Medizinische Forschung: Die Chancen der Digitalisierung für Patientenversorgung und Wissenschaftsstandort nutzen
26.09.2019 -
Politischer Abend aus Anlass des 20-jährigen Bestehens der TMF e. V.: Medizinforscher werben für die Digitalwende im Gesundheitssystem.
Die TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (kurz: TMF) lud am Dienstag, den 24. September 2019, zu einem Politischen Abend in das Microsoft Atrium Unter den Linden ein. Anlass war das zwanzigste Jubiläum der Gründung der TMF als Dachorganisation der medizinischen Verbundforschung. Gäste aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft folgten der Einladung und steckten unter dem Leitmotiv „Roadmap Medizinforschung - Chancen für Patientenversorgung und Forschungsstandort nutzen!“ den Weg zu einem lernenden Gesundheitssystem der Zukunft ab. Auffallend dabei: der enge Schulterschluss zwischen öffentlicher und industrieller Medizinforschung.
Plattform für Technologie- und Methodenentwicklung stärkt Wissenschaftsstandort Deutschland
TMF-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Michael Krawczak, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein – Campus Kiel, begrüßte die Gäste aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zum Jubiläumsabend im Herzen des Berliner Regierungsviertels: „Wissenschaftlicher Fortschritt lebt vom Wettbewerb der Ideen und Kompetenzen. Umso wichtiger ist es, die Notwendigkeit von Abstimmung und Konsens dort im Auge zu behalten, wo die Zusammenarbeit mit anderen zur zwingenden Voraussetzung für das Gelingen des eigenen Projektes ist.“ Die TMF biete hierzu Forscherinnen und Forschern eine Plattform, auf der sie Bedarfe gemeinsam identifizieren, Lösungen entwickeln und nachhaltig umsetzen können.
Den Beitrag der TMF zu einer effizienten medizinischen Spitzenforschung in Deutschland betonte auch Prof. Dr. Britta Siegmund von der Charité-Universitätsmedizin Berlin: „Passgenaue Infrastrukturen sind dauerhaft ein kritischer Erfolgsfaktor für die medizinische Forschung. Das wirksame Angebot der TMF und der damit verbundene Know-How-Transfer unterstützen die medizinische Verbundforschung in herausragender Weise“, erklärte die neugewählte Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Dass eine solche Plattform zwei Jahrzehnte ununterbrochen bestehe und sich dabei ständig weiterentwickelt habe, stelle in der nationalen und internationalen Forschungslandschaft eine besondere Ausnahme dar.
Lernendes Gesundheitssystem verknüpft Forschung und Patientenversorgung
In seiner Keynote unterstrich Dr. Klaus Mittelbach, Vorsitzender der Geschäftsführung des Zentralverbandes Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI), die Bedeutung des Netzwerkgedankens: „Es geht bei der Digitalisierung nicht darum, einzelne technische Werkzeuge isoliert einzusetzen, sondern diese vernetzt für eine individualisierte Gesundheitsversorgung zu nutzen.“ Dazu gehöre auch, dass medizinische Forschung neue Prozesse in der Versorgung ermögliche und die Daten aus diesen Prozessen wiederum Basis für weitere medizinische Forschungen seien. „Hierbei ist eine gemeinsame Roadmap der Medizinforschung ein wichtiger Schritt, um die Zukunft für den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland gut zu gestalten“, so Dr. Mittelbach weiter.
Dr. Ulrike Haus, Medical Director Novartis Oncology, betonte die Bedeutung von Kooperation und Zusammenarbeit für den medizinischen Fortschritt. So könnten die Verknüpfung medizinischer Register und die Nutzbarmachung von „Real-World-Data“ aus der Versorgung wesentlich dazu beitragen, Krankheiten besser zu verstehen und maßgeschneiderte Therapien zum optimalen Zeitpunkt zu beginnen. Um diesen Datenschatz zu heben, bedürfe es einer ressortübergreifenden Innovations- und Forschungspolitik aus einem Guss.
Roadmap Gesundheitsforschung: Datenverfügbarkeit im Fokus
In einer vom Tagesspiegel-Chefredakteur für Gesundheit Ingo Bach moderierten Gesprächsrunde ging es anschließend um die konkreten Schritte, um das in der gemeinsamen High-Tech-Strategie und dem Rahmenplan Gesundheitsforschung formulierte Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2025 den medizinischen Fortschritt schneller zu den Menschen zu bringen, zu erreichen.
Dr. Siegfried Throm , Geschäftsführer Forschung, Entwicklung, Innovation beim Verband forschender Arzneimittelhersteller e. V. wies auf das große Potenzial einer personalisierten Therapie etwa in der Krebsmedizin hin. Entscheidende Voraussetzung hierfür wie auch für das Training von Anwendungen „künstlicher Intelligenz“ ist aus Sicht der Panelteilnehmer die Verfügbarkeit geeigneter Datengrundlagen aus der Routineversorgung für Forschungszwecke. Dr. Michael Meyer von Siemens Healthineers Deutschland erklärte, internationale Standards und strukturierte Daten seien vorwettbewerbliche Grundlagen für den medizinischen Fortschritt, zu denen alle Akteure gleichermaßen beitragen müssten. Von der Verfügbarkeit qualitätsgesicherter Daten profitiere dabei auch die Krankenversorgung ganz unmittelbar durch ein Mehr an Effizienz und Patientensicherheit, so Prof. Dr. Andrew Ullmann, MdB und Obmann der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss.
TMF-Vorstand Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, MPH von der Universitätsmedizin Greifswald betonte mit Blick auf die Frage der Datensicherheit das zu Recht hohe Schutzniveau der pseudonymisierten Daten in der Gesundheitsforschung. Das abstrakte Risiko eines Datenmissbrauchs müsse gegenüber den gravierenden Gesundheitsgefahren durch eine unzureichende Datenverfügbarkeit sorgsam abgewogen werden. Eine Führungsrolle der Politik auf dem Weg zu einer forschungskompatiblen elektronischen Patientenakte mahnte Tino Sorge, MdB und Berichterstatter der CDU/CSU für Digitales im Gesundheitsausschuss, an. Es gelte mehr Geschwindigkeit aufzunehmen und bestehende Hemmnisse etwa im Datenschutz auszuräumen. Prof. Dr. Martin Gersch vom Department für Wirtschaftsinformatik der Freien Universität Berlin, wies auf die in der Struktur des deutschen Gesundheitssystems angelegten Innovationshemmnisse hin. Umso wichtiger seien Strukturen wie die TMF, die Akteure miteinander in den Austausch und den fachlichen Dialog bringen. Es bedürfe solcher Netzwerke, um Sektor übergreifend Fortschritt zu organisieren.
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