Hygiene

Umwelthygiene als wichtige Präventionsmaßnahme in Jemen

27.10.2015 -

Trotz schwierigster wirtschaftlicher und sicherheitsrelevanter Bedingungen gilt es, vor Ort Konzepte für die Vermeidung von Infektionsausbrüchen zu entwickeln.

Jemen gehört mittlerweile zu den ärmsten Ländern der Welt. Durch Krieg und Unruhen ist das Gesundheitssystem in weiten Teilen des Landes nicht mehr ausreichend funktionsfähig. Während Infektionskrankheiten, wie die Leishmaniose, die jahrelang erfolgreich durch entsprechende Präventions- und Hygienemaßnahmen zurückgedrängt werden konnten, zeigt der nachfolgend beschriebene Ausbruch in Dorfregionen nahe Aden, dass selbst in dem ehemals reicheren und höher entwickelten Süden die Kontrollstrategien zur Verhinderung einer erneuten Ausbreitung nicht mehr ausreichen.

Seit Jahren ist die Leishmaniose wieder in erschreckendem Maße unter der armen Landbevölkerung verbreitet. Die Diagnostik ist aufwendig, Medikamente sind schwer zu bekommen oder sehr teuer, was zu einer vermehrten Inanspruchnahme traditioneller Heilmethoden führt.

Die WHO stellt kostenlos Medikamente zur Verfügung. Eine flächendeckende Verteilung durch das Gesundheitsministerium ist allerdings schwierig und unzureichend, da weder Geld noch entsprechende Logistik vorhanden ist – Unruhen und Kämpfe machen die Versorgung oft unmöglich. Die einzelnen jemenitischen Nicht-Regierungs-Organisationen erstellen im Auftrag der WHO Statistiken über die Anzahl der Patienten und die Therapieerfolge, dafür werden ihnen über das Gesundheitsministerium Medikamente der WHO zur Verfügung gestellt.

Umwelthygiene als wichtige Präventionsmaßnahme

Zur Verhinderung der Leishmaniose sind vor allem Aufklärung der Bevölkerung und Präventionsmaßnahmen wichtig. Hierzu zählen Mückenschutz (Repellents, Mückennetze) wie auch die Beseitigung von stehenden Wasserstellen und die korrekte Entsorgung von Müll, z. B. durch Verbrennung. Die lokalen Mitarbeiter des Gesundheitssystems benötigen ausreichend Schulungen und Informationen, wie die Verbreitung der Sandmücken zu unterbinden oder zumindest zu verringern ist. Ebenfalls müssten die Reservoire eingedämmt werden. Dazu ist es notwendig, auch Brutstätten zu finden, die bis jetzt nicht im Fokus standen.

Die Leishmaniose ist eine durch einzellige Parasiten der Gattung Leishmania verursachte Infektionskrankheit, die durch den Stich von Sandmücken übertragen wird. Als erstes klinisches Symptom bildet sich eine nicht abheilende ulzeröse Wunde von bis zu mehreren Zentimetern Durchmesser um die Einstichstelle herum. Nach einigen Monaten kann die Wunde, meist mit einer Narbe, spontan abheilen. Einige Stämme des Parasiten lösen aber die muco-cutane Form der Krankheit aus, die zu schmerzhaften destruktiven Läsionen der Lippen- und Nasenschleimhäute führt, oder die viszerale Form der Leishmaniose, die innere Organe angreift und unbehandelt tödlich verläuft. Durch die unsachgemäße Nutzung traditioneller Heilmethoden oder durch das Ausbrennen der Läsionen entstehen oft auch Narben.

Sicherstellung einer Gesundheitsinfrastruktur

Aufgrund der extrem schlechten Sicherheitslage und dem Zusammenbrechen der Gesundheitsstruktur im Süden von Jemen hat sich ein größerer Ausbruch von Leishmaniose ereignet, der so schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurde. 2013 und 2014 erreichte die Anzahl der Neuerkrankungen, vor allem bei Kindern in der Nähe von Aden, weit über 60%–70 % in einzelnen Dorfgemeinschaften. Das Gesundheitsministerium hat in Zusammenarbeit mit den lokalen Nicht-Regierungs-Organisationen sowie der lokalen WHO Daten erhoben, die zur Darstellung zur Verfügung gestellt wurden.

