IT & Kommunikation

RIS: Ist ein Stand-alone-System noch zeitgemäß?

26.01.2012 -

RIS stirbt aus, davon ist Michael Strüter, Geschäftsführer und Vertriebsleitung Agfa Healthcare IT D-A-CH, im Interview mit M&K überzeugt. Aber nur stand-alone. Das „neue" RIS wird eine Domäne des KIS.

M & K: Was würden Sie als die größte Baustelle im RIS-Umfeld bezeichnen?

Michael Strüter: Im Wesentlichen gibt es meiner Meinung nach drei:

  1. Die MPPS (Modality Performed Procedure Step)-Anbindung der Modalitäten, die zum großen Teil sehr vom definierten Standard abweicht.
  2. Der fehlende Standard im Bereich bidirektionaler Anbindung (Synchronisation) zwischen RIS und PACS unterschiedlicher Hersteller sowie der sinnvollen Integration fremder Web-Viewer in die elektronische Patientenakte. Dies führt zu herstellerspezifischen Lösungen.
  3. Im teleradiologischen Workflow fehlen die Möglichkeiten, radiologische Befunde einfach und sicher auszutauschen. Es fehlt die Grundlage eines einheitlichen MPIs oder einer deutschlandweiten elektronischen Gesundheitsakte.

Braucht es überhaupt noch ein RIS, oder können diese Aufgaben PACS und KIS übernehmen?

Michael Strüter: Da u.a. die gesetzlichen Vorgaben der Leistungsdokumentation (RöV) in der Radiologie sehr komplex sind und zudem der radiologische Workflow von anderen Funktionsbereichen extrem abweicht, sollte der Begriff „RIS" beibehalten werden.

Allerdings sehen wir das RIS als eine Funktion/Domäne des KIS an. Es stellt sich daher die Frage, ob ein sog. Stand-alone-RIS eines unterschiedlichen Herstellers zum KIS innerhalb eines Krankenhauses noch sinnvoll bzw. zeitgemäß ist? Dies ist aufgrund der komplexen Schnittstellenthematik zwischen KIS und RIS unterschiedlicher Hersteller und der sich daraus, z.B. unter Prozess- und Workflow-Gesichtspunkten ergebenen, eklatanten Nachteile eindeutig zu verneinen.

Wohin entwickelt sich aus Ihrer Sicht der RIS-Markt?

Michael Strüter: Es wird vermehrt eine tiefe Integration in ein bestehendes KIS gefordert, um notwendige Prozesse abzubilden. Da hier die gängigen Standards definitiv nicht ausreichend sind, wird sich der RIS-Markt zu einem KIS/RIS-Markt wandeln. Insbesondere in Krankenhäusern, welche eine radiologische Abteilung selbst betreiben, wird es in den nächsten Jahren vermehrt zu Ablösungen der über Schnittstellen zum KIS angebundenen Stand-alone-RIS kommen. Die Zukunft gehört klar und eindeutig KIS/RIS-Lösungen aus der Hand eines Herstellers, welcher allerdings in der Lage sein muss, die in der Radiologie benötigten Funktionen abzudecken. Die Flexibilität des Systems muss es erlauben, vom verteilten Klinikverbund, über universitäre Einrichtungen auch die vermeintlich einfacheren mittelgroßen und kleinen Krankenhäuser in der geforderten und notwendigen funktionalen Tiefe abzudecken.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die Gründe, weshalb Kliniken sich für ein neues RIS entscheiden?

Michael Strüter: Die Gründe liegen meistens darin, die Vorteile einer schnittstellenfreien Integration zwischen KIS und RIS nutzen zu wollen. Keine sinnvolle elektronische Anforderung, keine übergreifende Termin- und Ressourcenplanung, Doppelhaltungen von Patientendaten und Arztbriefen, kein Prozesskostenrechnung und vieles mehr sind die Nachteile einer sog. „Best of breed"- oder Stand-alone-RIS-Lösung, also wenn z. B. KIS und RIS von von unterschiedlichen Anbietern stammen. Im D-A-CH-Markt wird zunehmend erkannt, dass KIS und RIS aus einer Hand kommen müssen.

Welche Funktionen eines RIS können andere Systeme noch nicht ersetzen?

Michael Strüter: Einige Beispiele hierfür sind:

  • Dokumentation aller RöV-relevanten Daten,
  • Bereitstellung einer DICOM-Worklist,
  • Übernahme der Belichtungsparameter über DICOM MPPS sowie
  • PACS-Integration (Kontextserver, Demolisten etc.).

Allein diese in der Radiologie benötigten komplexen Grundfunktionen scheinen in der Vergangenheit die Hersteller von z.B. reinen Praxis-Informationssystemen abgeschreckt zu haben. Nicht anders ist es zu erklären, warum diese Hersteller so gut wie nicht in radiologischen Einrichtungen bestimmter Größenordnungen zu finden sind.

