Es geht noch besser! Finanzierung und Qualität der Ernährungstherapie im DRG-Zeitalter
22.08.2014 -
Es geht noch besser! Finanzierung und Qualität der Ernährungstherapie im DRG-Zeitalter. Die Ernährungstherapie führte lange Zeit ein Schattendasein in der Krankenhausmedizin.
Das hat sich zwar mittlerweile vielerorts geändert, aber dem wachsenden Bewusstsein für die medizinische wie ökonomische Relevanz der Ernährungstherapie bei den Leistungserbringern steht bislang keine adäquate Abbildung im DRG-System gegenüber.
Diese Problematik sowie Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Ernährungstherapie diskutierten Experten bei einem von Baxter initiierten Symposium im Rahmen der ernährung 2006.
Seit Beginn der Konvergenzphase werden nur jene ärztlichen Leistungen vergütet, die korrekt kodiert wurden.
Für die Ernährungstherapie stehen aber bislang keine zureichenden Verschlüsselungsmöglichkeiten im DRG-System zur Verfügung.
Das hat weit reichende Folgen: „Wenn im Vergütungssystem ernährungsmedizinische Aspekte nicht angemessen abgebildet werden, ist zu befürchten, dass die für die Patienten erforderlichen Behandlungen nicht mehr in der notwendigen Weise erbracht werden und damit Qualitätsverluste entstehen“, mahnte Johann Ockenga (Berlin).
Für die Verschlüsselung der Mangelernährung als medizinische Haupt- und Nebendiagnose gibt es eine Vielzahl von Kodes.
Sie sind überwiegend im vierten Buch der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-10-GM) enthaltenen und decken ein breites Spektrum von Ernährungsdefiziten ab (Abb. 1).
Unzureichend sind hingegen die Möglichkeiten, die das DRG-System zur Kodierung der Ernährungstherapie bietet: So können zwar die parenterale und enterale Ernährung mit Hilfe des „Operationen- und Prozedurenschlüssels“ (OPS) als medizinische Hauptbehandlung erfasst werden; doch sind diese Kodes in der Praxis kaum relevant.
Denn in der Regel tritt die Mangelernährung als Folge oder Begleiterscheinung einer anderen Erkrankung auf.
Die parenterale und enterale Ernährung wäre folgerichtig als medizinische Nebenbehandlung zu verschlüsseln.
Dies ist zurzeit aber nur mit Hilfe eines optionalen Katalogs möglich (Abb. 2).
Das heißt, die Verschlüsselung der parenteralen und enteralen Ernährung als medizinische Nebenbehandlung ist nicht kostenrelevant!
Allerdings kann die Verschlüsselung der Mangelernährung als medizinische Nebendiagnose in bestimmten Fällen den Schweregrad eines Behandlungsfalls steigern und damit den Betrag, den das Krankenhaus gegenüber der Kasse abrechnen kann, signifikant erhöhen.
Den Einfluss, den die korrekte Kodierung der Mangelernährung auf die Vergütung hat, machte Ockenga anhand einer vergleichenden Untersuchung aus dem Jahre 2005 deutlich.
Wurde die Mangelernährung korrekt kodiert, konnten 456.000 € abgerechnet werden, andernfalls nur 424.200 €.
Nichtsdestotrotz ist die Dokumentation der künstlichen Ernährung mit Hilfe der „nicht-amtlichen“ Kodes wichtig, um eine Anpassung des OPS zu erreichen. Zugleich warnten sowohl Ockenga als auch sein Kollege Mathias Pirlich (Berlin) davor, die Ernährungstherapie ausschließlich aus der Kostenperspektive zu betrachten.
„Ein schlechter Ernährungszustand ist mit einer verzögerten Rekonvaleszenz, gestörter Wundheilung und Infektionen verbunden“, erklärte Pirlich. Dabei nimmt das Risiko, eine Mangelernährung zu entwickeln, mit dem Alter zu; besonders gefährdet sind außerdem Patienten mit malignen und chronischen Erkrankungen.
Die enge Verknüpfung der medizinischen und ökonomischen Relevanz der Mangelernährung illustrierte Pirlich anhand einer aktuellen Multicenterstudie, die mit 1886 Patienten an 13 verschiedenen Krankenhäusern durchgeführt wurden.
Diese Daten belegen eine Prävalenz der Mangelernährung bei Krankenhausaufnahme von 27 %, wobei in geriatrischen Kliniken mehr als 50 % und in onkologischen und gastroenterologischen Abteilungen mehr als 30 % der Patienten ein Ernährungsdefizit hatten.
Insgesamt war die Krankenhausverweildauer bei diesen Patienten um 43 % verlängert.
„Demgegenüber steht eine Reduktion der Klinikverweildauer und der anfallenden Kosten pro Patient, wenn mangelernährte Patienten einer adäquaten Ernährungstherapie zugeführt werden.“
Als wesentlichen Schritt zur Etablierung effizienter Prozesse im Bereich Ernährungstherapie forderte Ockenga die Implementierung von Diagnose- und Behandlungsalgorithmen, die ein standardisiertes Vorgehen bei der Einschätzung des Ernährungszustands und Durchführung der Therapie ermöglichen.
Solche Konzepte werden durch die Straffung des Sortiments für die künstliche Ernährung und insbesondere durch die Verwendung von Allin- One-Systemen im Rahmen der parenteralen Ernährung sinnvoll ergänzt, erklärte Matthias Fellhauer (Villingen-Schwenningen).
Als besonders kosteneffiziente Option empfahl Fellhauer den Einsatz von Dreikammerbeuteln, wie z.B. OliClinomel. Solche Systeme, die Glucose, Aminosäuren und Fette in optimierter Zusammensetzung enthalten, gewährleisten überdies ein hohes Maß an Therapiesicherheit, da Medikations- und Dosierungsfehler reduziert und infektiöse Komplikationen weitgehend vermieden werden können.
Nicht zuletzt erleichtert der Einsatz von Dreikammerbeuteln auch den Einkauf und die Lagerhaltung.
„Regelmäßige Kostenanalysen lassen erkennen, dass bei rationaler Indikationsstellung auch in Zeiten des DRG-Systems eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche klinische Ernährung möglich ist“, resümierte Fellhauer.
Hintergrundinformationen zum DRG-System und Handlungsanleitung für die praktische Kodierarbeit bietet die kostenlose Broschüre „Mangelernährung im DRGSystem: Diagnose und Therapie richtig kodieren“, die unter baxter@the-messengers.de bestellt werden kann.