Femtolasertechnik - tausendfach bewährt
18.01.2016 -
Die tausendste Operation mit einem Femtolaser bestätigt den Fortschritt in der Augenchirurgie.
Im November 2012 führte Prof. Thomas Kohnen, Leiter der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Frankfurt, die erste refraktive Femtosekundenlaser-assistierte Linsenoperation durch. Im April 2015 feierte die Augenklinik nun die tausendste Operation mit dieser Methode. Die Technologie hat ihre Vorzüge bestätigt. Durch das automatische Kontrollsystem kann Fehlsichtigkeit in bisher nicht erreichter Präzision und Sicherheit korrigiert werden. In Studien der Augenklinik wurden zudem Erkenntnisse gewonnen, die zur weiteren Verbesserung des Verfahrens beitragen.
Die Entfernung der menschlichen Linse und ihr Ersatz durch eine Kunstlinse (Intraokularlinse, IOL) werden sowohl beim Grauen Star (Katarakt), einer meist altersbedingten Eintrübung der Augenlinse, und bei verschiedenen Formen der Fehlsichtigkeit (Refraktionsfehler) durchgeführt. Die Eintrübung der menschlichen Linse ist neben der diabetischen Retinopathie und der altersbedingten Makuladegeneration eine der häufigsten Ursachen für Erblindung weltweit. Die Refraktionsfehler haben ebenfalls weltweit einen hohen Anteil an Sehleistungsreduktionen. Für den Ersatz zerkleinert der Operateur in einer knapp zehnminütigen Operation mittels Ultraschallenergie die schadhafte Linse und saugt sie anschließend ab. Diese Operationstechnik, die sog. Phakoemulsifikation, hat sich seit Jahrzehnten als Goldstandard bewährt. Der körpereigene Kapselsack bleibt hierbei erhalten und bietet Platz für die anschließend implantierte IOL. All diese Schritte, einschließlich der Hornhauteinschnitte, führte der Operateur bis vor einigen Jahre rein manuell durch.
Femtolaser schafft neuartige Präzision
Mittlerweile kann der Femtosekundenlaser diese Vorgehensweise unterstützen. Der an der Universitätsaugenklinik Frankfurt eingesetzte LenSx-Laser (Alcon, Fort Worth, Texas, USA) ist ein Infrarotlaser, der mit einer Wellenlänge von 1.030 nm arbeitet. Der Laser setzt die Pulsenergie (5–15 μJ) mit einer Pulsweite von 600–800 Femtosekunden (eine Femtosekunde = 10–15 s) frei. Die Interaktion der Laserenergie mit Materie erzeugt innerhalb des Gewebes Mikrogasbläschen, die sich ausdehnen und das Gewebe schonend trennen. Auf diese Weise „schneidet“ der Laser und kann die manuellen Komponenten der Operation erheblich minimieren. Die sehr anspruchsvolle Eröffnung der vorderen Linsenkapsel und die Zertrümmerung der Augenlinse werden hoch-standardisiert und präzise mit dem Laser durchgeführt.
Das zu operierende Auge wird präoperativ nach Standard versorgt, d. h. die Pupille wird weitgetropft, betäubt und das Auge desinfiziert. Ist der Patient im Operationssaal unter dem Laserkopf positioniert, setzt der Operateur einen Lidsperrer ein, um das Auge offen zu halten. Der Laser saugt mittels einer speziellen Applikation das Auge leicht an und hält es so stabil in Position. Mit der optischen Kohärenztomografie (intraoperatives OCT) werden das Auge vermessen, die geplanten Schnitte an einem Monitor überprüft und weitere Parameter eingestellt und bestätigt. Die Dauer der Laseraktion beträgt danach durchschnittlich 45 Sekunden und ist abhängig von der Anzahl der Hornhautschnitte und der Dicke der Linse. Über eine in den Laser integrierte Kamera kann das Geschehen in Echtzeit mitverfolgt werden.
Bestmögliche Sehqualität
Nach dieser automatisierten Arbeit des Lasers saugt der Operateur manuell die alte, nun zerkleinerte Linse ab und implantiert die IOL. Ging es früher bei dieser Operation hauptsächlich um den Erhalt des Augenlichtes, so versucht man mit ihr heute, die bestmögliche Sehqualität zu erreichen. Eine Katarakt ist damit längst nicht mehr die einzige Indikation für einen Linsenaustausch. Dem Wunsch der Brillenlosigkeit entsprechend werden zunehmend rein refraktive Linsenaustausche (RLA) durchgeführt (2013: 25 % der Linsenaustausche in der Frankfurter Klinik für Augenheilkunde; 2014: 33 %). So kommen immer häufiger Mehrstärkenlinsen (Torische, Tiefenschärfen- und multifokale IOLs) zum Einsatz, die Scharfsehen in größeren Abständen ermöglichen. Sie machen derzeit in Frankfurt den Großteil der implantierten IOL bei diesen Operationen aus (59 %).
