Trinkwassersystem: Desinfektion und Korrosion
28.12.2011 -
Trinkwassersystem: Desinfektion und Korrosion. Alle Bauteile, Apparate und Werkstoffe, die bestimmungsgemäß mit Trinkwasser in Berührung kommen, müssen so beschaffen sein, dass weder eine Gefährdung noch eine unzulässige Beeinträchtigung des Trinkwassers erfolgen kann. Diese Forderung gilt selbstverständlich auch für alle Maßnahmen zum Aufbau einer Desinfektionskapazität auf Basis von freiem Chlor oder Chlordioxid nach § 5 Abs. 4 TrinkwV, können diese doch die Wasserzusammensetzung verändern und so die Korrosionswahrscheinlichkeit für metallische Werkstoffe erhöhen.
Generell ist „Korrosion“ wertneutral zu betrachten. Beispielsweise ist eine Flächenkorrosion als Reaktion von Wasserinhaltsstoffen (z.B. der Karbonathärte) sogar erwünscht: Es bilden sich schützende Deckschichten auf der Metallwand aus, die einen weiteren Angriff auf das Metall verhindern. Negativ wird die Korrosion allerdings, wenn die Reaktion allein örtlich ablaufen würde (z.B. Bildung von Lokalelementen). Die Zusammenhänge der verschiedenen Einflüsse auf den jeweiligen Werkstoff sind in der DIN EN 12 502 Teil 1 bis 5 sowie der DIN 50 930 Teil 6 und DIN 1988 Teil 7 beschrieben und als anerkannte Regeln der Technik seit Jahren bekannt. Ein besonderes Augenmerk muss auf die mögliche Veränderung der Wasserzusammensetzung durch den Aufbau einer Desinfektionskapazität auf Basis von freiem Chlor oder Chlordioxid nach § 5 Abs. 4 TrinkwV gerichtet werden, da diese Maßnahme vor allem auch korrosionschemische Parameter wesentlich verändert und so die Korrosionswahrscheinlichkeit für metallische Werkstoffe erhöhen kann.
Einsatz von Chlor-Verfahren
Die Reaktionen des Kochsalzes an der Anode werden zur Erzeugung von freiem Chlor bzw. der desinfektionswirksameren hypochlorigen Säure eingesetzt. Das „Anodenprodukt“ wird mengenproportional und konzentrationsgesteuert dosiert. Hintergrund dazu: Eine einmalige Dosierung von z.B. 0,3 mg/l freiem Chlor in Warmwasser (Temperaturen 55 bis 60 °C) unterschreitet infolge des thermisch begünstigten Zerfalls und der thermisch beschleunigten weiteren chlorzehrenden Prozesse die Konzentrationsbereiche nach Abschluss der Aufbereitung sehr schnell. Anodenreaktionen erzeugen neben freiem Chlor auch Säure und haben je nach „Ausbeute“ noch einen messbaren Kochsalzanteil, der einen Chloridanstieg im behandelten Trinkwasser verursacht. Vor allem Warmwassersysteme mit einer konzentrationsgesteuerten Chlordosierung werden in Phasen geringer Nutzung sehr stark belastet: In zehn überprüften Systemen wurden Chloridwerterhöhungen von 40 bis 800 mg/l nachgewiesen! Die aus der Schwimmbadtechnik entliehene Mess- und Regeltechnik (für den pHWert und das freie Chlor) bedarf einer professionellen Bedienung und konsequenten Betreuung, sonst kommt es zu einer Dauerdosierung einer 0,5 bis 2prozentig sauren Kochsalzlösung. Bekanntermaßen ist der pH-Wert des zu desinfizierenden Wassers beim Einsatz von Chlor der entscheidende Parameter für die Desinfektionswirksamkeit – aber auch zugleich für die Bildung von Desinfektionsnebenprodukten (siehe DVGWArbeitsblatt W 296).
