenie-bedingte Komplikationen auf, 5 % vs. 29 %; die Häufigkeit von Dosisreduktionen konnte von 24 % auf 9 % gesenkt werden, die Rate an FN-bedingten Krankenhauseinweisungen von 10 % auf 4 %. Auch hier also eine ganz klare Verbesserung von Effektivität und Sicherheit in der Behandlung.

Management & Krankenhaus: Welche spezifischen pharmakologischen Eigenschaften verhelfen Pegfilgrastim zu dieser optimierten Effektivität?

Dr. Andreas Jakob: Die Kinetik von Pegfilgrastim ist einzigartig – fast schon ein kleines Wunder, und ich war sehr beeindruckt, als ich das erste Mal von ihr hörte: Sie wird über die Neutrophilen reguliert und hält die effektive Serumkonzentration so lange aufrecht, wie der Wachstumsfaktor tatsächlich auch benötigt wird. Je mehr neutrophile Granulozyten neu gebildet werden, desto mehr fallen die Pegfilgrastim-Plasmaspiegel ab. Reicht die Zahl von funktionsfähigen Neutrophilen aus, wird die Substanz eliminiert.

Diese patientenindividuelle Selbstregulierung der Wirkspiegel ist auch unter dem Gesichtspunkt sehr wichtig, dass herkömmliches G-CSF ziemlich schnell renal ausgeschieden wird und angesichts der kurzen Halbwertszeit von vier bis sechs Stunden keine kontinuierliche wirksame Konzentration erreicht. Wir wissen also aus mehrerlei Gründen die Einmalgabe sehr zu schätzen und haben sowohl in der Klinik als auch in der Praxis die meisten Patienten auf Pegfilgrastim umgestellt, weil es nicht nur eine hocheffektive Therapie ist, sondern wir auch sicher sein können, dass unsere Patienten optimal versorgt sind.

Management & Krankenhaus: Ein vorteilhaftes Therapiemanagement bescheinigt die EORTC auch dem Darbepoetin alfa. Aus welchen Beweggründen?

Dr. Andreas Jakob: Weil nur Darbepoetin alfa – als einziges langwirksames ESA bei der Chemotherapie-induzierten Anämie – eine maßgeschneiderte, also den individuellen Bedürfnissen der Patienten gerecht werdende Therapieführung erlaubt. Es gibt ja in dieser Indikation kein anderes Erythropoese- stimulierendes Agens, das für die wöchentliche und die 3-wöchentliche Gabe zugelassen ist: Bei Aranesp kann der Arzt patientenund situationsorientiert entscheiden, ob er die empfohlene Startdosis von 500 μg alle drei Wochen einsetzt oder alternativ, auf 2,25 μg/kg KG berechnet, einmal 150 μg wöchentlich. Beide Schemata ermöglichen sowohl Dosisanpassungen und Therapiekontrollen als auch eine synchrone Verabreichung mit der Chemotherapie. Bei der 3-wöchentlichen Gabe kommen natürlich noch weitere Vorteile hinzu: eine verminderte Applikationsfrequenz – eine Injektion pro Zyklus reicht in aller Regel aus –, weniger Arztbesuche, mehr Lebensqualität für den Patienten.

Von der Anwendungshäufigkeit unabhängig sind dagegen die durchweg hohen Hb-Ansprechraten unter Darbepoetin alfa: So zeigte sich in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Multicenterstudie mit 705 Patienten [8], in der beide Dosierungen miteinander verglichen wurden, dass ca. 80 % der Behandelten den Hb-Zielwert von ≥ 11 g/dl erreichten – mit einem weiteren Effektivitätszugewinn auf 84 % für die 500-μg-Fixdosis gegenüber 77 % bei wöchentlicher Gabe. Diese positiven Ergebnisse sowie Befunde aus weiteren klinischen Studien waren für die EORTC der Grund, Darbepoetin alfa den Empfehlungsgrad A für die wöchentliche und die 3-wöchentliche Therapie zuzuerkennen.

Management & Krankenhaus: Welche Konsequenz hat aus Ihrer Erfahrung die deutlich seltenere Verabreichung einer Substanz, ob nun Pegfilgrastim oder Darbepoetin alfa, für die Patientenführung?

Dr. Andreas Jakob: In allererster Linie ist es wichtig, dass der Patient diese schweren Nebenwirkungen der Chemotherapie dank der Begleitmedikationen nicht zu spüren bekommt. Ihm diese zusätzliche Last in der ohnehin nicht einfachen Situation zu ersparen, bedeutet nicht nur mehr Lebensqualität für ihn und auch für seine Familie, sondern auch einen Zugewinn an Vertrauen gegenüber dem behandelnden Arzt – was wiederum der Patientenführung nur dienlich ist. Der onkologische Patient kann also in einem hohen Maße davon profitieren, wenn man diese beiden Supportiva pro Zyklus hinzugibt.

Management & Krankenhaus: Eine wichtige Frage in Klinik und Praxis ist die der Wirtschaftlichkeit einer Therapie. Welcher diesbezüglichen Orientierung folgen Sie? Wie begründen Sie den Einsatz von Pegfilgrastim, welche Argumente führen Sie für eine Bevorzugung von Darbepoetin alfa an?

Dr. Andreas Jakob: Wir sind der Auffassung, dass wir bei leitlinienkonformer Anwendung dieser beiden Substanzen durchaus kosteneffektiv behandeln, weil – unter Pegfilgrastim – febrile Neutropenie-Phasen vermieden, Antibiotika eingespart und Krankenhausaufenthalte minimiert werden können, was letztlich sogar zu einer Schonung der Ressourcen führt. Etwaige Volumina können wir jetzt natürlich noch nicht beziffern, dennoch denken wir, mit dieser Therapie kosteneffektiv zu sein.

Was wiederum das Darbepoetin alfa angeht, so haben mehrere Studien in der jüngeren Vergangenheit nahegelegt, dass der Einsatz von Erythropoese-stimulierenden Agenzien mit einer Verschlechterung der Prognose von Tumorpatienten verbunden sein kann. Folge war, dass die ESA vielerorts weniger häufig zur Anwendung kamen. Die Daten wurden dann von unabhängigen Institutionen überprüft, Metaanalysen durchgeführt und in unterschiedlichen Fachgremien diskutiert. Alle Experten kamen zu dem Schluss, dass die Substanzen in diesen Studien Off label eingesetzt worden waren, also nicht in einem zugelassenen Bereich. Bei leitliniengerechter Therapie sind die ESA sicher, vermindern den Bedarf an Transfusionen und stellen einen wichtigen Beitrag für die Lebensqualität von Patienten dar, die eine Chemotherapie erhalten. Dabei besticht das Darbepoetin alfa mit seiner langen Wirkdauer und der damit verbundenen Möglichkeit, die Substanz im Zusammenhang mit der Zytostatika- Gabe zu applizieren.

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