Medizin & Technik

AS-Advanced-Surface-Beschichtungslösung für Knieendoprothesen

25.09.2014 -

In Deutschland werden im Jahr ca. 180.000 Knieprothesen eingesetzt. Zunehmend erhalten auch jüngere Kniepatienten (ab 55 Jahre) ein endoprothetisches Kunstgelenk und erwarten ein von Beschwerden und Schmerzen freies Leben. Zugleich wächst die Zahl der Menschen mit Metallallergien.

Schon heute reagieren ca. 13-15 % der Deutschen bei Hauttests sensitiv auf Metalle wie Nickel und Kobalt. Dieses sind Metalle, die in Kobalt-Chrom (CoCr) Legierungen enthalten sind, die sich über viele Jahre als ideales Material für Knieimplantate erwiesen haben.

Zusätzlich zu möglichen allergischen Reaktionen auf Implantatmetalle entsteht zwischen den zwei metallischen Komponenten (s. Abb. 2), der Femur- und Tibiaimplantate und der Polyethylengleitfläche als Meniskusersatz und Gleitpartner Polyethylenabrieb. Dieser stellt einen wesentlichen Faktor bei aseptischen Prothesenlockerungen dar [5].

Für die beiden wichtigen Themen wird in der knieendoprothetischen Versorgung nach Lösungsansätzen geforscht. Ein Erfolg versprechender Weg wurde mit der neuartigen AS-Advanced-Surface-Beschichtung gefunden.

Die AS-Advanced-Surface-Technologie ist eine eigens hierfür entwickelte mehrlagige (multilayer) Beschichtung für Knieendoprothesen. Die siebenfache Beschichtung verhindert den Metallionenaustritt, der bei den metallsensitiven Patienten zu allergischen Reaktionen führen kann. Außerdem ist durch die sehr harte keramische Oberfläche der Abrieb des Kunststoff-Gleitpartners wesentlich reduziert, was eine längere Lebensdauer der endoprothetischen Versorgung verspricht.

Heutige Knieendoprothesen bestehen in den häufigsten Fällen aus Kobalt-Chrom-Legierungen. Diese Legierung bildet die Grundlage, auf die die AS-Advanced-Surface-Beschichtung aufgebracht wird. Sie besteht aus sieben Lagen, wobei jede einzelne Schicht eine spezielle Funktion übernimmt. Die Oberfläche aus Zirkoniumni­trid sorgt für geringen Abrieb, die fünf Übergangsschichten dienen als Metallionenbarriere und stabilisieren. Eine Haftschicht bewirkt die sichere Anbindung der Schichten. Die sieben Schichten werden mit einem modernen physikalischen Beschichtungsverfahren (PVD) unter Hochvakuumbedingung aufgebracht.

Die fünf Übergangsschichten bauen eine effektive Metallionenbarriere auf, sodass allergieauslösende Metallionen nicht mehr mit dem Patienten in Kontakt kommen. Aufgrund dessen verringert sich durch die mit Advanced-Surface-Technologie beschichteten Implantate das fünffach höhere Risiko [1] für Implantatallergien bei Revisionspatienten deutlich. Eine bisher verwendete harte keramische Oberfläche auf dem relativ weichen CoCr-Implantatmaterial führte zu einem höheren Risiko für ein Absplittern der Schicht. Dies konnte bei konventionellen Monolayerlösungen (einlagigen Beschichtungen) beobachtet werden. Bei der neuen AS-Multilayerbeschichtung ermöglichen die Übergangschichten durch eine verbesserte Molekülstruktur und durch eine Gra­duierung der Härte (s. Abb. 1) für ein optimiertes Elastizitätsmodul des Beschichtungsverbundes, der so besser vor mechanischem Absplittern geschützt ist.

Die Deckschicht besteht aus Zirkoniumnitrid und sorgt durch seine keramische Eigenschaft für eine sehr hohe Abriebbeständigkeit. Außerdem ist Zirkoniumnitrid bekannt für seine gute Verträglichkeit im Körper. Eine harte Oberfläche erhöht die Kratzfestigkeit und führt zu niedrigem Polyethylenabrieb des gegenüberliegenden Meniskusersatzes als Gleitpartner. Die Advanced-Surface-beschichteten Implantate zeigten im Laborversuch einen 58 % geringeren Abrieb als herkömmliche Implantate [2]. Bestätigen sich diese Ergebnisse in aktuell laufenden Langzeitstudien, entsteht der ungünstige Polyethylenabrieb nur halb so schnell wie bei konventionellen Implantaten.

Vergleich mit anderen Lösungen

Gegenüber bisher erhältlichen Monolayerbeschichtungen ist die 7-fache AS-Mulitlayerbeschichtung derzeit die härteste Implantatoberfläche für Knieprothesen im Markt.

