Gesundheitspolitik

Studie: Immer mehr Kliniken mit erhöhter Insolvenzgefahr

18.06.2012 -

Die wirtschaftliche Situation der deutschen Krankenhäuser hat sich seit 2010 verschlechtert, mittlerweile dürften sich 15% im „roten Bereich" mit erhöhter Insolvenzgefahr befinden. Auch langfristig werden die Kosten voraussichtlich stärker steigen als die Erlöse, und damit dürfte die Lage angespannt bleiben. Ein Handel mit Rechten zur Abrechnung von Krankenhausbehandlungen und eine weitere Marktkonsolidierung können helfen, den Krankenhausmarkt zu stabilisieren.

Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt die achte Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report", der im Rahmen des „Hauptstadtkongresses 2012 - Medizin und Gesundheit" in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Studie über die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser wurde gemeinsam von RWI, Accenture und der HCB GmbH erstellt. Dr. Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung und Dr. Sebastian Krolop von Accenture geben Einblick in die neueste Faktenlage.

Die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser hat sich seit 2010 verschlechtert. Befanden sich im Jahr 2010 noch 10% der Häuser im „roten Bereich" mit erhöhter Insolvenzgefahr, dürften es mittlerweile 15% sein. Um die Investitionsfähigkeit der Kliniken ist es ebenfalls schlecht bestellt: Nur rund die Hälfte von ihnen erwirtschaftet ausreichende hohe Erträge, um ihre Unternehmenssubstanz zu erhalten. Auch langfristig werden die Kosten voraussichtlich stärker steigen als die Erlöse.

Zu diesen Ergebnissen kommt der achte „Krankenhaus Rating Report", den das RWI, das Institute for Healthcare Business GmbH und das Beratungsunternehmen Accenture gemeinsam erstellt haben und dessen Ergebnisse im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2012 - Medizin und Gesundheit" in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Der „Krankenhaus Rating Report 2012" basiert auf einer Stichprobe von 705 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2009, die insgesamt 1057 Krankenhäuser umfassen, sowie 286 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2010.

Öffentlich-rechtlichen Kliniken geht es wirtschaftlich am schlechtesten

Am besten war die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser 2010 demnach in Sachsen-Anhalt/Thüringen, Rheinland-Pfalz/Saarland und in Sachsen, gefolgt von Nordrhein-Westfalen. Im Mittelfeld befanden sich Mecklenburg-Vorpommern/Brandenburg/Berlin, Bayern und Schleswig-Holstein/Hamburg. Am schwierigsten war die Situation offenbar in Hessen, Baden-Württemberg und Niedersachsen/Bremen.

Betrachtet man die wirtschaftliche Situation nach Trägern, schneiden öffentlich-rechtliche Kliniken durchschnittlich schlechter ab als freigemeinnützige oder private. So lagen im Jahr 2010 18% der öffentlich-rechtlichen Häuser im „roten Bereich", aber nur 9% der freigemeinnützigen und 2% der privaten. Eine Ausnahme waren ostdeutsche kommunale Kliniken mit nur 3% im „roten Bereich". Auch zwischen den westdeutschen öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern gibt es allerdings große Unterschiede und Häuser mit sehr guten Betriebsergebnissen.

Weitere Ergebnisse der Studie sind, dass kleine Krankenhäuser bezüglich der wirtschaftlichen Lage schlechter abschneiden als große oder mittelgroße. Kliniken mit einem hohen Spezialisierungsgrad stehen signifikant besser da als solche mit einem geringen. Einen Zusammenhang gibt es auch zwischen Wirtschaftlichkeit, Qualität und Patientenzufriedenheit: Häuser mit qualitativen Auffälligkeiten weisen ebenso ein schlechteres Rating auf wie solche mit geringer Patientenzufriedenheit. Der erstmals untersuchte Zusammenhang zwischen Managementstrukturen und dem Rating der Krankenhäuser zeigt, dass bessere Managementstrukturen mit einer besseren Ertragslage einhergehen. Für die Indikationen Bauchaortenaneurysma ohne Ruptur und der hüftgelenknahen Femurfraktur konnte außerdem erstmals gezeigt werden, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Zahl der Fälle und der medizinischen Qualität gibt.

