Digitale Pathologie: Arbeitsprozesse optimieren und rationalisieren
13.10.2011 -
Digitale Pathologie kann unmittelbar ineffektive Strukturen eines bestehenden Workflows beseitigen bzw. neue effizientere Prozesse für den bestehenden Workflow ermöglichen, die mit Objektträgern nicht möglich waren. Diese Strukturen müssen individuell identifiziert und schrittweise verbessert werden.
Beispiel Tumorkonferenz, Vorbereitung und Durchführung: Tumorkonferenzen erfordern die Zusammenarbeit zwischen Ärzten verschiedener Fachrichtungen, um einen interdisziplinären Konsens unter Berücksichtigung von Diagnosestellung und Therapieentscheidung eines Patienten herzustellen. Derzeit sind die Vorbereitung und Durchführung von Tumorkonferenzen insbesondere für Pathologen zeitaufwendig und beschwerlich. Sie binden zeitliche und personelle Ressourcen.
Das Suchen und Zusammenstellen von Befunden und Objektträgern für typische Konferenzfälle nimmt in der Regel mehrere Stunden pro Woche in Anspruch. Ebenso die Aufbereitung durch den Pathologen, z.B. die fotografische Dokumentation wichtiger histologischer Gewebestrukturen, die in den Tumorkonferenzen vorgestellt werden sollen.
Die digitale Pathologie kann diesen Prozess erheblich rationalisieren und die Effizienz der Vorbereitung und Durchführung von Tumorboards erhöhen. Ein digitales Pathologiesystem mit seinen gescannten, und deshalb unmittelbar auffind- und verwendbaren Bildern und Daten senkt die Vorbereitungszeit drastisch und ist im hohen Maße flexibel.
Digitalisierte Objektträger verbesserten die Präsentation selbst, indem sie eine qualitativ hochwertige Visualisierung bieten. Verwendet man die in manchen Systemen integrierten Konferenzfunktionen, können Ärzte von außerhalb teilnehmen, bzw. interdisziplinäre Konferenzen effektiv vom jeweiligen Arbeitsplatz der Teilnehmer aus durchgeführt werden, wobei alle Teilnehmer in der Lage sind, das gesamte Bildmaterial zu sehen.
Der Weg der Entwicklung
Basis aller Anwendungen ist die Digitalisierung des Objektträgers. Dass sich die digitale Pathologie durchsetzen wird, erscheint offensichtlich. Fraglich sind jedoch der Weg und die Geschwindigkeit ihrer Realisierung. Derzeit nutzen bereits viele pathologische Einrichtungen und Forschungsorganisationen weltweit Systeme der digitalen Pathologie bei ihrer Arbeit. Ausdruck der wachsenden Einsatzmöglichkeiten der digitalen Pathologie ist derzeit die wachsende Zahl bekannter und großer Vertreiber Systemen der digitalen Pathologie im Bereich der Medizintechnik. Der Druck des Angebots an die Pathologen erhöht sich. Generell bieten die Systeme die Digitalisierung der Objektträger und die Bildverwaltung an. Derzeit wird auch an der Bilderkennung gearbeitet.
Die ersten Anwender dieser Technologie waren häufig in der Arzneimittelforschung oder der präklinischen Entwicklung von Bio-Arzneimitteln tätig, wo mithilfe der automatisierten Bildanalyse, die mit den digitalisierten Objektträgern durchgeführt wurde, die Studienzyklen der Arzneimittel von Monaten auf Wochen oder Tage reduziert werden konnten, was sich daher als rentable Investition entpuppte. Diese Verkürzung der Studienzyklen und die resultierenden Einsparungen rechtfertigten leicht die Anschaffung und Betriebsausgaben dieser Systeme.
