Gesundheitsökonomie

Regionalbudget erhitzt Gemüter

Westküstenklinikum und Ärztegemeinschaft unterstützten Modellprojekt

12.04.2010 -

Mit veränderten Strukturen bei der Honorierung und durch Kooperationen zwischen Krankenhaus und niedergelassenen Ärzten will ein kleiner Kreis in Schleswig-Holstein die medizinische Versorgung der Zukunft sicherstellen. Das vom Land finanzierte Modellprojekt trifft aber nicht auf ungeteilte Zustimmung und bringt die Gemüter einiger Gegner in Wallung.

Landarzt will heute kaum noch jemand werden. Die Arbeitszeiten sind unattraktiv, die Honorierung ist unbefriedigend. Für strukturschwache Regionen ein beachtliches Problem. Ein kleiner Kreis an der Westküste Schleswig-Holsteins hat sich auf den Weg gemacht, um die medizinische Versorgung der Zukunft zu sichern. Mit einem im nördlichsten Bundesland einmaligen Modellprojekt, das vom Kieler Gesundheitsministerium mit 200.000 € gefördert wird, sollen die Probleme gelöst und die Region für Nachwuchsmediziner interessant gemacht werden.

Zurzeit gibt es zwar ausreichend Ärzte, die noch gut in der Fläche verteilt sind. 175 Haus- und Fachärzte arbeiten in Dithmarschen. Doch die ersten Probleme zeichnen sich ab. Laut Statistik wird es bis zum Jahr 2020 für 40% der in Ruhestand gehenden Ärzte keinen Nachfolger geben. „Einen Arzt für die Region einzuwerben ist schwierig", so Dr. Stefan Krüger, Vorsitzender des Medizinischen Qualitätsnetzes Dithmarschen.

Mit im Boot bei dem Modellprojekt sitzt auch das Westküstenklinikum (WKK). Denn unter einem Praxensterben in Dithmarschen leidet auch das Krankenhaus. Fehlen die Ärzte auf dem Land, gehen die Patienten ins WKK. Damit steigt die Belastung der Klinik-Ärzte und die Möglichkeit zur Spezialisierung. Die Gefahr, dass das Klinikum zu einem „konservativen Gemischtwarenhändler" mit begrenztem Ertragspotential avanciert, ist groß. Die Folge: Patienten weichen auf Kliniken in Hamburg oder Kiel aus, und mit ihnen geht der Region das Budget verloren.

Im Mittelpunkt des von Hildebrandt GesundheitsConsult erarbeiteten Konzepts steht ein Regionalbudget. Geplant war, dass die Gelder, die die Kassenärztliche Vereinigung (KV) für ambulante Leistungen nach Dithmarschen fließen lässt, in der Region selber verwaltet werden. Neben einer gerechten Honorierung gehört zudem auch eine stärkere Kooperation der Ärzte untereinander und auch mit dem Klinikum dazu. „Für viele Ärzte ist dies erschreckendes Neuland", macht Dr. Klaus Bittmann, Mitglied des Vorstands der Ärztegenossenschaft Schleswig-Holstein eG und Verhandlungsführer der niedergelassenen Ärzte, deutlich.

Eineinhalb Jahren wurde hinter den Kulissen diskutiert, verhandelt und an Details gefeilt. „Das ist ein hochsensibler Prozess", so WKK-Geschäftsführer Harald Stender. Und damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Denn die Ängste der niedergelassenen Ärzte gegenüber dem Klinikum als finanzielles Schwergewicht sind groß. Schon jetzt fließen 36 Mio. € jährlich in den ambulanten Bereich - 87 Mio. € erhält das WKK.

Schärfster Kritiker an dem Modellprojekt ist neben der KV, die keine Vorteile in der Honorarverwaltung in der Region sieht, der Praxisverbund Schleswig-Holsteinischer Haus- und Fachärzte. Dr. Thomas Klink, Mitinitiator des 100 Mitglieder starken Verbundes, setzt sich zwar auch für eine Verbesserung der aus seiner Sicht desolaten und ungerechten Honorarsituation und einen Abbau der Überregulierung ein. Durch ein Regionalbudget rückt dieses Ziel für ihn allerdings nicht in greifbare Nähe. Vorbehalte hat er vor allem gegenüber dem WKK, das aus seiner Sicht immer stärker in den ambulanten Bereich vordringt und den Ärzten „das Wasser abgräbt".

Der Wirbel in Dithmarschen ist längst auch in Kiel angekommen. Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg (FDP) orderte alle Beteiligte ins Landeshaus, um mit einem von HGC überarbeitetem Konzept mit dem Titel „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum 2020" wieder Ruhe in die aufgewühlten Fronten zu bringen. Von Regionalbudget spricht jetzt niemand mehr. Und auch die KV ist wieder mit im Boot. Im Wesentlichen geht es bei dem jetzigen Konzept um Optimierungen im Gesundheitsbereich auf allen Ebenen und ein besserer Einsatz der finanziellen Mittel. Gegründet werden soll dafür eine Gesundheitsgesellschaft, in der Ärzte und WKK gleichberechtigt an einem Tisch sitzen und gemeinsam ein Versorgungs- und Kostenmanagement entwickeln, organisieren und steuern. Die dadurch eingesparten Gelder gehen nicht zurück an die Krankenkassen, sondern können in der Region frei verwendet werden. Unter anderem soll es zusätzliche Leistungsvergütungsoptionen und Gestaltungsspielraum geben und verhindert werden, dass Patienten und Ärzte abwandern.

WKK-Geschäftsführer Harald Stender sieht in dem neuen Konzept eine Chance für alle Beteiligten und HGC-Geschäftsführer Magnus Stüve ist überzeugt, damit auf einem guten Weg zu sein. Ins Detail will zurzeit aber noch niemand gehen. Denn die Zukunft des Modells hängt von den Ärzten vor Ort ab. Sicher ist, dass dies nicht auf ungeteilte Begeisterung stößt. Klink deutete bereits an, dass er auch von dem neuen Konzept wenig hält. Sicher ist auch, dass ohne die Zustimmung der Ärzte das Modellprojekt in der Versenkung verschwinden wird.

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