Antibiotika-Verbrauch überwachen mit dem SARI-Projekt
30.10.2015 -
SARI ermöglicht den stationseigenen Antibiotika-Verbrauch und die Resistenzentwicklung zu monitoren und hieraus Handlungs-implikationen abzuleiten. Neu ist das web-basierte RKI-AVS.
Aufgrund des seit den 90er Jahren steigenden Verbrauchs an Antibiotika, vor allem mit Breitbandwirkung, und der weltweiten Zunahme bakterieller Resistenzen wird es immer wichtiger, einen Überblick über die Antibiotika-Anwendung und die Resistenzsituation zu erhalten. Das gilt sowohl lokal als auch überregional.
Das SARI-Projekt (SARI = Surveillance der Antibiotika-Anwendung und bakterieller Resistenzen auf Intensivstationen) ermöglicht Intensivstationen in Deutschland seit dem Jahr 2000, den stationseigenen Antibiotika-Verbrauch und die Resistenzentwicklung zu monitoren. Durch die Erstellung von Referenzdaten aus dem Teilnehmerpool ist darüber hinaus ein gewisses Benchmarking möglich. SARI umfasst folgende wichtige Punkte:
◾ Kombination von Antibiotika-Verbrauch und Resistenzsituation auf Stationsebene,
◾ Transparenz durch Veröffentlichung der Referenzdaten,
◾ Vertrauliches Feedback (auf stationsbezogene Daten hat ausschließlich der jeweilige Teilnehmer Zugriff).
Stationsinterne Auseinandersetzung mit der Antibiotika-Verordnungspraxis
Ziel der Verbrauchs-Surveillance ist es, durch den Vergleich mit geeigneten Referenzdaten eine gezieltere Antibiotika-Gabe zu stimulieren. Wichtig ist dabei auch die Betrachtung des zeitlichen Verlaufs.
Aus den Antibiotika-Resistenzdaten werden in SARI zwei verschiedene Maße berechnet:
◾ Die Resistenzraten als Anteil resistenter Erreger an allen nachgewiesenen Erregern einer Spezies sind eine wichtige Basisinformation für die Auswahl der empirischen Therapie. Solche Raten reflektieren aber die Belastung einer Station mit resistenten Erregern nur unzureichend.
◾ Die Resistenzdichte (Anzahl resistenter Erreger pro 1.000 Patiententage) bildet diese gesundheitsökonomisch und gesundheitspolitisch relevante Belastung besser ab und wird daher ergänzend dargestellt.
Verbrauchs- und Resistenzdaten zeigen Handlungsbedarf auf
Die MRSA-Last auf deutschen Intensivstationen nimmt tendenziell ab, die Belastung mit multiresistenten gramnegativen Erregern und Vancomycin-resistenten Enterokokken über die letzten Jahre haben aber deutlich zugenommen.
Die Resistenzsituation direkt auf Stationsebene positiv zu beeinflussen, gestaltet sich mitunter schwierig, da neben dem stationseigenen Antibiotika-Verbrauch auch andere Faktoren wie Transmission und Import von resistenten Erregern eine Rolle spielen.
Surveillance-Daten haben dann einen positiven Einfluss, wenn sie von den Ärzten der Station kritisch und vor dem individuellen Hintergrund der jeweiligen Station interpretiert werden. Sie sollen Diskussionen stimulieren und bisherige Praktiken hinterfragen. Handlungsimplikationen ergeben sich aus der Zusammenschau der Verbrauchs- und Resistenzdaten mit der konkreten Situation vor Ort.
Werden Neuerungen zur Verbesserung der Antibiotika-Anwendung implementiert, können die SARI-Daten zur Verlaufsbeurteilung herangezogen werden.
Web-basiertes Gemeinschaftsprojekt: RKI-AVS
Das SARI-Projekt wurde als ein Pilotprojekt zur freiwilligen Antibiotika-Surveillance in Deutschland bis 2006 vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert. Mit der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes 2011 und der dortigen Festschreibung der verpflichtenden Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance in Krankenhäusern zeichnete sich aber ab, dass die Kapazität dieses Systems mit teilmanueller Dateneingabe zukünftig nicht ausreichen würde. Deshalb wurde durch das Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité die AVS – Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance entwickelt (RKI-AVS), ein elektronisches System, das auf dem SARI-Prinzip der Verbrauchs-Surveillance basiert. Die Routinephase I hat im 4. Quartal 2014 begonnen. Das System ist kostenstellenbezogen und ermöglicht neben der Verbrauchs-Surveillance auf Intensivstationen auch die Erfassung für Normalstationen oder Abteilungen. Unter Anwendung des SARI-Prinzips sind deshalb für die nächsten Jahre durch RKI-AVS bei hoffentlich reger Teilnahme stationärer Einrichtungen noch umfassendere Daten für den Antibiotika-Verbrauch in deutschen Krankenhäusern zu erwarten. Diese bilden einen wichtigen Bestandteil von Konzepten zur Förderung des rationalen Einsatzes von Antibiotika.