Early Health: Dr. Susanne Michel und Rudolf Beyenburg im Interview
06.11.2011 -
Early Health: Dr. Susanne Michel und Rudolf Beyenburg im Interview. Das „Early Health“-Modell beschreibt eine Vision, Krankheiten frühzeitig zu erkennen, zuverlässig zu diagnostizieren und damit vielen Menschen die Möglichkeit zu bieten, ihr Leben voll auszuschöpfen. Diese Idee lässt sich allerdings nur dann verwirklichen, wenn Präventivmaßnahmen umgesetzt werden, die sinnvoll und gleichzeitig finanzierbar sind.
Ulrike Hoffrichter sprach mit Dr. Susanne Michel, Associate Director, Total Healthcare Solutions (THS) und Rudolf Beyenburg, Mitglied der Geschäftsleitung von GE Healthcare, über dieses spannende Thema. Dr. Michel führte im Jahr 2007 im Auftrag von GE Healthcare, die Umfrage „Early Health – Investition in unsere gesundheitliche Zukunft oder nur Kostenfaktor?“ durch.
Management & Krankenhaus: Bitte beschreiben Sie kurz die Studie.
Susanne Michel: Die Studienfragen wurden mit Entscheidungsträgern der Gesundheitspolitik in verschiedenen europäischen Ländern diskutiert. Dies waren entweder Gesundheitspolitiker, Staatssekretäre in Gesundheitsministerien, Leiter Nationaler Institutionen im Gesundheitswesen, ‚Think Tanks‘ in der Gesundheitspolitik oder auch Leiter akademischer Zentren. Ziel war es, Meinungen und Eindrücke zusammenzutragen inwieweit in den einzelnen Ländern Investitionen in die Gesundheit als Priorität in der Gesundheitspolitik gelten und ob Gesundheit als Faktor für Investitionen gesehen wird. Durchgeführt wurde diese Studie im Auftrag von GE Healthcare.
Ziel der Studie war es, über den derzeitigen Tellerrand hinauszuschauen und zu sehen inwieweit die Gesundheit und deren Erhaltung ein Schwerpunkt ist in der Politik und inwiefern dies die Budgetplanungen öffentlicher Haushalte, sei es im Gesundheitsministerium oder in anderen öffentlichen Trägern, beeinflusst.
Die Repräsentativität ergibt sich nicht aus der Anzahl der Befragten, eher aus dem Profil der Befragten. Ziel war es daher nicht eine Meinung über eine möglichst große Anzahl von Befragten zu bekommen, sondern Eindrücke und Tendenzen von denjenigen zu erhalten, die Gesundheitspolitik beeinflussen und leiten. Demzufolge war der Studienablauf darauf fokussiert Politikmodelle kennenzulernen und Hindernisse in deren Umsetzung mit den Befragten zu diskutieren.
Management & Krankenhaus: Wie lauten die wichtigsten Inhalte des Modells „Early Health“ von GEHealthcare?
Rudolf Beyenburg: Das Modell „Early Health“ stützt sich auf die Vorhersage, Früherkennung und Prävention von Erkrankungen. Um die Patientenversorgung grundlegend zu verändern, setzt GE Healthcare dabei auf das Zusammenwirken von Biowissenschaften, Diagnostik und Digitalisierung. Das wachsende Wissen um das menschliche Genom und die körperliche Chemie sowie die Entwicklung hochtechnologischer diagnostischer Bildgebungsverfahren versetzt uns bei einigen Krankheitsbildern schon heute in die Lage, Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen, um sie in einem frühen Stadium behandeln zu können. Langfristig wird es aber auch möglich sein, Krankheiten bereits vor Auftreten eines Symptoms vorherzusagen und zu vermeiden. Dabei spielen neue Vorhersage- und Früherkennungstechnologien eine wichtige Rolle. Insbesondere die Molekulardiagnostik eröffnet völlig neue Perspektiven. Beispielsweise können modernste Generationen von nicht-invasiven molekularen Bildgebungswerkzeugen Veranlagungen zu bestimmten Krankheiten erkennen.
Statt wie bisher 70 bis 80 % der vorhandenen Ressourcen im Gesundheitswesen in die Behandlung fortgeschrittener Krankheiten zu investieren, führt eine „Early-Health“- Medizin dauerhaft zu einer besseren und kostengünstigeren medizinischen Versorgung. Ziel ist es nicht nur, länger zu leben, sondern auch im Alter eine hohe Lebensqualität zu haben.