Neben dieser Verbesserung der Sehleistung kann der Laser auch helfen, eine Hornhautkrümmung (Astigmatismus) mittels antiastigmatischer Hornhauteinschnitte (Inzisionen) zu korrigieren. Die Heilungsprozesse reduzieren die Hornhautgewebespannung, wodurch es zu einer Abflachung der Hornhautkrümmung kommt. Diese Korrekturmethode eignet sich jedoch nur für geringe Astigmatismen (0,5–1,0 Dioptrien). Hochgradige Astigmatismen (über 1,0 Dioptrien) kommen bei etwa 30 % der Patienten vor und erfordern den Einsatz von Astigmatismus-korrigierenden IOL (torische IOL).
Neues System zur Positionierung der Linse
Die Achslagen der Schnitte und der torischen IOL müssen bei der Operation unbedingt berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls kann das postoperative Sehvermögen beeinträchtigt sein. Um dem Operateur die Positionierung der Schnitte und der IOL zu erleichtern, hat die Firma Alcon ein neues, mit dem LenSx-Laser kompatibles System entwickelt. Dieses sog. Verion Image Guided System (Alcon Pharma, Breisgau) wird seit September 2014 in der Augenklinik eingesetzt. Es besteht aus drei Untereinheiten, die OP-Planung und -Durchführung kombinieren. Präoperativ fertigt die Verion-Referenzeinheit ein Bild des Auges an und vermisst die Hornhaut. Die Messdaten sollen die bisherige Kalkulation ablösen. Während der Operation macht eine in den Laser integrierte Kamera (Verion Digital Marker L) ein zusätzliches Bild des Auges. Im Vergleich mit der präoperativ gewonnenen Aufnahme erkennt das System eine mögliche Rotation des Auges im Liegen und passt die geplanten Hornhautschnitte entsprechend an. Eine weitere Einheit (Verion Digital Marker M) ist mit dem Operationsmikroskop verbunden. Sie zeigt dem Operateur die geplante Achslage der torischen IOL an und berücksichtigt auch hier eine mögliche Rotation des Auges.
Stetige Weiterentwicklung – auch dank Frankfurter Forschung
Seit Beginn der Femtosekundenlaser-assistierten Linsenchirurgie an der Augenklinik am 16. November 2012 hat sich das Verfahren fest in den Operationsalltag der Refraktiven Chirurgie integriert. Im April 2015, knapp zweieinhalb Jahre später, führte Kohnen die tausendste Operation durch. Mit Einführung neuer Technologien wie dem Verion Image Guided System entwickelt sich die laserassistierte Operationsmethode stetig weiter. Außerdem stellt der Femtosekundenlaser durch seine präzise und reproduzierbare Schnittsetzung ein ideales Studienobjekt dar. Auch die Forschungsgruppe um Kohnen führt Studien durch, um die Femtosekundenlaser-Operation weiter zu verbessern.
Eine Forschungsarbeit, in der die Reaktion des Hornhautgewebes auf die Laserschnitte untersucht wurde, zeigte zunächst keinen Unterschied zwischen der manuellen und der laserunterstützten Methode im Hinblick auf die inflammatorische Zellantwort. Es fand sich jedoch anfänglich eine erhöhte Zelltodrate in der Lasergruppe. Dieser Zelluntergang konnte durch die Anpassung der Pulsenergie von 15 μJ auf 5 μJ auf das Niveau einer manuellen Eröffnung der vorderen Linsenkapsel gesenkt werden. Die Verwendung eines weichen anstelle eines harten Interfaces, also der Kontaktstelle des Lasergeräts mit dem Auge, sowie einer niedrigen Pulsfrequenz von 5 μJ erhöhte die Qualität der Eröffnung der hinteren Linsenkapsel (Kapsulotomien). Das Verfahren zeichnet sich durch glatte Ränder und das Fehlen von Gewebsbrücken aus. Mit präziseren Kapsulotomien reduzierte sich das Risiko von vorderen Kapseleinrissen während der Operation. Auf diese Weise sitzen die implantierten IOL stabiler im Kapselsack, was vor allem für Sonderlinsen von großer Bedeutung ist. Eine weitere geplante Studie soll die Stabilität der IOL in Abhängigkeit der Lage der Kapsulotomie ermitteln, da diese mithilfe des Verion Systems nun entweder auf die Pupillenmitte oder die optische Achse zentriert werden kann.
Zusätzlich konnte die Forschungsgruppe zeigen, dass die Fragmentierung der Linse durch den Laser die zur Absaugung benötigte Ultraschallenergie signifikant verringert. Die Höhe der Ultraschallenergie hängt hierbei von der Dicke der Linse sowie deren Trübungsgrad ab. Bei Katarakt-Operationen muss der Operateur daher meist mehr Ultraschallenergie verwenden als bei refraktiven Linsenaustauschen. Oft ist bei letzteren Eingriffen bereits gar keine Ultraschallenergie mehr erforderlich.
Im Mittelpunkt der Forschung steht des Weiteren die Wirkung antiastigmatischer Hornhautschnitte (Laserkeratotomie, LK). Ziel ist die Entwicklung eines neuen Nomogramms, eines Datensystems, zur Planung der LK. Hierbei sollen die Lage, Länge und Anzahl der LK abhängig vom Alter des Patienten, der Höhe des Astigmatismus und weitere Einflussfaktoren wie Hornhautdicke etc. festgelegt werden.