Multiresistente Erreger im Krankenhaus: Veranstaltung in Berlin
23.02.2011 -
Multiresistente Erreger im Krankenhaus: Veranstaltung in Berlin. Gefährliche Krankenhausinfektionen kommen in Deutschland häufiger vor als in anderen Ländern: Jährlich infizieren sich etwa 800.000 Menschen in deutschen Krankenhäusern, rund 30.000 Menschen sterben daran. Wie sich die schleichende Ausbreitung verhindern lässt, diskutierte eine interdisziplinäre Expertengruppe im September 2008 in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin auf der Veranstaltung „Multiresistente Erreger im Krankenhaus – Neue Standards für Patientensicherheit“.
Erstmals machten Hygieniker, Mikrobiologen, Pflegende, Qualitätsbeauftragte, Patientenvertreter und Krankenkassen gemeinsam auf das wachsende Problem Krankenhausinfektionen aufmerksam und zeigen Lösungsansätze auf. Aktivitäten zur Verbesserung der Krankenhaushygiene gehen bisher von einigen kleinen Expertengruppen einzelner Fachdisziplinen aus. „Auch wenn wir beim Hygienestandard des einzelnen Krankenhauses ansetzen müssen – letztlich bekommen wir das Problem nur unter Einbeziehung aller Beteiligten in den Griff“, erklärte Axel Kramer, Initiator der Veranstaltung und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Die Experten fordern, dass zur Infektionsvermeidung interdisziplinär klare Standards entwickelt und bestehende Richtlinien von den Krankenhäusern umgesetzt werden. Zudem müssten die Einrichtungen ihr Hygienereglement aufeinander abstimmen. Gesundheitspolitiker auf Landesebene seien dazu aufgerufen, für einen einheitlichen und wirkungsvollen Rechtsrahmen zu sorgen.
Screening im Praxistest
Kramer gab am Beispiel Methicillinresistenter Staphylokokkus aureus (MRSA) Infektionen Einblicke in die standardisierte Vorgehensweise am Universitätsklinikum Greifswald. MRSAInfektionen gehören nicht nur in Kliniken zu den vorrangigen hygienischen Problemen, sondern auch in der ambulanten Versorgung und in Heimen. Infizierten sich in Deutschland 1990 nur knapp 4.000 Menschen mit MRSA, sind es heute jährlich 16.000. Das Klinikum Greifswald habe auf diese bedrohliche Entwicklung reagiert, so Kramer. Seit 2007 werden dort alle Risikopatienten bei Aufnahme auf MRSAErreger getestet. Als Risikopatienten gelten in Greifswald z. B. Patienten, die bereits eine MRSA Infektion durchgemacht haben und Personen, die Kontakt zu einem Infizierten angeben. Aber auch bei Verlegungen aus Risikoeinrichtungen wie Heimen, oder bei chronisch Bettlägerigen werde ein MRSAScreening durchgeführt. Erst bei einem negativen Testergebnis komme der Patient aus der prophylaktischen Schutzisolierung. Dies sei meist nach spätestens sechs Stunden der Fall: „Wer nicht nachgewiesen negativ getestet ist, ist für uns positiv“, sagte Kramer. Bis das Konzept stand und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den neuen Standards überzeugt waren, vergingen lediglich drei Monate. Bei rund sieben Prozent aller Getesteten in den Greifswalder UniKliniken lässt sich MRSA nachweisen. „Das zeigt, dass wir mit unserer Identifizierung der Risiko-Gruppe richtig liegen“, stellte Kramer fest.
Hygiene im OP
Auch am Unfallkrankenhaus Berlin werden Risikopatienten seit dem Frühjahr routinemäßig auf MRSA getestet. „Man kann einen Gegner nur bekämpfen, wenn man ihn kennt“, erklärte Chirurg Peter Heumann. Bisher sind 10.000 Screening- Untersuchungen gelaufen, jede zehnte erbrachte ein positives Ergebnis. Das gesamte Personal im Unfallkrankenhaus, von den Servicekräften bis zu den Operateuren, kennt mittlerweile die besondere Vorgehensweise bei septischen Patienten. Absolute Keimfreiheit in einem Krankenhaus werde es dennoch nicht geben, so Heumann. Wenn aber jeder, einschließlich des aufgeklärten Patienten, die Standards einhalte, ließe sich eine Ausbreitung der Keime verhindern.
Bei Infektionen: Antibiotika
„Nosokomiale Infektionen müssen mit Antibiotika behandelt werden“, stellte Heinrich Konrad Geiss vom Röhn Klinikum in Bad Neustadt/Saale klar. Als nosokomial werden alle Infektionen bezeichnet, die mit einem Krankenhausaufenthalt in Verbindung stehen. So knapp und klar die Therapie- empfehlung auch ist, sie kommt zunehmend an ihre Grenzen: „Wir haben es in den knapp 100 Jahren seit es Antibiotika gibt, geschafft, dass wir im Krankenhaus wieder gegen Erreger kämpfen, gegen die wir kein Antibiotikum mehr haben“. Die Ursachen für die rasanten Resistenzentwicklungen seien vielfältig. Geiss prangerte in diesem Zusammenhang vor allem den häufigen und ungerichteten Einsatz von Antibiotika an: Es gebe mehr als genug Beweise dafür, dass man durch Antibiotikagabe irgendeine Resistenz hervorrufe. Er plädierte daher für einen verantwortlichen Umgang mit den Substanzen. Im Gegensatz zur vielfach noch gängigen Lehrmeinung bestehe die Kunst darin, das Medikament so schnell wie möglich wieder abzusetzen. Auf den Punkt gebracht heißt das: Weniger, gezielter und kürzer. „Am besten ist natürlich, wenn eine Infektion erst gar nicht auftritt“, so Geiss. Standardisierte Hygienemaßnahmen seien für die Prävention entscheidend.