Der Nachweis und die Quantifizierung eines klaren Return on Investment in der Patientenversorgung ist schwerer zu erfassen. Was rechtfertigt die Ausgaben für diese Systeme, wo doch das Mikroskop ein unglaublich effektives Instrument ist und ein Pathologe präparierte Gewebeproben auf einem Glas-Objektträger schnell, geschickt und sicher begutachten und befunden kann, gegebenenfalls schneller als einen gescannten digitalisierten Objektträger auf dem Bildschirm?
Was sind die Hemmnisse in der Anwendung?
Zum einen wird die digitale Pathologie behindert durch die übliche Fokussierung (sowohl seitens der Verkäufer als auch der potentiellen Nutzer) auf Gerät, Merkmale und Funktion, z.B. wie schnell arbeitet ein Scanner, wie viele Objektträger scannt er pro Zeiteinheit, ob die Bild-Management-Software webbasiert ist etc. Auch wenn es wichtig ist, dass ein System der digitalen Pathologie digitalisierte Objektträger-Bilder von sehr hoher Qualität und mit hoher Geschwindigkeit erstellt, schaffen diese Merkmale nicht von sich aus einen Wert für das Pathologische Institut. Das Ergebnis einer solchen Betrachtung können Tausende ausgezeichnete Scans sein. Von entscheidenderer Bedeutung ist jedoch, was mit den digitalisierten Objektträgern gemacht wird.
Zum anderen spielt auch die falsche Auffassung eine negative Rolle, dass eine Anschaffung in der digitalen Pathologie nur im Falle einer vollständigen Verwendung aller möglichen Funktionen dieser Systeme sinnvoll sei - d.h., wenn der klassische Mikroskop-basierte Workflow komplett durch die Verwendung von gescannten Objektträgern ersetzt wird - auch bei der Primärdiagnose. Einige Einrichtungen der Gesundheitsversorgung wie in Kalmar (Schweden), haben sich für diesen Weg entschieden und sich darauf festgelegt, einen alternativen Workflow zu entwickeln und die Möglichkeiten, die diese Systeme bieten, einzubinden. Aber für den Arbeitsablauf in der Pathologie bleibt zunächst das Mikroskop ein äußerst effektives Werkzeug. Es kann zudem verschiedene Verfahren durchführen wie die Polarisation. Dazu kommt, dass beim aktuellen Scanvermögen selbst der besten Scanner Dutzende von Maschinen erforderlich wären, um die für die Primärdiagnostik erforderliche Menge Bilder zu scannen. Unter diesen Bedingungen ist ein vollständiger Umstieg auf die digitale Pathologie heute wahrscheinlich nicht sinnvoll.
Wie können diese Systeme heutzutage eine Wertschöpfung für das Pathologische Institut darstellen, und warum könnte man dennoch die Investition in ein digitales Pathologiesystem in Betracht ziehen?
Das Beispiel der Tumorkonferenzen zeigt, dass es gilt, ganz individuell in den einzelnen Einrichtungen Nutzungsmöglichkeiten zu identifizieren, die vorhandene Ineffektivitäten beseitigen. Das mag in jeder Einrichtung unterschiedlich sein. Die Frage ist, an welcher Stelle des Arbeitsablaufes die digitale Pathologie welche Effizienzreserven heben kann, die mit Glas-Objektträgern nicht möglich wären.
Der logischste aktuelle Weg für die Einführung dieser Technik ist die schritt- und phasenweise Einführung von spezifischen Anwendungen, die durch die fortgeschrittene digitale Pathologiesoftware ermöglicht werden.
Das mag der Einsatz bei Tumorkonferenzen sein, die Einholung und das Geben von Zweitmeinungen, spezielle Archivierungs- und Verwaltungsanforderungen von Präparaten, die Erhöhung der Sicherheit bestehender Prozesse, die Reduktion von Fehlern. Auch die Umsetzung von Qualitätssicherungs- und Managementprozessen für Akkreditierungen und Zertifizierungen gehört dazu.
