Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit: Prof. Dr. Axel Ekkernkamp im Interview
06.06.2012 -
Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit: Prof. Dr. Axel Ekkernkamp im Interview. Der jüngste Spross in der Familie der Veranstaltungen unter dem Dach des Hauptstadtkongresses Medizin und Gesundheit ist groß geworden – und zu einer festen Adresse für alle Ärztinnen und Ärzte, die den Wandel des Gesundheitswesens aktiv mitgestalten wollen. Allein im vergangenen Jahr besuchten rund 1.000 Mediziner das Deutsche Ärzteforum. Über den Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit sprach Thomas Hommel mit dem wissenschaftlichen Leiter und Ärztlichen Direktor am Unfallkrankenhaus Berlin, Prof. Dr. Axel Ekkernkamp.
Management & Krankenhaus: Prof. Ekkernkamp, 10 Jahre Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit – welchen Stellenwert für die Entscheider in der Gesundheitswirtschaft hat dieser Kongress inzwischen erlangt?
Axel Ekkernkamp: Der Hauptstadtkongress ist die Zentralplattform für die Entscheider im Gesundheitswesen. Es hat sich als goldrichtig herausgestellt, die unterschiedlichen Player im Gesundheitswesen unter einem Dach zu versammeln. Diffizile Abläufe erfordern komplexe Lösungen. Natürlich kann ein auf Interdisziplinarität und Interprofessionalität ausgerichteter Kongress die Tagungen der einzelnen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und (Berufs-) Verbände nicht ersetzen, dennoch war es höchste Zeit, die unterschiedlichen Interessenvertreter zur selben Zeit an denselben Ort zu bringen. Es liegt auf der Hand, dass jede Gruppe für sich – Manager, Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Kostenträger – gern allein die wesentlichen Abläufe im System bestimmen möchte, aus guten Gründen bedarf es aber der Beleuchtung aller Facetten und damit auch der Abstimmung untereinander.
Management & Krankenhaus: Zum 1. April 2007 trat eine weitere Reform in Kraft. Ihre Auswirkungen werden mit Sicherheit Gegenstand des Hauptstadtkongresses im Juni 2007 sein. Welche Chancen birgt die Reform für die Akteure der Gesundheitsbranche?
Axel Ekkernkamp: Mein persönliches Credo ist bekannt: Das vorbildliche Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland kann erhalten und ausgebaut werden, wenn vier Aspekte positiv geregelt werden: Prävention, Ethik, Gesundheitswirtschaft und – last but not least – Abbau der Sektoren zwischen den Bereichen ambulante Medizin, stationäre Akutbehandlung und Rehabilitation. Die Stärkung der Prävention spielt sich vorwiegend in den Köpfen ab, sie soll durch ein neues Präventionsgesetz gefördert werden. Ethische Aspekte sind angesichts der Professionalisierung und Ökonomisierung zu bewahren, trotz aller Parallelen von sozialer Marktwirtschaft und sozialem Gesundheitswesen dürfen die Grundlagen nicht übersehen werden: es geht um Gesunderhaltung oder um Diagnostik und Therapie von kranken und verletzten Menschen. Richtig an der Reform ist die Flexibilisierung des Systems mit dem Ziel der Annäherung von Präklinik, Klinik und Rehabilitation. Das Lernen von bewährten berufsgenossenschaftlichen Verfahren, in welchen sowohl hinsichtlich Dokumentation als auch Vergütung zwischen den Sektoren gar nicht unterschieden wird, die Gründung von modernen Polikliniken – gerade in Berlin mit dem Polikum und der Polimedika gut zu verfolgen –, die Gründung von medizinischen Versorgungszentren und der ganz bewusst Verzicht auf MVZ zugunsten alternativer vertraglicher Verbindungen zwischen Krankenhäusern, Praxen und Rehakliniken sind Beispiele dafür, dass sich aus dem neuen Gesetz große Chancen ergeben.
Management & Krankenhaus: Befördert die Reform den Boommarkt Gesundheit?
Axel Ekkernkamp: Fakt ist zunächst einmal: Die Gesundheitswirtschaft hat frühere Vorzeigebranchen wie Stahl, Steinkohle und Automobilbau abgelöst, sie wird bezogen auf Know-how und Produktqualität zum Exportschlager werden. Erfreulicherweise unterstützen Bundeskanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium die Bemühungen um die Gesundheitswirtschaft mit Nachdruck. Natürlich hätte ich mir nach all den Diskussionen in der Herzog- Kommission und dem Bundesparteitagbeschluss der CDU von Leipzig 2003 noch klarere Strukturen in der Krankenkassenfinanzierung gewünscht, die jetzt getroffenen Entscheidungen zur Reform der GKV, zu Veränderungen der PKV, der Umstrukturierung des Gemeinsamen Bundesausschusses, dessen Vorgängerorganisation ich ja selbst vorsitzen durfte, müssen sich erst in der Realität beweisen.
Management & Krankenhaus: Beim Hauptstadtkongress treten Klinikmanager, Ärzte, Pflegekräfte, Wissenschaftler, Kassenvertreter und Politiker in einen Dialog und feilen an Lösungen für aktuelle Herausforderungen. Was brennt der Ärzteschaft derzeit am meisten unter den Nägeln?
Axel Ekkernkamp: Bis vor wenigen Jahren bestand die größte Hürde auf dem Weg zum Arztberuf in der schwierigen Erlangung eines Studienplatzes. Die späteren Weichen konnten eigenverantwortlich gestellt werden, Lebensarbeitsplätze in Universitätskliniken, Krankenhäusern, in Praxen und im öffentlichen Gesundheitswesen standen zur Verfügung und sicherten gesellschaftliches Ansehen und erträgliches Auskommen. Objektiv hat sich dies nur wenig geändert, subjektiv ist eine Verunsicherung der Medizin-Studierenden und der Ärzteschaft nicht zu leugnen. Fachärzte in eigener Praxis und Hausärzte sorgen sich um das wirtschaftliche Führen ihrer Unternehmen, die Rolle des freien Berufes wird hinterfragt, im Krankenhaus verschieben sich die Entscheidungen von der Chefarztebene auf das – häufig nicht ärztlich besetzte – Management. Die Privatisierung der Krankenhäuser, die als Rückhalt und Unterstützung verstanden werden könnte, erfährt häufig eine (zu) kritische Beäugung. Schon dem Studierenden der Medizin wird suggeriert, auf ihn kämen bei Aufnahme einer kurativen Tätigkeit Ausbeutung und inakzeptable Arbeitsverhältnisse zu.