Gesundheitsökonomie

Umweltfreundliche, kompostierbare ­Textilien sind im Kommen

09.07.2019 -

Textilien kommen kaum ohne Chemikalien, Additive und Ausrüstungen aus – und ihre Produktion verbraucht reichlich Energie. Dass es auch anders geht, zeigen Hersteller wie Deco Design Fürus. Es bringt gerade kompostierbare Textilien auf den Markt – unter der Bezeichnung „Ocean Safe“. Ihre Fasern sollen schadstofffrei gefärbt, giftfrei und leicht zu reinigen sein – und dabei keinen Abfall verursachen. Der Hersteller richtet sich dabei nach den strengen Öko-Kriterien des Zertifizierers „Cradle to cradle“. Matthias Erler von medAmbiente sprach darüber mit Geschäftsführer Manuel Schweizer.

Herr Schweizer, Sie haben gerade die neue Textilmarke „­Ocean Safe“ vorgestellt – dabei handelt es sich um kompostierbare Stoffe. Stellen Sie sie uns bitte einmal kurz vor?  

Manuel Schweizer: Ausgangspunkt für diese Entwicklung waren wissenschaftlichen Studien, die zeigen, dass das Mikroplastik in den Weltmeeren in hohem Maße von Textilien herrührt. Neben dem ebenfalls sehr stark zu dieser Verschmutzung beitragenden Abrieb von Reifen besteht es aus Mikroteilen von Fasern, die bei jedem Waschgang ins Wasser gelangen. Aus einer Fleece-Decke kommen beispielsweise beim ersten Waschgang etwa 70.000 Kleinteile heraus. Ein gewisser Anteil davon wird von Kläranlagen abgefangen – sehr viel davon geht aber an ihnen vorbei. In anderen Teilen der Welt entweicht sogar alles davon in die Umwelt. Dort bleiben die Stoffe für mehrere Hundert Jahre. Mich selbst brachte das 1988 auf den Gedanken, mich als Textilfachmann näher damit zu beschäftigen. Ich habe eine Auszeit genommen, ein Masterstudium aufgenommen – mit dem Ziel, zu überlegen, wie man Textilien so herstellen kann, dass sie für den ökologischen Kreislauf kein Problem darstellen.

Was ist so schlimm an normaler Baumwolle zum Beispiel?    

Manuel Schweizer: Bei einem Baumwollhemd denken die wenigsten an dieses Thema. Und doch hat ein solches Hemd bei guter Qualität etwa 40 sogenannter Ausrüstungsgänge hinter sich. Da werden etwa Farbstoffe, UV-Blocker oder Kunstharze als Knitterschutz eingebracht. Und je weicher so ein Hemd ist, desto mehr Ausrüstung war dafür meist erforderlich. Entsorgen Sie so ein Hemd im Wald, kann Ihnen ein Chemiker noch in 500 Jahren sagen, mit welchen synthetischen Stoffen die Baumwolle behandelt wurde, dass die Etiketten mit Blei bedruckt wurden, etc.    

Und bei „Ocean Safe“ vermeiden Sie das?

Manuel Schweizer: Die Idee ist im Grunde ganz einfach: Es werden Bestandteile verwendet, die sich nicht nur zersetzen, sondern die auch abbaubar sind. So entsteht letztlich nichts, was nicht in die Natur gehört. Wir möchten damit einen Paradigmenwechsel anstoßen – und dafür muss man den Konsumenten erreichen. Aber wir müssen nicht den Verbraucher umerziehen, sondern das biologisch abbaubare Produkt muss so gut sein, dass man sich ohne weiteres dafür entscheidet – Textilien müssen also lichtecht sein, um ein Beispiel zu nennen.  

Sie richten sich nach dem Umweltsiegel „Cradle-to-Cradle“ – das ist sehr anspruchsvoll. Was hat Sie dazu bewogen, sich danach zertifizieren zu lassen?

Manuel Schweizer: Ich habe 2014 begonnen, mich genau mit diesem Siegel zu beschäftigen. Damals gab es vielleicht zehn Produkte, die seine Forderungen erfüllen konnten. Heute sind es bereits einige Hundert. Das ist ein deutlicher Trend. Für mich bedeutete das: Wenn ich als Textiler – und nicht als Wissenschaftler – glaube, etwas Gutes produziert zu haben, muss ich das überprüfen lassen. Das Cradle-to-Cradle-Siegel arbeitet mit etwa 40 renommierten Wissenschaftlern zusammen – unter anderem mit Albin Kälin, einem der innovativsten Textiler überhaupt.  

Was sind die wesentlichen Kriterien für Cradle to Cradle?   