2007 wurde AS Advanced Surface erstmals eingesetzt, und seit 2011 ist es weltweit im Handel. Vergleichbare Beschichtungen im Markt wie Titannitrid (TiN) oder Titanniobnitrid (Ti(Nb)N) verfügen über eine geringere Oberflächenhärte und bestehen aus einer Schicht. Besonders deutlich ist der Härteunterschied zu Oxinium, der nur noch die Hälfte beträgt. Die Härte des proximalen Reibpartners (der Femurkondylen) ist ausschlaggebend für den Polyethylenabrieb des distalen Gleitpartners (Meniskuskomponente), siehe Grafik.

Lösungsbeitrag zum demografischen Wandel

Abrieb ist langfristig eine der Hauptursachen für Wechseloperationen bei künstlichen Kniegelenken [5]. Die Abriebpartikel der Meniskuskomponente aus Polyethylen erzeugen Osteolysen und führen langfristig zur Lockerung des Implantates. Neben der antiallergischen Wirkung verbessert die neue Oberfläche den Verschleiß um 58 % [2] im Vergleich zur herkömmlichen Oberfläche. Dadurch ermöglicht diese Innovation die sichere und langfristige Versorgung aller Patienten mit Knieimplantaten - unabhängig davon, ob sie eine Metallunverträglichkeit aufweisen oder nicht. Kostenintensive und für den Patienten oft sehr belastende Wechseloperationen könnten mit dieser Oberflächenbeschichtung verzögert oder möglichweise ganz verhindert werden.

Qualitativer Nutzen

Materialallergien nehmen in den letzten Jahren zu. So leiden in Deutschland etwa 13 % der Bevölkerung an einer Unverträglichkeit von Nickel und bis zu 2 % an einer Allergie gegen Kobalt oder Chrom. Von der Advanced-Surface-Beschichtung wird erwartet, dass sie eine zukunftsweisende Lösung für diese allergischen Patienten ist, die oft einen langen Leidensweg hinter sich haben [3]. Freigesetzte Metallionen können hypersensitive Reaktionen wie Hautreaktionen, Blutergüsse, Schwellung oder Wundheilungsstörungen auslösen [4]. Nach einer Studie von Hallab et al. [1] sind 60 % der Patienten, die Probleme mit ihrer Prothese haben, im Vergleich zur Kontrollgruppe (ohne Implantation 10 %, mit Prothese ohne Probleme 25 %) erhöht metallionensensitiv. Das deutet darauf hin, dass viele Patienten die Sensitivität erst nach Implantation entwickeln. Eine weitere Herausforderung liegt darin, dass allergische Reaktionen nach Knieendoprothesenimplantation oft nicht erkannt werden. Zwar setzt es sich in Deutschland immer mehr durch, den Allergiestatus vor der Knieoperation zu prüfen, doch ist dies noch nicht in jeder Klinik die Standardroutine. Es kommt also vor, dass bei Patienten die Metallsensitivität unentdeckt bleibt und eine Standardprothese eingesetzt wird [3].

Noch deutlicher wird der Vorteil für Patienten, die zu einer Wechseloperation anstehen. Wie in der oben genannten Studie gezeigt wurde, erwerben 60 % der Patienten eine Metallsensitivität nach Implantation. Steht also ein Wechsel an, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Patient nun ein erhöhtes Risiko für eine allergische Reaktion besitzt. Neben der zusätzlichen Belastung, die jede Wechseloperation für den Patienten bedeutet, verursacht eine Revisionsoperation hohe direkte Kosten in der Klinik und für die Kostenträger.

In Deutschland wurden 2008 154.703 primäre bikondyläre Knieendoprothesen implantiert [6]. Die Revisionsrate nach 10 Jahren liegt bisher bei 12,8 %, was 19.802 Knierevisionen jährlich entspricht (Basisjahr 2008). Ausgehend von der Annahme, dass weitere Wechsel aufgrund von allergischen Reaktio­nen mit einer beschichteten Prothese verhindert werden könnten [3], wären diese direkten Kosten minimierbar. Die volkswirtschaftlichen Folgekosten für Arbeitsausfall und Rehabilitationsaufenthalt, die nach jeder Wechseloperation entstehen, könnten durch die Veredelung der Primärimplantate ebenfalls reduziert werden.

Literatur:

  1. Hallab N, Merritt K, Jacobs JJ. Metal sensitivity in patients with orthopaedic implants. J Bone Joint Surg Am. 2001 Mar; 83-A(3): 428-36
  2. Reich J, Hovy L, Lindenmaier HL, