Gesundheitsökonomie

Krankenhäuser müssen flexibel über Qualifikationsmix beim Personal entscheiden können

01.08.2018 -

Die Suche nach qualifiziertem Personal bleibt immer öfter erfolglos“, bringt der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Detlef Piepenburg, ein zentrales Ergebnis des aktuellen BWKG-Indikators (1/2018) auf den Punkt: 75% der Krankenhäuser und der Rehakliniken haben Probleme, Pflegekräfte zu finden. Bei den Altenpflegeeinrichtungen sind es sogar über 90%. Seit Beginn der BWKG-Indikator-Befragungen im Jahr 2010 war es noch nie so schwierig, freie Stellen in der Pflege zu besetzen. Auch bei den Ärzten wachsen die Probleme: 72% der Rehakliniken und 64% der Krankenhäuser haben aktuell Schwierigkeiten, Ärzte zu finden. Bereits jetzt sind rund 400 Stellen bei den Ärzten und 1.200 Stellen bei den Pflegefachkräften in den Krankenhäusern unbesetzt.

„Der Bundesgesundheitsminister hat sehr schnell sein Eckpunktepapier für das Sofortprogramm Kranken- und Altenpflege vorgelegt“, unterstreicht der BWKG-Vorstandsvorsitzende. Die vorgesehenen 13.000 neuen Stellen für die Altenpflege seien ein wichtiger erster Schritt. Allerdings bleibe unklar, wo diese Mitarbeiter herkommen sollen. Dass die neu geschaffenen Pflegestellen vollständig finanziert werden sollen, entspreche einer langjährigen Forderung der BWKG. Die ebenso vorgesehene volle Finanzierung der Tarifsteigerungen sei wichtig, damit die Defizite nicht noch größer werden. Unverständlich sei, warum die volle Finanzierungszusage nur für die Pflege und nicht für alle Berufsgruppen gelten soll.

„Mehr Personal am Krankenbett oder im Pflegeheim wird es nur geben, wenn die Pflegekräfte durch andere Mitarbeiter entlastet und unterstützt werden können“, macht Piepenburg deutlich. Nach den Ergebnissen des BWKG-Indikators 1/2018 setzen schon heute etwa drei Viertel der Krankenhäuser auf einen Qualifikationsmix, um ihre Pflegekräfte zu entlasten. Eingesetzt werden etwa Servicehelfer, Patientenbegleiter, Medizinische Fachangestellte, Dokumentationsassistenten oder Sekretariatspersonal. „Die gute Pflege der Patienten kann in dem einen Krankenhaus durch mehr examiniertes Pflegepersonal gesichert werden, in dem anderen vielleicht eher durch die Entlastung des Pflegepersonals durch andere Berufsgruppen. Kliniken brauchen hier Entscheidungsspielräume“, fordert Piepenburg. Wenn genau vorgeschrieben werde, wie viel Personal mit welcher Qualifikation, wann eingesetzt werden muss, bedeute das einen enormen bürokratischen Aufwand.

„Ganz wichtig ist es, den dringend notwendigen Bürokratieabbau endlich anzugehen“, so Piepenburg. Denn die Mitarbeiter der Krankenhäuser, Reha-Kliniken und Pflegeeinrichtungen verbringen einen stetig wachsenden Teil ihrer Arbeitszeit mit der Dokumentation. Diese Zeit fehlt für die Behandlung und Pflege der Patienten und führt zu einer sinkenden Arbeitszufriedenheit.

„Auch eine gute Bezahlung ist zweifellos ein wichtiger Beitrag zur Arbeitszufriedenheit. Um überhaupt noch Fachpersonal zu finden, zahlen die Krankenhäuser im Land schon jetzt überdurchschnittliche Löhne“, macht der BWKG-Hauptgeschäftsführer, Matthias Einwag, deutlich.

Dass das Lohnniveau in der Krankenhausvergütung nach wie vor nicht berücksichtigt wird, hat direkte Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse: Nach den Ergebnissen des BWKG-Indikators 1/2018 haben rund 50% der Krankenhäuser im Land das Jahr 2017 mit roten Zahlen abgeschlossen. Und der Druck wird nicht geringer: Die boomende Wirtschaft führt zu einem generellen Fachkräftemangel und die Krankenhäuser konkurrieren mit vielen finanzstarken Branchen um qualifizierte Mitarbeiter und den Nachwuchs. Zusätzlich werden Pflegekräfte mit hohen Vergütungen aus der Schweiz abgeworben.

„Und die finanzielle Situation der Krankenhäuser wird durch Vergütungskürzungen der Krankenkassen noch weiter verschärft“, so Einwag. Dabei berufen sich die Kassen auf Urteile des Bundessozialgerichts und fordern oft nach Jahren Vergütungen für Leistungen zurück, obwohl sie zum Zeitpunkt der Behandlung mit der Art der Behandlung und der Abrechnung völlig einverstanden waren.
„Für die Unterfinanzierung der Krankenhäuser sind natürlich nicht nur die unzureichend finanzierten Betriebskosten verantwortlich. Auch die Investitionskosten spielen eine wichtige Rolle. Hier besteht auch beim Land Baden-Württemberg Nachholbedarf, auch wenn es aktuell deutlich mehr macht als andere Länder“, stellt Einwag klar.

Nach dem BWKG-Indikator 1/2018 haben rund 40% der Reha-Kliniken das Jahr 2017 mit roten Zahlen abgeschlossen. „Der Anspruch der Reha-Einrichtungen auf eine leistungsgerechte Vergütung muss umgehend im Gesetz verankert werden“, fordert Einwag. Damit müsse sichergestellt werden, dass die Kliniken ihre Investitionskosten und auch regional überdurchschnittliche Lohnkosten bei wirtschaftlicher Geschäftsführung finanzieren können. Es sei enttäuschend, dass die medizinische Rehabilitation im Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministers gar nicht und im Koalitionsvertrag nur am Rande angesprochen wird. Dabei ist sie ein ganz wichtiger Eckpfeiler einer modernen Gesundheitsversorgung. Und trotz der anerkannt positiven Wirkung wird die Rehabilitation nach wie vor vernachlässigt.

Noch immer warten die Reha-Kliniken auf eine echte Umsetzung der Grundsätze „Reha vor Pflege“ und „Reha vor Rente“. Jeder, der eine medizinische Rehabilitation braucht, muss diese auch erhalten können. Der Weg in die Reha muss für die Patienten klar und nachvollziehbar sein. Die Finanzierung der Reha-Kliniken muss gesichert werden, damit diese ihr Potential in der medizinischen Versorgung voll entfalten können.

Bei den Pflegeeinrichtungen rechnen etwa 20% für 2017 mit roten Zahlen. „Damit ist zwar die Situation der Altenpflegeeinrichtungen besser als die der Krankenhäuser und Reha-Kliniken“, so der Hauptgeschäftsführer. Die finanzielle Situation der Pflegebedürftigen werde aber immer schwieriger. Denn die steigenden Kosten müssen sie mit der steigenden Eigenbeteiligung zu einem großen Teil selbst finanzieren – oder sie gehen zu Lasten der Sozialhilfeträger, also der Stadt- und Landkreise. Hier sind aus unserer Sicht dringend Leistungsverbesserungen der Pflegeversicherung erforderlich. Der Fokus sollte dabei unbedingt auf der stationären Altenpflege liegen.

„Sicherlich möchte auch jeder von uns, so lange es geht, zu Hause leben. Aber manchmal geht das einfach nicht mehr“, so Einwag. Für diesen Fall sei es enorm wichtig, dass es eine stationäre Altenpflegeeinrichtung gibt. Und natürlich sollte diese Einrichtung möglichst in der Nähe des bisherigen Wohnortes liegen, damit die Menschen nicht völlig aus unserem Lebensumfeld gerissen werden und auch mal Besuch bekommen.

„Von ganz zentraler Bedeutung für die Pflegeeinrichtungen wird sein, dass sie den Pflegekräften attraktive und konkurrenzfähige Rahmenbedingungen bieten können“, ist sich Einwag sicher. Auch müsse darauf geachtet werden, dass etwa Hauptschulabsolventen und Berufswechlser nicht durch die hohen Anforderungen des neuen generalistischen Pflegeberufs von der Arbeit in den Heimen abgehalten werden.

 

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