Die uns freundlicherweise von aperio zur Verfügung gestellte Abbildung zeigt einen typischen Workflow der analogen Pathologie im Labor - von der Herstellung des Gewebepräparats bis zur Diagnose. Die hellblauen Kreise stellen die Punkte im typischen Workflow dar, bei denen eine spezifische Anwendung der digitalen Pathologie eine positive Auswirkung haben kann.
Ein augenfälliges Beispiel für diesen möglichen Effekt ist die enorme Verbesserung des Workflows, wenn die digitale Pathologie zur Vereinfachung von Konsultationen verwendet wird. In dieser Situation möchte sich ein Pathologe mit einem weiteren Experten beraten - zum Beispiel in einer Universitätsklinik oder einen Lehrkrankenhaus oder auf Veranlassung eines Patienten, der eine Zweitbegutachtung wünscht. Für diesen Fall muss bisher ein oder mehrere Glasobjektträger verpackt und an den Konsiliarius versandt, ausgepackt und zugänglich gemacht und dann mikroskopiert werden. Der daraufhin erstellte Bericht wird zusammen mit den wieder eingepackten Objektträgern zurückgeschickt. Im Gegensatz dazu können digitalisierte Fälle innerhalb von Minuten genauso einfach wie eine E-Mail verschickt werden, was die Rücklaufzeit der Einholung einer Zweitmeinung erheblich reduziert. Nutznießer dieses Verfahrens ist der Patient.
In diesem Beispiel kann die digitale Pathologie für die externe Konsultation durch die Verwendung einer leistungsstarken Software für die Zusammenarbeit Versandkosten, Fahrzeit und Kosten für Nachschnitte einsparen. Es besteht keine Gefahr, dass versandte Objektträger nicht zurückgeschickt werden bzw. beim Versand beschädigt werden. Der Konsiliarius und der überweisende Pathologe können den Fall zusammen im Rahmen eines fachlichen Austausches begutachten. Eine Einbeziehung weiterer Experten oder eine Diskussion zwischen mehreren Pathologen ist kurzfristig möglich.
Nicht jede Anwendungsmöglichkeit der digitalen Pathologen hat einen Nutzen für jedes Pathologische Institut. Einige mögen interessierter an der Verbesserung des QS-Prozesses sein oder an effizienteren intra-operative Abstimmungen, während andere den Schwerpunkt z.B. auf Tumorkonferenzen oder Langzeitarchivierungen legen. Auch für Qualitätszirkel eignet sich die digitale Pathologie, sowohl in der QM-geeigneten Dokumentation der Sitzung und ihrer Ergebnisse als auch ggf. durch Einsparung weiter Wege zur gemeinsamen Beurteilung.
Gute Systemanbieter in diesem Bereich sollten nicht nur über technische Details beraten, sondern vor allem die geeigneten Anwendungen gemeinsam mit ihren Kunden identifizieren können, die den größtmöglich Nutzen aus der Anwendung bieten, abgestimmt auf den individuellen Bedarf.
Die Einführung spezieller Workflow-Anwendungen für digitale Pathologie sollte vor allem zu einer messbaren Zeitersparnis führen. Hoch qualifizierte Ärzte und gut ausgebildetes technisches Personal sollten sich ihren Kernaufgaben widmen können und nicht mit administrativen und bürokratischen Tätigkeiten blockiert werden. Es sollte sich mindestens mittelbar ein klares und positives Einsparpotential belegen lassen, das dann wiederum einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung entgegenkommt.
Vorrangiges Einsatzziel der digitalen Pathologie muss die Verbesserung der Patientenversorgung sein. Darüber hinaus sollte durch sie auch die Ökonomie bestehender Prozesse verbessert werden.
Jedes zusätzlich hinzukommende Einsatzfeld digitaler Pathologie verbessert die „Rendite" der eingesetzten Finanzmittel. Und die Einsatzfelder werden sich mehren, weil die Akzeptanz und das Bewusstsein für die Möglichkeiten solcher Systeme wachsen.