Wachsende Krankenhausnutzung führt zu steigenden Kosten

Die Ausgaben für Krankenhäuser betrugen 2010 insgesamt 74 Mrd. € und stiegen damit gegenüber 2009 um 4,7%. Zwischen 2005 und 2010 nahmen die Ausgaben für Krankenhäuser um rund 20% zu und damit zwar geringer als die Ausgaben für Arztpraxen (23%) oder für ambulante und stationäre Pflege (26%). Der Zeitraum 2005 bis 2010 war dennoch durch eine starke Zunahme der Zahl der behandelten Fälle geprägt („Mengendynamik"). So nahm beispielsweise die Zahl stationärer Fälle um rund 9% zu. Insgesamt stiegen die Erlöse aus DRG-Fallpauschalen, die zwischen Kosten- und Leistungsträgern abgerechnet werden, um 25%. Dabei gehen über 60% dieser Zunahme nicht auf demografische Veränderungen zurück, sondern auf medizinisch-technischen Fortschritt und vermehrte Angebote an die Patienten. Setzt sich dieser Trend fort, dürfte die Zahl der Fälle zwischen 2010 und 2020 um 13% zunehmen, obwohl demografiebedingt nur mit etwa 5% mehr Fällen zu rechnen wäre.

Krankenhausversorgung vor dem Wendepunkt

Die Krankenhausversorgung steht 2012 an einem Wendepunkt. Erstens sind geeignete Instrumente zu finden, um die starke Mengendynamik zu bremsen und so das Gesundheitssystem zu entlasten. Eine Möglichkeit wäre ein „Rechtehandel", bei dem eine feste, jährlich anzupassende Menge an Rechten zur Abrechnung von Krankenhausbehandlungen ausgegeben würde. Mengenverhandlungen würden dann zwischen den Krankenhäusern stattfinden, statt wie bisher zwischen einzelnen Krankenkassen und Krankenhäusern. Die Mengendynamik wäre gebremst, und gleichzeitig würden Anreize zur weiteren Spezialisierung und Konsolidierung des Krankenhausbereichs gesetzt.

Zweitens muss die Investitionsfähigkeit der Krankenhäuser steigen. Dazu sollten die knappen öffentlichen Mittel auf weniger Begünstigte und zudem effizienter verteilt werden. Weniger Begünstigte bedeutet dabei, dass Krankenhäuser ohne erkennbare wirtschaftliche Zukunft und ohne nennenswerte Bedeutung für die regionale Versorgung aufgegeben werden. Zur effizienteren Mittelverwendung sollten die Investitionsmittel der Länder in Pauschalen umgewandelt werden. Auf diese Weise wäre nicht das Bundesland, sondern das einzelne Krankenhaus für die effiziente Nutzung des Geldes verantwortlich. Zusätzlich sollte der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen verbessern, beispielsweise, indem er eine engere Zusammenarbeit des ambulanten und stationären Bereichs erlaubt oder generell mehr unternehmerische Freiheit gewährt.

Es zeigen sich drittens Zeichen einer beschleunigten Marktkonsolidierung. Eindrucksvollstes Beispiel ist die angekündigte Übernahme der Rhön-Klinikum AG durch Fresenius. Damit kann die fusionierte Klinikkette einem Großteil der Bevölkerung spezielle Angebote unterbreiten. Der Wettbewerb würde verschärft und Strukturen aufgebrochen. Langfristig kann sich so eine patientenorientierte, sektorenübergreifende Medizin herausbilden. Weitere Anbieter werden Helios-Rhön voraussichtlich folgen, der Krankenhausmarkt wird sich stark wandeln. Denkbar ist, dass sich schließlich fünf große überregionale Klinikverbünde herauskristallisieren mit insgesamt rund 60% Marktanteil. Sie würden eng mit starken Partnern aus dem kommunalen und universitären Bereich kooperieren und jeweils eine gemeinsame Dachmarke bilden. Daneben gäbe es mehrere regionale Verbünde, vor allem in kommunaler Trägerschaft. Einige Solisten mit besonderem Nischenangebot werden sich wohl behaupten.

 

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