Manuel Schweizer: Das Konzept betrachtet jeweils die gesamte Wertschöpfungskette eines Produkts – und ist auf fünf Säulen aufgebaut.: erstens die Materialgesundheit – beim „Gold“-Standard wird verlangt, dass nicht Schädliches ausgedünstet wird, und zwar nicht nur unterhalb eines Grenzwertes, sondern buchstäblich Null. Es reicht nicht, wenn solche Stoffe auswaschbar sind – sie dürfen gar nicht erst eingesetzt werden. Das Zweite ist die Kreislauffähigkeit. Das Material muss wieder zu nutzbaren Stoffen umgewandelt werden können, aus denen wieder Neues hergestellt werden kann. Die dritte Säule ist das Energiemanagement. Das heißt, dass im ganzen Prozess mit erneuerbaren Energien gearbeitet wird – das müssen, je nach Bronze-, Silber-, Gold- oder Platin-Level, mindestens 50 Prozent sein. Wir streben hier den Gold-Standard an. Viertens: Der Wasserhaushalt wird besonders streng ins Auge gefasst. Es dürfen keine Schadstoffe ins Wasser gelangen, wodurch sie ja auch etwa auf die Äcker und also ins Gemüse gelangen könnten. Bei der fünften Säule geht es schließlich um soziale Fairness.  

Sie wenden sich mit Ihren Textilien auch an den Health-Care-Markt. Wo liegen die spezifischen Vorteile solcher Stoffe etwa in Krankenhäusern oder in Seniorenheimen?

Manuel Schweizer: Ich bin überzeugt davon, dass es gerade im Gesundheitswesen einen Trend in Richtung schadstofffreier Textilien gibt – und, dass auch der Gesetzgeber hier gefragt ist. Der Vorteil liegt im Übrigen gerade dort auf der Hand, wo es um Räume geht, in denen man sich längere Zeit aufhalten muss, und in denen es darum geht, wieder gesund zu werden. Wichtig dabei ist, dass die Stoffe die gleichen Kriterien erfüllt, die von anderen Stoffen erwartet werden: Unser Stoff fällt zum Beispiel sehr schön – auch ohne mit Kunstharz ausgerüstet zu sein.

Im Gesundheitswesen sind Fragen der Reinigung und Hygiene wichtig, auch die Zahl der Reinigungszyklen und dergleichen. Wie schlagen sich die Ocean-Safe-Produkte hier?

Manuel Schweizer: Hier muss man zwischen den einzelnen Produkten unterscheiden – z. B. zwischen Vorhängen (die nicht so oft gewaschen werden) und Bettwäsche sowie Frotteeprodukten fürs Bad, Hand- und Badetücher. Sehr wichtig bezüglich Waschbarkeit ist z. B. auch der Duschvorhang. Er ist bei uns z. B. biologisch abbaubar und hat im Test 400 Waschgänge tadellos überstanden. Unsere Bettwäsche haben wir gerade auf der Heimtextilmesse erstmals vorgestellt. Hier sind wir hinsichtlich des industriellen Waschens noch in der Testphase – aber es wird funktionieren. Bestimmte Farben, etwa Schwarz oder intensives Bordeaux sind schwierig – aber bei anderen Farben, zum Beispiel Blau, bekommen wir das sehr gut hin.

Wie sieht es mit Zusatzfunktionen aus, mit denen Stoffe heute verschiedentlich entwickelt werden?

Manuel Schweizer: Man kann ja beispielsweise Silberionen einsetzen – aber dann sind die Textilien eben nicht mehr cradle-to-cradle-zertifizierbar. Was aber kommen wird, sind entsprechend zertifizierbare schwerentflammbare Stoffe, die auch wir im Laufe des Jahres vorstellen werden. Wir kaufen unsere Stoffe übrigens auch zurück: Wir möchten nicht, dass sie einfach in der Verbrennung landen, auch wenn das bei unseren Textilien nicht schädlich wäre. Wir können das Material bei uns industriell kompostieren bzw. wiederverwenden. Eine entsprechende Infrastruktur – ein Pfandsystem, das sich an den Rohstoffpreisen orientiert – ist im Aufbau in den deutschsprachigen Ländern. Dabei werden Fachhändler und Objekteinrichter mit einbezogen. Der Endkunde erhält dafür Gutschriften, die er seinem Händler gegenüber verwenden kann.

Gesundheitseinrichtungen stehen unter starkem Kostendruck. Welche Argumente würden Sie hier in den Vordergrund stellen – und welche Marktchancen rechnen Sie sich hier aus?

Manuel Schweizer: Das ist eine Frage der Zeit und auch der Menge. In der Startphase ist die Verwendung unseres neuen Polymers noch etwas teurer als herkömmliche Textilien. Aber je mehr wir mit unserem neuen Polymer arbeiten, desto günstiger ist das Produkt. Auch die gesetzlichen Vorgaben spielen eine Rolle – hier muss man nicht nur auf die EU warten. In Asien, etwa in Taiwan, stehen bereits Veränderungen vor der Tür.

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