Das schnelle Eingreifen lokaler NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen und die lokalen Mitarbeiter der WHO) zeigen in den Daten aus Sanaa und aus Aden sowie Al Mukallah, dass eine erfolgreiche Eindämmung und Verminderung der Symptome erreicht werden kann, aber dass es an weiteren Strategien fehlt. Die Probleme der Präventionsstrategien ergeben die Notwendigkeit neuer Wege und Strategien in Zusammenarbeit mit allen Akteuren.

Schulung zu Prävention und Therapie

Im August 2014 habe ich mit Frau Dr. Luitgard Wiest, Fachärztin für Dermatologie und ästhetische Chirurgie aus München, den Jemen bereist, um mit den dortigen Dermatologen und anderen Fachärzten betroffene Patienten zu untersuchen, die Kollegen zu beraten und eine Fachkonferenz zu organisieren und im Rahmen dieser entsprechende Fachvorträge zu Prävention und Therapie abzuhalten.

Mit Hilfe des Gesundheitsministeriums, den Mitarbeitern der WHO und mehrerer lokaler, regional operierender NGOs haben wir über die Presse einen großen Teil der Bevölkerung erreicht und konnten über diesen Weg aufklären. Vielen Menschen war weder die Problematik noch die Verschlechterung der Situation bekannt. Im Fernsehen, Radio und in verschiedenen Zeitungen wurde über die Prävention, die Gefahren und die kostenlose Diagnostik und Therapie aufgeklärt.

Die WHO stellt für die sog. Neglected Tropical Diseases (NTDs), zu der auch die Leishmaniose zählt, kostenlos Medikamente über die Bill Gates Stiftung zur Verfügung. Leider werden teilweise die teuren Medikamente aus dem Ausland den Patienten für viel Geld angeboten oder die Wirkung der Medikamente verneint. Auch wenn die Medikamente kostenlos ausgegeben werden, sind doch Untersuchung und teure Diagnostik von vielen Patienten nicht bezahlbar.

Kommunikationskanäle breit nutzen

Wir konnten in gemeinsamer Diskussion mit den Fachexperten verschiedenster Akteure im Jemen vor Ort die Notwendigkeit neuer und die Stärkung bekannter und bewährter Strategien gegenüberstellen und gemeinsam Konzepte entwickeln. Für die Menschen, die lesen können, wurden Flyer erarbeitet, die auf Arabisch und mit vielen Piktogrammen und Bildern versehen sind. Diese wurden verteilt und in Krankenhäusern, Gesundheitseinrichtungen und Arztpraxen ausgelegt.

Bei der Reise zu den betroffenen Gebieten wurden uns verschiedene Strategien vorgestellt und entsprechende Daten zur Analyse vorgelegt. Vor allem die Daten zu den Ausbrüchen 2013 und 2014 zeigen eindrücklich, wie weitreichend die Folgen dieser Infektionskrankheit in den Dörfern sind und wie nötig es ist, die Bevölkerung aufzuklären.

Die Autofahrten in die Dörfer und Städte waren aufgrund der schlechten Sicherheitslage riskant und gefährlich. Mit der lokalen Presse und einem Kamerateam des nationalen Fernsehens war eine Aufklärungsfahrt im nördlichen Teil des Landes geplant. Doch jede Straßensperre hat uns und unsere Papiere skeptisch kontrolliert. Leider wurden wir 20 km vor dem vereinbarten Krankenhaus von einem Militärposten aufgehalten und nach Stunden wieder nach Sanaa zurückgeschickt. Die Weiterfahrt wurde uns aus Sicherheitsgründen aufgrund starker Kämpfe in der Zielregion verwehrt. Über 100 Patienten– die teilweise zwei Tage unterwegs gewesen waren – warteten nun vergeblich auf unsere kostenlose Untersuchung, Diagnostik und Therapie.

Strategien und Konzepte entwickeln

Es gilt für die Zukunft weitere Strategien zu entwickeln und Unterstützung jeglicher Form zu generieren, um diese Erkrankung weitgehend auszurotten. Dabei ist vor allem der Kontext einer Gesundheitsinfrastruktur unter schwierigsten wirtschaftlichen und sicherheitsrelevanten Bedingungen zu berücksichtigen und die Selbstverwaltung in die volle Verantwortung vor Ort zu geben, da Reisen für Ausländer und auch für dortigen Mitarbeiter gefährlich und anstrengend sind.

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