Gesundheitsökonomie

Familienfreundlichkeit im OP

12.07.2019 -

Für besonders hohes Engagement zur Verbesserung der Familienfreundlichkeit wurde an der Universitätsmedizin Göttingen der „Vereinbarkeitspreis UMG“ des Jahres 2018 vergeben.

Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Dekan und Sprecher des Vorstands der UMG, überreichte die Urkunde Mitte Dezember an Prof. Dr. Jochen Gaedcke, Leitender Oberarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie an der UMG. Der Preis wird jährlich verliehen und ist mit 1.000 € dotiert.

Gaedcke hat die Leitlinie „Schwanger im OP“ mitentwickelt. Die UMG hat damit als eine von wenigen Kliniken bundesweit eine verbindliche Leitlinie vorliegen, die schwangeren Chirurginnen deren operative Arbeit weiterführen lässt. Gaedcke hat außerdem aktiv dazu beigetragen, diese Leitlinie im OP-Alltag tatsächlich umzusetzen und mit dieser innovativen Lösung die Arbeitssituation von schwangeren Chirurginnen verbessert. Die neuen Regelungen der Leitlinie erlauben es Chirurginnen, auf deren ausdrücklichen Wunsch hin und unter Einhaltung aller notwendigen Schutzmaßnahmen, auch während einer Schwangerschaft zu operieren.

Grundlage der Leitlinie ist, dass eine schwangere Chirurgin im OP nur eingesetzt werden darf, wenn dazu die freiwillige Entscheidung der Schwangeren vorliegt. Zudem muss eine vom Betriebsärztlichen Dienst geprüfte, individuelle Gefährdungsbeurteilung für die Tätigkeiten der Schwangeren vorliegen. Werden die erarbeiteten Schutzmaßnahmen vor und während der operativen Eingriffe eingehalten, können Risiken für die werdende Mutter und das ungeborene Kind weitestgehend ausgeschlossen werden.

Die Nominierung von Gaedcke wurde wie folgt begründet: „Das Projekt ist vor allem deshalb gut gelungen, weil die Leitlinie nicht nur auf dem Papier besteht, sondern schwangeren Kolleginnen in unterschiedlichen Abschnitten ihrer Ausbildung den Einsatz im OP tatsächlich möglich macht. Gaedcke hat die Umsetzung der Leitlinie, gerade auch im Hinblick auf die OP-Plan-Gestaltung, unterstützt. Sonst wäre dies in solchem Umfang nicht möglich gewesen.“

Gaedcke hat bei seinen Bemühungen um vereinbarkeitsfreundliche Lösungen auch die männlichen Mitarbeiter der Klinik im Blick. So werden Väter in ihrem Wunsch unterstützt, ihre Vaterschaft aktiv zu leben. Gaedcke ermöglicht den Chirurginnen und Chirurgen auch Arbeit in Teilzeit. Bei der OP-Plan-Gestaltung werden die verschiedenen, individuellen Arbeitszeitmodelle der Chirurginnen und Chirurgen mit Familienverantwortung konsequent berücksichtigt, auch wenn dies einen erhöhten Organisationsaufwand bedeutet.

Die Leitlinie gemeinsam entwickelt haben die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie, die Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie und der Betriebsärztliche Dienst.

Kroemer meint darüber hinaus, dass in den letzten Jahren Familienfreundlichkeit und Gleichstellung durch die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten an der UMG zunehmend einen höheren Stellenwert bekommen haben. Der Vereinbarkeitspreis sei ein Ausdruck davon.

Hintergrund Leitlinie „Schwanger im OP“
Die mittelfristige Zukunft der Medizin - und damit auch der Chirurgie - ist weiblich. Das belegt die steigende Zahl von Medizinstudentinnen. Laut statistischem Bundesamt waren im Jahr 2017 rund 58.000 der bundesweit knapp 94.000 Studierenden der Humanmedizin weiblich. Das entspricht einem Anteil von etwa 62%. Für junge Ärztinnen fallen die Phase ihrer fachärztlichen Weiterbildung und die Tätigkeit als Fachärztin oder Oberärztin zeitlich oft mit der Phase der Familiengründung zusammen.

Der OP-Saal gilt für Schwangere und ihre ungeborenen Kinder als potentiell gefährlicher Arbeitsplatz. Wenn Chirurginnen ihre Schwangerschaft bekannt geben, folgt zumeist zum Schutz der Ärztinnen ein Operationsverbot. Die UMG hat dazu eine verbindliche Leitlinie erarbeitet, die schwangeren Chirurginnen ihre operative Arbeit weiterführen lässt. Diese Maßnahme unterstützt zum einen Chirurginnen in der fachärztlicher Weiterbildung; sie müssen jetzt bei einer Schwangerschaft ihre Tätigkeit im OP nicht zwingend unterbrechen.

Somit verlängert sich ihre Weiterbildungszeit in Folge der Schwangerschaft nicht unnötig. Auch ausgebildete Fachärztinnen mussten nach der bisherigen Regelung bei einer Schwangerschaft ihre operative Tätigkeit länger unterbrechen. Eine Rückkehr ins operative Tagesgeschäft war dann oft mühevoll. Chirurgische Fächer gelten als eher schwieriges Arbeitsfeld für Ärztinnen und Ärzte mit Familienverantwortung: OP-Kernzeiten sind wenig flexibel und die Dauer der OP-Eingriffe kann häufig nicht exakt geplant werden. Das bedeutet, dass in vielen chirurgischen Kliniken eine Teilzeittätigkeit nur in Funktionsbereichen abseits des Operationssaales möglich ist.

Der „Vereinbarkeitspreis UMG“
Der „Vereinbarkeitspreis UMG“ zeichnet Führungspersonen aus, die sich in ihren Einrichtungen für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen. Beschäftigte der UMG können Vorgesetzte vorschlagen, die sie bei diesem Ziel unterstützen. Der Preis wird vom Vorstand der UMG verliehen und ist mit 1.000 € dotiert. Das Preisgeld ist dafür vorgesehen, in der Einrichtung der Preisträgerin oder des Preisträgers familienfreundliche Angebote auszubauen. Die UMG verleiht deutschlandweit als einzige Hochschulmedizin regelmäßig einen Preis für persönliches Engagement bei der Gestaltung von familien-freundlichen Arbeitsbedingungen.

 

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