Labor & Diagnostik

Oxidativer Stress als Biomarker des Alterns?

Anwesenheit von oxidativem Stress treibt den Alterungsprozess voran

25.03.2010 -

Der alternde menschliche Organismus ist während seiner gesamten Lebenszeit Sauerstoff ausgesetzt und damit einem Phänomen, das als oxidativer Stress bezeichnet wird. Durch oxidativen Stress induzierte metabolische Veränderungen können durch spezifische Biomarker quantifiziert werden. Inwieweit diese Biomarker des oxidativen Stresses auch gleichzeitig Biomarker des Alterns sind, ist noch unklar und wird zurzeit intensiv geprüft.

Altern -Definition und Ursachen

Die (mittlere/mediane) biologische Lebensspanne hat sich evolutionsbedingt mit der Entwicklung des modernen Menschen erhöht. Dies zeigt sich in den Industriestaaten an der steigenden Lebenserwartung. Das Ausleben der biologisch gegebenen Altersspanne hat zur Konsequenz, dass immer mehr Menschen biologisch-funktional an die oberen Grenzen des menschlichen Lebens stoßen.

Auf biologischer Ebene kann das Altern als eine allmähliche und mit der Zeit progressiv verlaufende Abnahme der funktionellen Kapazität und der Stressresistenz definiert werden. Daneben ist Altern heute nicht mehr primär nur ein biologischer Prozess, sondern hat häufig auch eine soziale Komponente. Auf molekularer Ebene stehen die dem Altern zugrundeliegenden Mechanismen erst am Anfang der Aufklärung. Dennoch gibt es eindeutige Hinweise, dass der Alterungsprozess beim einzelnen Vertreter einer Spezies unterschiedlich schnell voranschreiten kann. Das bedeutet aber auch, dass sich das tatsächliche (biologische) Alter vom kalendarischen Alter unterscheiden kann.

Die individuelle genetische Veranlagung scheint ein wichtiger Grund für diese Heterogenität zu sein. Dafür sprechen Untersuchungen mit verschiedenen biologischen Modellsystemen, bei denen Mutanten isoliert wurden, die entweder eine längere oder kürzere Lebensdauer als Wildtypen aufweisen. Auch beim Mensch sind mehrere seltene vererbbare Einzel-Gen-Krankheiten bekannt, die sich durch einen frühen Ausbruch typischer Altersveränderungen und vorzeitigen Todesfällen kennzeichnen (sog. Progeroid-Syndrome). Andererseits gilt es als wahrscheinlich, dass Langlebigkeit bei Menschen und der Phänotyp des „gesunden Alterns" eine vererbliche, polygene Komponente haben. Dennoch wird geschätzt, dass genetische Variationen nur für maximal ein Drittel der Variabilität der Lebenszeit verantwortlich sind. In einer Vielzahl von Modellsystemen wurde experimentell demonstriert, dass der Einfluss von Umweltfaktoren, inklusive der Ernährung, von größter Bedeutung ist.

Bislang gibt es keine Möglichkeit, das „biologische" Alter einer Person zu bestimmen. Am Menschen messbare Indikatoren des Alterns, sog. Biomarker des Alterns, könnten aber eine Lösung bieten. Mit diesen Markern würde es möglich sein, das biologische Alter eines Menschen zu bestimmen, d.h. die Entstehung altersbedingter Erkrankungen und die verbleibende Lebenszeit eines Individuums besser vorhersagen zu können als über das kalendarische Alter. Bei Personen, bei denen altersbedingte Erkrankungen früher auftreten als normal, bestände damit in Zukunft die Möglichkeit, das Auftreten dieser zu verzögern bzw. im Idealfall sogar zu verhindern.

Oxidativer Stress und Biomarker zur Quantifizierung

Grundvoraussetzung für die Existenz des Menschen ist der Sauerstoff. Dieser kann aber auch in Form von reaktiven Sauerstoffspezies Oxidationsprozesse in den Zellen induzieren, durch die es in ihrer Folge zu Zellschäden bzw. im Extremfall auch zum Absterben der Zelle kommt. Reaktive Sauerstoffspezies entstehen kontinuierlich aufgrund aerober Stoffwechselvorgänge und körpereigener Abwehrprozesse, aber auch durch exogene Noxen. Übersteigt die Produktion von Oxidanzien die antioxidative Kapazität des Organismus, spricht man von oxidativem Stress. Zielmoleküle von reaktiven Sauerstoffverbindungen bzw. Oxidationsreaktionen können alle biologischen Makromoleküle sein. Diese werden dabei modifiziert, und ihre Funktionalität kann beeinträchtigt werden. Häufig kommt es über komplexe radikalische Mechanismen zu Folgereaktionen, bei denen weitere zellschädigende Metaboliten gebildet werden. Die direkten als auch die sekundären Metaboliten dieser Reaktionen können als spezifische Biomarker für oxidativen Stress dienen.
Aus Sicht der heutigen Forschung kann angenommen werden, dass die permanente Anwesenheit von oxidativem Stress den Alterungsprozess vorantreibt. Es wurde deshalb postuliert, dass Marker für oxidativen Stress gleichzeitig Biomarker für den Alterungsprozess sind. Im Folgenden sollen einige etablierte

Biomarker des oxidativen Stresses vorgestellt werden.

