Gesundheitsökonomie

Vortragsabend der Deutschen Apotheker- und Ärztebank: neue Versorgungsformen im Gesundheitswesen

27.08.2011 -

Vortragsabend der Deutschen Apotheker- und Ärztebank: neue Versorgungsformen im Gesundheitswesen. Das deutsche Gesundheitswesen befindet sich in einem dramatischen Strukturwandel, der sowohl politisch induziert ist als auch durch demographische Hypotheken bzw. medizinisch-technologische Innovationen forciert wird. In Kooperation mit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank fand deshalb zum Thema „Neue Versorgungsformen im Gesundheitswesen“ im April ein Vortragsabend an der PVS-Akademie Stuttgart statt.

Im Kontext innovativer Versorgungs- und Vertragsmodelle begleitet die apoBank (Deutsche Ärzte- und Apotheker Bank) unternehmerisch handelnde Heilberufsangehörige mit individuellen Beratungs- und Finanzierungskonzepten. Die PVS-Akademie ist eine Einrichtung der Privatärztlichen Verrechnungsstelle Baden-Württemberg e. V. mit dem Ziel, berufsspezifische Fort- und Weiterbildungen anzubieten. Sie wendet sich mit einem umfangreichen Seminarprogramm an Ärzte, Arzthelferinnen und Verwaltungsmitarbeiter in medizinischen Einrichtungen.

„Neue Versorgungsformen sind ein hochaktuelles und fast schon wieder langweiliges Thema“ bemerkte Prof. Jörg- Michael Kimmig, Vorstandsvorsitzender der PVS-BW, bei der Begrüßung der zahlreichen Gäste in der PVS-Akademie. „Wo bringen uns denn Themen wie ,Gesundheitsfonds‘ oder der ,Basistarif‘ hin, den offensichtlich außer den Politikern keiner wünscht, nicht einmal die Patienten selbst?“

Eine Facette des wachsenden Wettbewerbsdrucks sind die neuen „Gesundheitsgesetze“. Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG 2004) galt mit seinen Neuregelungen (medizinische Versorgungszentren, Anstellung von Ärzten …) schon als „Trendbruchereignis“ medizinischer Leistungserbringung im ambulanten Bereich. Man kann daher die Strukturveränderungen des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG 2007) bzw. des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) ohne Übertreibung als „Revolution“ bezeichnen. Konsequenzen sind u. a. eine Forcierung kooperativer, auch überörtlicher Berufsausübungsmöglichkeiten, eine zunehmende Anstellung von Ärzten in Praxen und ärztlichen Versorgungszentren bzw. ein weiteres Zusammenwachsen von ambulanter und stationärer Versorgung. Weiterhin wird der Übergang zu mehr Integrationsversorgung und zu mehr selektiven Verträgen forciert.

Dipl.-Kfm. Carsten Burchartz, Abteilungsdirektor Gesundheitsmärkte und -politik der apoBank, beleuchtete innovative Versorgungsstrukturen im Lichte neuen Sozial- und Berufsrechtes. Die Strategie des Sozialgesetzgebers, fach– bzw. sektorübergreifende Kooperationsmodelle zu fördern, wird zu einer Diffusion der tradierten Sektorengrenzen führen. Dies wird auch deutlichen Einfluss auf die Prozesse und Struktur der heutigen medizinischen Wertschöpfungskette haben.

Integrative Versorgungs- und Vertragsmodelle werden zunehmend Angebote medizinischer Leistungserbringung organisieren und können somit eine sinnvolle Zukunftsperspektive für medizinische Leistungserbringer sein, um zusätzliche Ertragspotentiale zu erschließen bzw. betriebswirtschaftliche Kosten zu senken.

Aufgrund des prognostizierten Wachstums der gesamten Gesundheitsleistungen in Deutschland – man spricht hier von einem Marktvolumen von aktuell 240 Mrd. € welches bis zum Jahre 2020 auf bis zu 450–500 Mrd. € wachsen wird – bleibt der Gesundheitsmarkt in Deutschland weiterhin attraktiv. Mittelfristig werden sich ein solidarisch finanzierter erster Gesundheitsmarkt, ein zweiter Gesundheitsmarkt für Zusatzversicherungen und ein dritter Markt für Selbstzahler herausbilden. Die Dynamik der Gesundheitswirtschaft wird besonders aus den letzten beiden Märkten resultieren.

Eine überalterte Gesellschaft mit einem multimorbiden Krankheitsspektrum bei gleichzeitig gesteigertem Anspruchsdenken sind weitere große Herausforderungen an das Gesundheitssystem in Deutschland.

Die Gesundheit wird in Deutschland zunehmend als superiores Gut erkannt werden, das mit zunehmendem Einkommen überproportional nachgefragt wird. Bei steigendem Wohlstand folgt daraus, dass die Menschen einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Gesundheit ausgeben – weil ihnen vermehrter materieller Konsum immer weniger Befriedigung verspricht.

Der zweite Teil des Vortrags stand im Zeichen konkreter Modelle für moderne Kooperationsformen im Gesundheitswesen. Andreas Kormann, Prokurist und Projektbetreuer Versorgungsstrukturen und Firmenkunde der apoBank, beleuchtete den Begriff des MVZ (Medizinisches Versorgungs- Zentrum) und das Facharztzentrum aus der Sicht eines Krankenhauses und aus der Sicht der niedergelassenen Heilberufsangehörigen. Das MVZ unter der Trägerschaft eines Klinikums ermöglicht eine sinnvolle Ergänzung des Leistungsspektrums sowie eine optimale prä- und poststationäre Versorgung des Patienten. Das Facharztzentrum als Alternative bietet die Möglichkeit der fachärztlichen Kooperation (auch in unmittelbarer Nähe des Klinikums) ohne zuviel Selbstständigkeit aufzugeben. Die neuen gesetzlichen Möglichkeiten des VändG (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz) schaffen die Voraussetzungen für Heilberufler, andere Ärzte anzustellen, örtliche und überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften zu bilden, oder eine Doppeltätigkeit als Vertragsarzt und angestellter Arzt im Krankenhaus auszuüben.

In der Schlussdiskussion sprach Kimmig noch die Problematik der Ärzte der ländlicheren Regionen, z. B. der Alb, und ebenso den Einstieg bei den Modellen für Personen ab 45 Jahren an. Die Veranstaltung der PVS-Akademie fand reges Interesse und bekam ein positives Feedback – ein Grund mehr, weshalb auch in Zukunft Vortragsabende und Veranstaltungen dieser Art stattfinden werden.

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