Medizin & Technik

Hartmann OP-Forum 2008: Risikomanagement im OP

25.06.2011 -

Hartmann OP-Forum 2008: Risikomanagement im OP. Die Zahl der gemeldeten Haftpflichtschäden im Gesundheitswesen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Versicherungen reagieren mit starken Prämiensteigerungen. Ohne ein professionelles Qualitäts- und Risikomanagement wird es für Kliniken zunehmend schwieriger, in Verhandlungen mit Versicherungen zu überzeugen. Vier Referenten aus den Bereichen Qualitätsmanagement und Patientensicherheit beleuchteten auf dem diesjährigen Hartmann- OP-Forum „Risikomanagement im OP“, was es heißt, Risiken zu identifizieren und zu vermeiden.

Überall, wo Menschen tätig sind, entstehen Irrtümer, Nachlässigkeiten, Fehleinschätzungen, Unwissenheit und Selbstüberschätzung. „Fehlerursachen gibt es viele: Arbeitsbelastung, Kommunikations- und Ausbildungsprobleme, ungenügende Ressourcen, mangelnde Teamfaktoren, eine inadäquate Umgebung und nicht zuletzt Patientenfaktoren“, sagte Klaus Kugel, Qualitätsmanagementbeauftragter und Auditor des Schwarzwald-Baar Klinikums Villingen- Schwenningen. Doch: „Das Hauptproblem liegt darin, dass es in der Medizin schwierig ist, mit Fehlern umzugehen, da man zur Perfektion erzogen wurde. Zwischenfälle werden häufig als human error, also als Fehlhandlung von einzelnen Personen, dargestellt.“ Diejenigen, die Fehler meldeten, müssten befürchten, kritisiert oder bestraft zu werden.

„Beim Risikomanagement geht es nicht um die Schuldfrage, sondern um die Minimierung von Risiken“, brachte Kugel den Inhalt der Tagung auf den Punkt. Wichtig sei eine Sichtweise, die helfe, mit Risiken und Gefahren umzugehen, um Schäden zu verhindern. Kugel konstatierte: „Nach einer aktuellen Umfrage sind Ärzte und Pflegekräfte bereit, ihre Fehler zu berichten, wenn sie Unterstützung statt Bestrafung erfarhen würden – ein Ansatz, der in anderen risikobehafteten Berufen längst betrieben wird: Statt personenbezogen muss systembezogen gedacht werden!“

Unterstützung statt Bestrafung

Diesen Aspekt griff auch Dr. Christian Thomeczek auf. Der Arzt für Allgemein-, Flug- und Notfallmedizin ist Geschäftsführer im Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) und verantwortlich für das Ressort Patientensicherheit. Er sagte: „Die Information ist immer wichtiger als der Informant. Über Zwischenfälle und Beinahe-Zwischenfälle sollte deshalb auch anonym berichtet werden können. Der vertrauliche Umgang mit gewonnenen Daten muss garantiert und der Umgang mit dem Reporting-System geschult, ggf. auch belohnt werden. Diesbezüglich kann das Gesundheitswesen von der Luftfahrt lernen!“

In der Luftfahrt hat das Aviation Safety Reporting System der NASA, entwickelt im Auftrag der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA, wesentlich zur Risikominimierung beigetragen: Seit 1975 gingen hier über 715.000 freiwillige, anonyme Meldungen ein. Ein weiterer Lösungsansatz: Das „Crew Resource Management“, kurz CRM, ein weltweit vorgeschriebener Bestandteil der Ausbildung von Cockpitbesatzungen. Thomeczek sagte: „Das CRM vermittelt allgemeine Skills, die sich ohne Weiteres auf die Klinik übertragen lassen.“ Lehrinhalte sind: die Identifizierung von Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit, der Umgang mit Erschöpfung und Stress, Fehlererkennung, Ursachenklärung, Teamverhalten, Kommunikation, Führung und Delegation. Thomeczek: „Teamwork, Teamtraining und Kommunikation lassen sich noch nicht verbindlich in der Ausbildung von Medizinern finden und müssen dennoch beherrscht werden – in Krankenhäusern finden dieser Art Schulungen nicht intensiv genug statt.“ Unerwünschte Ereignisse im OP resultierten zu 47 % aus mangelnder Kommunikation.

Anordnungs- und Delegationsproblematik

Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Großkopf brachte eine neue Perspektive in das Hartmann OP-Forum ein: die Anordnungs- und Delegationsproblematik. Der Herausgeber der Fachzeitschrift „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“ berät Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in organisations- und haftungsrechtlichen Angelegenheiten. „Für die Delegation ärztlicher Aufgaben ist es maßgeblich, dass es zu keiner Patientengefährdung kommt. Wichtig ist, bei der Aufgabenübertragung im OP-Bereich das für den Patienten innewohnende objektive Gefährdungspotenzial herauszuarbeiten“, erläuterte Großkopf. „Steht fest, dass die zu übertragende Aufgabe nicht dem Kernbereich ärztlichen Handelns zuzuordnen ist, muss die subjektive Befähigung des eingesetzten Personals evaluiert werden.“ Hierbei sind sowohl die Ausbildung des Handelnden als auch dessen tatsächliche Fähigkeiten zu berücksichtigen. Fällt die Überprüfung positiv aus, steht der Übertragung von bestimmten ärztlichen Aufgaben auf pflegerisches Personal aus Sicht der Rechtsprechung grundsätzlich nichts entgegen. Großkopf gab zu bedenken, dass das Risiko der Fehlinterpretation manchen Verantwortlichen jedoch abschrecke.

Er führte aus: „Gerichtsentscheidungen mit Wert setzendem Charakter orientieren sich am jeweiligen Einzelfall mit seinen spezifischen Besonderheiten und sind daher für eine Verallgemeinerung nur bedingt zugänglich. Ohnehin ist die einschlägige Rechtsprechung bezüglich der Verantwortungssphäre im OP-Bereich begrenzt.“ Der Rechtsanwalt sieht daher den Gesetzgeber aufgefordert, der bestehenden Rechtsunsicherheit durch klare gesetzliche Regelungen und der Etablierung von staatlich anerkannten Ausbildungsgängen, wie der chirurgisch- technischen Assistentin oder der Operations-technischen Assistentin, entgegenzuwirken.

Risikomanagement bei Medizinprodukten

Dr. Andreas Kremser und seine Kollegen wollen potentielle Gefährdungen bereits im Rahmen der Entwicklung neuer Produkte ausschließen. Kremser, zuständig für die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten bei der Paul Hartmann AG, arbeitet hierbei mit der „Failure Mode and Effect Analysis“ (Fehlermöglichkeits- und Einfluss-Analyse, FMEA). Ziel der FMEA ist es, mögliche Gefährdungen, die bei der Anwendung der Produkte auftreten könnten, bereits im Vorfeld zu identifizieren und die hiermit verbundenen Risiken für den Patienten oder auch Anwender abzuschätzen. Anhaltspunkt dafür, ob ein Risiko akzeptabel ist oder durch weitere Produktmodifikationen minimiert bzw. eliminiert werden muss, ist die Höhe einer im Rahmen der FMEA errechneten Risikoprioritätszahl (RPZ). Diese ergibt sich aus der Multiplikation von Bewertungszahlen für die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Fehlers, das Schadensausmaß und die Entdeckungswahrscheinlichkeit des Fehlers vor Eintritt des Schadens. Kremser: „Eine Methode, die generell angewendet werden kann und sich auch für die Analyse von Risiken im OP oder in der ZSVA eignet!“

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