Lipidperoxidation:
Als spezifische Produkte der Lipidperoxidation gelten F2-Isoprostane, da sie weder endogen synthetisiert werden können, noch beeinflusst die Fettzusammensetzung der Nahrung die Bildung. Sie entstehen über eine radikalkatalysierte Oxidation von Arachidonsäure. Quantitativ bedeutsam sind außerdem Cholesterol-Oxidationsprodukte (z.B. 7ß-Hydroxycholesterol, 7-Ketocholesterol), die bei verschiedenen Krankheitsbildern in erhöhten Konzentrationen nachweisbar sind bzw. mit einem erhöhten Risiko für Krankheiten einhergehen. Eine dritte Gruppe bedeutender Biomarker der Lipidperoxidation sind Aldehyde, die als Abbauprodukte aus radikalischen Folgereaktionen mit Lipiden hervorgehen können. Aufgrund ihrer klinischen Relevanz sind die Verbindungen Malondialdehyd und 4-Hydroxynonenal besonders hervorzuheben.

DNA-Oxidation:
Die Reaktion eines DNA-Bestandteiles mit reaktiven Sauerstoffspezies kann zu einer Vielzahl von DNA-Modifikationen führen, wie z.B. Basenmodifikationen, Einzel- und Doppelstrangbrüchen und Quervernetzungen mit Proteinen. Aufgrund ihrer relativen Häufigkeit und einer erwiesenen prämutagenen Wirkung ist die oxidierte Guanosinbase 8-Hydroxy-2-deoxyguanosin (8-oxodG) die bedeutendste, oxidative Modifikation der DNA. Die fortwährende Entstehung von 8-oxodG und die Reparatur dieser führen zu einem charakteristischen Gleichgewichtsspiegel in der Zelle (siehe Abb. 2).

Proteinoxidation:
Bei Proteinen gibt es aufgrund ihrer leichten Zugänglichkeit für oxidative Modifikationen ein breites Spektrum von Oxidationsprodukten. In biologischen Systemen ist die Bestimmung von Proteincarbonylen die gängigste Methode zur Erfassung oxidativer Proteinmodifikationen. Daneben sind verschiedene analytische und massenspektrometrische Methoden zur Analyse von modifizierten Aminosäuren etabliert.

Antioxidative Systeme: Da die Abnahme von antioxidativ wirksamen Substanzen bzw. Enzymsystemen eine weitere mögliche Folge (oder Ursache) von oxiativem Stress ist, kann das Ausmaß von oxidativem Stress auch über die Bestimmung dieser bzw. für die Antioxidantienabwehr essenzieller Mineralstoffe erfasst werden. Hier steht eine Vielzahl von etablierten Analysemethoden zur Verfügung.

Quantitative Bewertung des Alterns bei einem Individuum: Das Konzept der Biomarker des Alterns

Hinweise, dass oxidativer Stress eine Bedeutung im Alterungsprozess hat, gibt es schon lange. In den 60er Jahren postulierte Denham Harman die Theorie des Alterns durch freie Radikale (Free Radical Theory of Aging), wobei er davon ausging, dass der Alterungsprozess auf den Auswirkungen von freien Radikalen beruht. In einer Vielzahl von Untersuchungen in den darauffolgenden Jahrzehnten konnte eine erhöhte Radikalproduktion in alternden biologischen Systemen als auch eine altersbedingte Anhäufung von Oxidationsprodukten nachgewiesen werden. Es ist aber momentan nicht klar, ob diese Anhäufung das Ergebnis vermehrter Entstehung oder verminderten antioxidativen Schutzes ist.

Durch die Einbeziehung verschiedener Marker für oxidativen Stress besteht die Chance, das biologische Alter, trotz seiner Komplexität und in seiner biologischen Vielgestaltigkeit, zukünftig bestimmen zu können. Ein solches multifaktorielles Messsystem soll beispielsweise in der aktuell laufenden europaweiten Studie MARK-AGE angewandt werden. Auf der Suche nach aussagekräftigen Markern für das biologische Alter werden bei 3.700 Personen im Alter von 35-75 Jahren bekannte und neuartige Parameter aus den Bereichen Biochemie und Molekularbiologie, aber auch soziale und psychologische Faktoren erhoben (www.mark-age.eu).

 

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