Gesundheitsökonomie

Gelingt der Politik ein Quantensprung?

Was ein Unternehmensberater von der neuen Bundesregierung erwartet

23.03.2010 -

ZeQ in Mannheim, die Unternehmensberatung für Krankenhaus und Rehabilitation, beobachtet seit einem Jahrzehnt mit großer Aufmerksamkeit die gesundheitspolitischen Vorgänge, die das deutsche Klinikwesen betreffen. Mit Spannung werden nun die Weichenstellungen der neuen Bundesregierung erwartet. M & K sprach mit Rüdiger Herbold, Vorstand von ZeQ.

M&K:
Was sollte die Gesundheitspolitik Ihrer Meinung nach vordringlich leisten?

Rüdiger Herbold: Ein Quantensprung wäre der Zusammenschluss möglichst vieler Geldtöpfe in der Gesundheitsvorsorge. Damit würde Geld gespart, und es könnte eine die Versorgungsstufen übergreifende Behandlungsstrategie entwickelt werden. Heute verhandeln niedergelassene Ärzte mit der Kassenärztlichen Vereinigung, Krankenhäuser mit den Krankenkassen, Rehakliniken mit der Rentenversicherung, Pflegeheime mit den Pflegekassen. Auf Seite der Versorger sollte ein Koordinator installiert werden, der dafür verantwortlich ist, dass sich der Patient jeweils in der angemessenen Versorgungsform befindet. Wenn diese Funktion unabhängig von Partikularinteressen der jeweiligen Leistungsträger ausgeübt wird, profitiert das gesamte System. Und für eine solche Rolle sehe ich am ehesten das Krankenhaus geeignet.

Erörtert wird momentan auch die Finanzierungsstruktur des Gesundheitswesens, bspw. das paritätische System der gesetzlichen Krankenversicherung mit
der Beteiligung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wäre eine andere Finanzierung vorteilhafter?


Herbold: Das paritätische System sollte nicht angetastet werden. Die USA wollen dieses Modell ja soeben einführen! Überlegenswert wäre aber die grundsätzliche Einführung einer Selbstbeteiligung des Patienten bei der Krankenkasse. Was in der Kraftfahrzeugversicherung akzeptiert wird, müsste doch wohl auch hier möglich sein. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die gesetzliche Krankenversicherung auf Dauer nur eine Grundversorgung sichern können, während die restlichen Leistungen über private Zusatzversicherungen abgedeckt werden müssen. Dieser Trend zeichnet sich ja bereits ab. Ein weiterer wichtiger Fortschritt wäre es, wenn die duale Finanzierung der Krankenhäuser aufgegeben würde. Heute werden die Kosten für das laufende Geschäft des Krankenhauses von der Krankenkasse aufgebracht, die Bauinvestitionen laufen dagegen über die öffentliche Hand. Das führt zwangsläufig zu einer suboptimalen Verteilung der Mittel.

Hat die Gesundheitspolitik der letzten Jahre das Krankenhaus positiv oder negativ verändert?

Herbold: Geschadet hat sie ihm sicher nicht. Es wurden vorsichtig, oftmals zu vorsichtig neue Wege gesucht, wie sich Krankenhäuser strategisch besser aufstellen können. Dass Krankenhäuser aufgefordert sind, ihre Wirtschaftlichkeit zu überdenken und mit den Qualitätsanforderungen in Einklang zu bringen, ist ganz gewiss kein Nachteil. Eine Herausforderung für das Krankenhaus ist die gesundheitspolitische Forderung „ambulant vor stationär". Dieser Trend stellt die Krankenhäuser vor die Aufgabe, ihren Leistungsumfang und ihren Wirkungsbereich zu hinterfragen und neu zu definieren. Eines Tages könnte die Intensivstation die größte Abteilung eines Krankenhauses sein ...

Was waren positive Veränderungen?

Herbold: Mit der Einführung des Fallpauschalensystems werden viele Ungerechtigkeiten in der Finanzierung der Krankenhäuser beseitigt. Eine eklatante Verbesserung zeichnet sich auch mit der Einführung der Mindestmengen in der Krankenversorgung ab. Nachweislich erbringen nur diejenigen Krankenhäuser Leistungen mit hoher Qualität, die sie sehr häufig durchführen.

Was betrachten Sie als negative Einflüsse?

Herbold: Der Gesundheitsfonds schafft zusätzliche Verwaltungskosten, die das verbleibende Geld weiter verknappen. Daher würde ich eine Rücknahme des Gesundheitsfonds begrüßen. Völlig unangebracht finde ich die Pläne der neuen Bundesregierung, Krankenhäuser nicht mehr als Träger von MVZ zuzulassen.

Wenn Sie nicht Betriebswirt und Unternehmensberater wären - wären Sie gerne Klinikarzt?

Herbold: Die beiden Aufgabenbereiche haben tatsächlich viele Gemeinsamkeiten. Beide werden angetrieben von dem Bestreben, Menschen zu helfen. Beide sind auf exzellente Mitarbeiter angewiesen, beide dürfen in der Entwicklung der internen Organisation nicht stillstehen, beide bewältigen große Herausforderungen und sehr viel Arbeit. Allerdings durchlebt ein Klinikarzt auf dem Weg in die Ober- und Chefarztposition noch mehr Leiden als ein Unternehmensberater. Fazit also: Chefarzt, ja gerne. Assistenzarzt: nicht ganz so gerne.

Kontakt

ZeQ AG Unternehmensberatung

Am Victoria-Turm 2
68163 Mannheim
Deutschland

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