Welchen Einfluss hat die Entwicklung zu mobilen Lösungen und klinikübergreifendem Datenaustausch auf die Entwicklung von RIS?

Michael Strüter: Durch die papierlose Stationsvisite mittels Tablet PC, iPad oder Ähnlichem wird es immer wichtiger, radiologische Befunde und Bilder in digitaler Form kurzfristig in elektronischen Patientenakten zur Verfügung zu stellen. Außerdem stellt der zunehmende Anteil mobiler Lösungen den Anspruch, immer und überall auf die Befunde eines Patienten zugreifen zu können, um ggf. eine schnelle Therapie einzuleiten. Auch hier ist die Abbildung des komplexen radiologischen Workflows extrem wichtig, um eine reibungslosen Ablauf sicherzustellen und dadurch die medizinische Versorgung der Patienten zu verbessern. Die Einführung von sog. Portalen für niedergelassene Praxen und andere Krankenhäuser gewinnt zudem einen immer größeren Stellenwert für eine lückenlose Patientenversorgung in radiologischen Zentren. Auf diese Entwicklungen muss man bereits heute die Produkte ausgerichtet haben.

Welche offenen Standards unterstützt das ORBIS RIS von Agfa Healthcare, in welchen Bereichen werden herstellerspezifische Standards verwendet und warum?

Michael Strüter: Offene Standards/Initiativen: IHE, HL7, DICOM MPPS, WADO.

Agfa-Healthcare-spezifische: Kontextserver, ORBIS-Integration, Anbindung von Business Intelligence-Lösungen. Hier muss aufgrund fehlender Standards auf eine herstellerspezifische Lösung zurückgegriffen werden.

Wo sind Ihrer Meinung nach die größten Hürden bei der Integration von RIS und PACS?

Michael Strüter: Hier ist die bidirektionale Integration zwischen RIS und PACS unterschiedlicher Hersteller sowie die notwendige Synchronität der Bewegungsdaten zu nennen. Mangels Standards werden auch hier integrierte RIS/PACS-Lösungen eines Herstellers den Vorzug erhalten. Ferner ist eine weitere Hürde die sinnvollen Integration des Web-Viewers in die elektronische Patientenakte des KIS. Auch hierbei zeigt sich, dass integrierte KIS/RIS/PACS-Lösungen eines Herstellers zu Vorteilen und Mehrwerten führen.

Wie lassen sich diese Hürden überwinden?

Michael Strüter: Diese Hürden lassen sich nur schwer überwinden. Es fehlt an sinnvollen Standards für das Fine-tuning, die den radiologischen Workflow und insbesondere den klinikweiten Workflow vollständig abbilden. Auch ist PACS nicht die Domäne der Radiologie, sondern eine Lösung, welche den gesamten klinischen Workflow, sprich jede bildgebende Fachabteilung betrifft. Heutige Systeme müssen nicht nur spezielle Funktionen für die Radiologie zur Verfügung stellen, sondern ebenso alle anderen Fachabteilungen eines Krankenhauses oder einer Klinik in den Fokus einbeziehen.

Eine weitere Hürde betrifft die Archivthematik eines PACS. Sollen z.B. alle radiologischen, kardiologischen, endoskopischen etc. Bilddaten innerhalb eines einzigen Archivs abgelegt werden? Wenn ja, wer verwaltet dieses Datenvolumen künftig?

Michael Strüter: Hier zeigt sich heute bereits der Trend zu entsprechenden Betreiberleistungen, welche unter dem Stichwort ‚Managed Services‘ oder ASP-Dienstleistungen (Application Service Providing) angeboten werden.

Wo grenzt sich das RIS von Agfa HealthCare von den Wettbewerbern ab?

Michael Strüter:

  1. Tiefe, schnittstellenfreie Integration in das ORBIS KIS (Befundkommunikation, übergreifendeTerminplanung, direktes Viewing der Laborwerte etc.).
  2. Unterstützung bei der Ausbildung von Fachärzten, ohne die eigentliche Befundfreigabe zu verzögern (Kontrolllistenfunktion).
  3. Demolistenfunktion inkl. komplexer Regelwerke, um ein automatisches Befüllen der Demolisten zu gewährleisten.
  4. Tief integrierte Demolistenfunktion mit direktem Zugriff auf die elektronische Krankengeschichte eines Patienten.
  5. Bidirektionale Anbindung von ORBIS RIS an unser IMPAX PACS.
  6. Möglichkeit, kundenspezifische Formulare zu erstellen.
  7. Eigene Business-Intelligence-Lösungen.

 

 

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