IT & Kommunikation

Virtuelle Meetings überwinden räumliche Grenzen

Video- und Webkonferenzen bringen Mediziner zusammen

11.10.2010 -

„Mittlerweile sind die Krankenhäuser gegenüber dieser Technologie sehr offen", berichtet Jörn Stock vom Deutschen Herzzentrum Berlin, wenn er auf das Thema Video- und Webkonferenzen angesprochen wird. Er war bereits in mehrere entsprechende Projekte in verschiedenen Kliniken involviert und ist Mitglied in der Arbeitsgruppe Viktas (Videokonferenztechnologien und ihre Anwendungsszenarien) der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation (DINI). Vor allem sind Video- und Webkonferenzen laut Stock interessant, um Kommunikation zu ermöglichen, die sonst über persönliche Treffen abläuft. Mediziner müssen sich etwa für Besprechungen mit Kollegen aus anderen Kliniken nicht mehr auf die Reise machen, sondern können diese vom Arbeitsplatz oder Konferenzraum im eigenen Haus erledigen. Das Krankenhaus spart sich die Kosten für die Dienstreise. Außerdem hält sich der Ausfall an Arbeitszeit für die Meetings in Grenzen.

Video- und Webkonferenzen kommen daher vor allem bei Sitzungen von räumlich getrennten Mitarbeitern, Abteilungen oder Arbeitsgruppen zum Einsatz. Die Vorteile sind dabei nicht immer nur ökonomischer Natur. Es gibt Projekte, in denen Video- oder Webkonferenzen spontane Fallbesprechungen ermöglichen, um die schnelle Behandlung von Patienten zu unterstützen. So arbeitet z. B. das Universitätsklinikum Heidelberg mit anderen Krankenhäusern in der Umgebung per Videokonferenz zusammen.

Die Technologie kommt zum Einsatz, wenn der Transport eines Schlaganfallpatienten aus zeitlichen oder anderen Gründen aus den umliegenden Kliniken in die Heidelberger Neurologie nicht möglich ist. Dann werten die dortigen Spezialisten die Computertomografie-Bilder des Patienten online aus und unterstützen ihre Kollegen per Konferenzschaltung bei Diagnose und Behandlung. Ein ähnliches Projekt hat auch das Klinikum Braunschweig gestartet. Video- und Webkonferenzen ermöglichen es somit, Experten in eine Besprechung mit einzubeziehen, die sonst in kurzer Zeit und ohne großen Aufwand nicht verfügbar wären.

Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Lehre. Stock berichtet etwa von Online-Live-Übertragungen aus dem Operationssaal für Seminare, Kolloquien oder Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen. Hier ist vor allem die Live-Atmosphäre ein Plus gegenüber den sonst üblichen Filmaufzeichnungen.

Häufig bevorzugen die Krankenhäuser den Einsatz von klassischen Videokonferenzen im Vergleich zu Webkonferenzen. Gemeint sind damit Systeme mit speziellen Monitoren und Konferenzanlagen von Anbietern wie etwa Tandberg, Polycom oder Lifesize. Für ein Krankenhaus stellt eine solche Lösung allerdings keine unerhebliche Investition dar. So kostet ein kleineres System mit zwei Bildschirmen und einer Konferenzanlage bereits einen deutlichen fünfstelligen Betrag. Hinzukommen können noch bauliche Maßnahmen, um zum Beispiel die akustischen Eigenschaften des jeweiligen Raums an die Video-Sitzungen anzupassen.

Webkonferenzen, wie sie zum Beispiel Webex, Netviewer oder Vivicom zur Verfügung stellen, haben demgegenüber einen Preisvorteil. Grundvoraussetzung sind hier lediglich ein Internetzugang am Arbeitsplatz-PC sowie eine Webcam und ein Headset.

Doch nach Meinung von Stock gibt es einige Gründe, die im Klinikbereich für Videolösungen sprechen. So sei die Audio- und Videoqualität der klassischen Systeme häufig besser als die von Webkonferenzen. Stock berichtet von Fällen, in denen aufgrund akustischer Probleme parallel zu den Web-Meetings noch Telefonkonferenzen aufgesetzt werden.

Zudem kann die mangelnde Interoperabilität der Webkonferenzlösungen Probleme bereiten. Denn nur Nutzer des gleichen Systems können miteinander kommunizieren. Krankenhäuser, welche mit den Lösungen verschiedener Anbieter arbeiten, können also gar kein gemeinsames Online-Meeting aufbauen.

Anders bei klassischen Videositzungen: Dort findet die Kommunikation auf Basis standardisierter Protokolle statt. Da die gängigen Hersteller diese Standards unterstützen, können die Konferenzteilnehmer die Lösungen unterschiedlicher Anbieter nutzen und trotzdem miteinander in Kontakt treten.

Stock weist zudem darauf hin, dass auch die Umsetzung von Webkonferenzen mit Aufwand verbunden sein kann - auch wenn dies auf dem ersten Blick nicht so erscheint. So seien etwa für die Erstinstallation der entsprechenden Software häufig Administratorrechte nötig.

Letztlich muss auch das Thema Datenschutz beachtet werden - gerade für Krankenhäuser ist dies ein besonders sensibler Punkt. Bei vielen Webkonferenzlösungen durchlaufen die ausgetauschten Daten den Server des Anbieters im Internet - also unter Umständen auch außerhalb Deutschlands. Dabei lässt sich für die Anwender kaum kontrollieren, ob mit den personenbezogenen Informationen in der nötigen Art und Weise umgegangen wird. Es gibt jedoch Hersteller, die deshalb eine klassische Client-Server-Lösung bereitstellen, bei der die Daten innerhalb des Hauses bleiben.

Auf der anderen Seite bieten Webkonferenzen zusätzliche Funktionen, die für die Kommunikation zwischen den Teilnehmern durchaus hilfreich sein können - wie zum Beispiel Chat, Whiteboards oder Desktop- und Application-Sharing. Mithilfe der beiden letztgenannten Funktionen kann ein Anwender einem anderen Konferenzteilnehmer die Sicht beziehungsweise den Zugriff auf die eigenen Desktopapplikationen erlauben. Das ermöglicht unter anderem auch das Anzeigen von Bilddaten aus einem PACS (Picture Archiving and Communication System) in einer laufenden Konferenz. Für Sitzungen, in denen Desktop- sowie Application-Sharing eine große Rolle spielt, werden daher Webkonferenzsysteme häufig verwendet. So gibt es einige aktuelle Projekte im Klinikbereich, in denen auch Webkonferenzsysteme zum Einsatz kommen.

Krankenhäusern, die mit Video- oder Webkonferenzen arbeiten möchten, empfiehlt Stock, zunächst in eine kleine preisgünstige Lösung zu investieren. So könnten die Mitarbeiter sich mit der Technologie vertraut machen und den Einsatz von Online-Meetings sukzessive ausbauen. 

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