Management & Krankenhaus: Bei Krankheiten wie Schlaganfall oder Herzerkrankungen, deren Ursachen seit Jahren bekannt sind, haben bisherige Präventivmaßnahmen nicht ausreichenden Erfolg. Was könnte das Konzept „Early Health“ ändern?
Rudolf Beyenburg: Bei GE Healthcare liegt ein Schwerpunkt der Forschungstätigkeit auf Herz-Kreislauferkrankungen. Immerhin sind kardiologische Erkrankungen Todesursache Nr. 1. Unsere Entwicklungen, aber auch die universitärer Forschungseinrichtungen belegen, dass die frühzeitige Entdeckung von Herzerkrankungen die Chancen auf mehr Lebensqualität auch für Herzerkrankte erhöhen können.
Beispiel: Viele diagnostische Katheterisierungen am Herzen sind heute unnötig. Selbst bei schweren Verengungen der Herzkranzgefäße ist nur in wenigen Fällen das Einführen eines Katheters aus therapeutischen Gründen erforderlich. Meistens genügen die Gabe von Medikamenten und Verhaltensänderungen des Patienten. Moderne hybride bildgebende Verfahren, wie die SPECT/CToder die PET/CT-Bildgebung bieten stattdessen Kardiologen erstklassige Möglichkeiten zur diagnostischen Abklärung von Verengungen der Herzkranzgefäße. Vorteil: Dem Patienten bleibt eine risikoreiche Katheteruntersuchung erspart und die hybride Bildgebung liefert sämtliche Informationen, um eine gezielte Behandlung einzuleiten.
Doch auch die Genforschung führt zu einer Verbesserung der kardiologischen Versorgung. Das Max- Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin Berlin-Buch hat beispielsweise bekannt gegeben, dass Herzkreislaufforscher ein Gen für Herzrhythmusstörungen entdeckt haben. Zwar können die genetischen Ursachen der genannten verschiedenen Herzrhythmusstörungen nicht behoben werden, dennoch kann der Nachweis einer Genveränderung zu einer vorbeugenden Behandlung führen. Betroffene erhalten einen Defibrillator, wenn ihr Herz aus dem Takt zu geraten droht.
Dies sind nur zwei Beispiele. Genforschung und Medizintechnik werden künftig weitere Verfahren entwickeln, die es erlauben, Herzerkrankungen frühzeitig zu erkennen, zu behandeln oder ggf. zu vermeiden. Dies ist ein wichtiger Beitrag für ein neues Zeitalter der Patientenversorgung.
Management & Krankenhaus: Generell sollte mehr in die Prävention investiert werden, so ein zentrales Ergebnis der Studie. Wie aber kann die Finanzierung aussehen?
Susanne Michel: Einstimmig haben die Befragten angegeben, dass dies eine zentrale Aufgabe aller Beteiligten ist: Des Einzelnen – in der Beachtung und Verantwortung zur Aufrechterhaltung der eigenen Gesundheit-; des öffentlichen Gesundheitsdienstes in der Leistung von Vorund Fürsorgemaßnahmen; der Industrie und der Arbeitgeber – in der Erhaltung der Gesundheit als Wirtschafts- und Arbeitsfaktor.
Management & Krankenhaus: Welchen Stellenwert nehmen Regierung, Ärzte, Krankenkassen und Industrie bei der Finanzierung und Umsetzung ein? Aus welcher Richtung bläst dabei der „stärkste Gegenwind“?
Susanne Michel: Die Befragten gaben an, dass alle Beteiligten einen hohen Stellenwert einnehmen. Einige Länder sehen daher Politikschwerpunkte in der weiteren Fort- und Ausbildung von Medizinern in der Gesundheitsprävention oder in der besseren Vernetzung zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen oder auch in die Investition in Technologien. Nach Auffassung der Befragten handelt es sich nicht so sehr um einen Gegenwind, sondern eher um eine Überzeugungslücke, die den Prozess in diese Richtung verlangsamt.
Gleichzeitig sind Politikvorhaben in Prävention immer langfristige Vorhaben und damit, nach Meinung der Befragten, politisch immer schwer durchzusetzen. Doch wurde auch von den Befragten ein positiver Trend und Interesse der Politik in ‚Early Health‘ Konzepte wahrgenommen. Gleichzeitig machten die Befragten auch klar, dass künftige Ausgaben für mehr und bessere Prävention nicht zu Lasten der existierenden Budgets für die notwendige Versorgung von Kranken gehen kann.