Untersuchungen haben gezeigt, dass das zu desinfizierende Wasser je nach pH-Wert in seiner korrosionschemischen Zusammensetzung wesentlich verändert wird (Tabelle 1). Nach DIN EN 12 502 sind für die Beurteilung der Korrosionswahrscheinlichkeit der Einfluss des pHWertes und der Chloridgehalte vor allem im Warmwasser besonders beachtenswert. Die TrinkwV schreibt in der Anlage 3 (zu §7), dass das Wasser nicht korrosiv wirken sollte. Der pH-Wert ist für die Werkstoffe Kupfer und verzinkte Eisenwerkstoffe ein wichtiger Parameter. Geänderte Chloridgehalte beeinflussen die Korrosionswahrscheinlichkeit verzinkter Eisenwerkstoffe (siehe Korrosionsquotient S1 DIN EN 12 502-3) und sollte selbst bei Edelstählen nicht unberücksichtigt bleiben. Nach DIN EN 12 502 Teil 4 erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Lochkorrosion
- mit ansteigender Temperatur
- mit zunehmendem Gehalt des Wassers an Chlorid-Ionen und
- bei hohem Redoxpotential.
Es ist bekannt, dass die Korrosion durch Lochfraß oberhalb einer bestimmten kritischen Temperatur merklich zunimmt. Diese kritische Temperatur ist bei den molybdänhaltigen Edelstahlsorten höher als bei den molybdänfreien. Die kritische Temperatur einer 3 n Natriumchloridlösung liegt für den 1.4301 Stahl bei 55 °C, für den 1.4571 Stahl dagegen bei etwas mehr als 70 °C. In diesem Zusammenhang sollten auch diese Erfahrungswerte aus dem Jahr 1994 bewertet werden: Eine Klinik wurde mit Wasser beliefert, dessen Chlorid-Wert die Vorgaben der Trinkwasserverordnung überschritt – es wurden Chloridgehalte von teilweise über 400 mg/l gemessen. Schon nach wenigen Monaten zeigten sich erhebliche Korrosionsschäden. Die Einspeisung des chloridhaltigen Wassers wurde 1995 umgestellt. In der Zustandsbeschreibung der Wasserinstallation im Jahre 2003 wurde festgehalten, dass die Rohre innenseitig kaum, die Verbindungen jedoch sehr stark geschädigt sind. Mehr als zwei Drittel der Verbindungen im Pressfitting-Bereich waren durch lokale Korrosion vorgeschädigt (50 % der untersuchten Verbindungen wiesen außenseitig Merkmale eines geringen Wasseraustritts auf). Insbesondere durch Einflüsse oder Ablagerungen, z.B. eingepresste Rost- oder Staubteilchen aus der Verarbeitung, kann es zu örtlicher Korrosion kommen. Lochfraß wird im Wesentlichen durch Halogen-Ionen, vor allem Chlorid-Ionen im Wasser, verursacht. Die Rohrleitungen mussten ausgetauscht werden.
Nutzung eines Chlordioxid- Verfahrens
Hier werden nur die nach DVGW W 624 genannten Verfahren betrachtet. Vor allem das Chlorit-/Säure-Verfahren, das in der Praxis aus 1 l Säurelösung und 1 l Natriumchloritlösung Chlordioxid erzeugt, wurde auf pH-Wert- bzw. Chlorid-Veränderungen des zu desinfizierenden Wassers untersucht. Da aus diesen Lösungen „just in time“ eine Chlordioxidmenge von 40 bis 45 g erzeugt wird, die für die Behandlung von 100 bis 225 m³ Wasser bei einer Konzentration von 0,4 bzw. 0,2 mg/l Chlordioxid ausreicht, waren die Ergebnisse interessant:
- eine pH-Wert-Veränderung des zu desinfizierenden Wassers lässt sich innerhalb der Messgenauigkeit nicht feststellen
- der Chloridwert steigt selbst bei einer maximalen Dosierung von 0,4 mg/l Chlordioxid nicht über 1 mg/l
- die Karbonathärte verringert sich bei 0,2 bis 0,4 mg/l Chlordioxid um 0,03 bis 0,1°dH.
Eine Weiterentwicklung der BWT Wassertechnik GmbH („Reaxan-Verfahren“) bietet die Möglichkeit, für Kupfer- und verzinkte Eisenwerkstoffe eine integrierte Konditionierung (Säure: „Antikorr“) von ortho- Phosphaten einzusetzen, die bei Anwesenheit von Härtebildnern als kathodische Inhibitoren wirken. Die Kupfer- bzw. Eisenabgabe an das Trinkwasser kann so nachhaltig reduziert werden.
Fazit
Basis für die Auswahl einer Desinfektionsmaßnahme muss eine umfangreiche Rohwasser- und Kontrollanalytik sein. Vor allem auf die „Korrosivität“ zum eingesetzten Werkstoff ist zu achten.