Ergebnisse der Sepsis-Forschung
Nachteile gängiger Interventionen
Die Therapie der schweren Sepsis und des septischen Schocks stellt trotz der Verfügbarkeit vielfältiger Behandlungskonzepte nach wie vor weltweit eine große Herausforderungen an die Medizin dar. Neben dem Ziel der Senkung von Morbidität und Sterblichkeit, gibt es einen erheblichen Bedarf an qualitativ hochwertigen klinischen Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit gängiger Interventionen. Die VISEP-Studie des Kompetenznetzes Sepsis leistete hierzu einen wesentlichen Beitrag.
Das seit 2002 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kompetenznetz Sepsis (SepNet) führt im Bereich der Intensivmedizin u.a. große randomisierte Multicenter-Studien zur Evaluierung innovativer oder bisher unzureichend gesicherter Ansätze der Sepsistherapie durch, die nicht primär im Interesse der Industrieforschung liegen. An der Planung, Durchführung und Auswertung dieser Studien ist das ebenfalls vom BMBF initiierte Koordinierungszentrum für Klinischen Studien der Universität Leipzig (KKSL) sowie das Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Universität Leipzig (IMI-SE) beteiligt. Beide Einrichtungen tragen für die Einhaltung der hohen Anforderungen von GCP und AMG die Verantwortung.
Die VISEP-Studie
Das primäre Studienziel der 2x2-armigen VISEP-Studie war zu prüfen, welche Art des Volumenersatzes (Ringerlaktat versus Hydroxyethylstärke HES 200/0.5) und welche Art der Insulintherapie (konventionell versus intensiviert) einen günstigeren Einfluss auf die Organfunktionen und das Überleben von Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock besitzt. Dieses sollte durch die Senkung der 28-Tage Letalität und/oder die Reduktion eines globalen Morbiditätsmaßes (mittlerer SOFA-Score) an zunächst 600 Patienten (1. Phase) nachgewiesen werden. Es handelte sich um ein „faktorielles" Studiendesign, welches die gleichzeitige Untersuchung der zwei genannten Fragestellungen innerhalb einer einzigen Studie gestattete.
Die VISEP-Studie wurde wegen erheblicher Sicherheitsrisiken in beiden Fragestellungen nach der ersten Safety- bzw. Interimanalyse vorzeitig abgebrochen. So war die Rate an schweren Hypoglykämien (≤40 mg/dl; 2,2 mmol/l) unter der intensivierten Insulintherapie mit 17,0% signifikant höher als in der Vergleichsgruppe (4,1%, p<0,001), ohne dass sich relevante Unterschiede in der 28-/90-Tage-Mortalität oder Morbidität (SOFA-Score) ergaben, die eine Fortführung der Studie rechtfertigt hätten.
Ebenso ergaben sich zwischen den beiden Volumenersatztherapien keine Unterschiede in der 28-Tage-Sterblichkeit, jedoch trat in der HES-Gruppe signifikant häufiger ein akutes Nierenversagen auf (34,9% vs. 22,8%, p=0,002). In einer multivariaten Analyse (adjustiert um die Art der Insulintherapie, die kumulative Dosis von Ringerlactat, die initiale Kreatinin-Clearance und den mittleren arteriellen Blutdruck) war die kumulative Dosis von HES signifikant assoziiert mit einer erhöhten Notwendigkeit von Nierenersatzverfahren und mit einer erhöhten 90-Tage-Sterblichkeit. Der Dosis-Wirkungseffekt zeigte sich insbesondere bei Überschreitung der vom Hersteller empfohlenen Tagesdosierung. Allerdings entwickelten auch Patienten in der HES-Gruppe, bei denen die vom Hersteller empfohlene Tagesdosierung eingehalten wurde, signifikant häufiger ein akutes Nierenversagen (30,9% vs. 22,8%; p=0,035) und benötigten signifikant häufiger eine Nierenersatztherapie (25,9% vs. 18,8%; p=0,035).
Die Ergebnisse der VISEP-Studie, die 2008 im New England Journal of Medicine publiziert wurden und seither weltweit starke Beachtung finden, stellen die bisher verbreitete Auffassung in Frage, dass HES 200/0.5 und eine intensivierte Insulintherapie wirksam und sicher sind. Die Studie zeigt bei der Behandlung der schweren Sepsis auch, dass in klinischen Sepsis-Studien ausreichend lange Beobachtungszeiträume nötig sind, da sich der Trend zu einer erhöhten Sterblichkeit durch HES erst innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 90 Tagen manifestierte.
Weitere Studien des SepNet
In der derzeit laufenden „MAXSEP"-Studie wird erstmals randomisiert multizentrisch an 600 Patienten untersucht, ob entweder eine Monotherapie mit dem Breitspektrumantibiotikum Meropenem oder eine Kombinationstherapie mit Meropenem plus Moxifloxacin einen günstigeren Einfluß auf die Organfunktionen bei schwerer Sepsis oder septischem Schock haben. Die kürzlich initiierte „HYPRESS"-Studie ist eine placebokontrollierte, randomisierte, doppelblinde Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit von niedrig dosiertem Hydrocortison zur Verhinderung der Schockentwicklung (380 Patienten, gefördert im Rahmen des BMBF-Programms „Klinische Studien/Systematische Reviews"). Das Kompetenznetz Sepsis wird mit den bald verfügbaren Ergebnissen dieser Studien weiter zur unbedingt notwendigen Verbesserung der Evidenzlage in der Sepsis-Therapie beitragen.
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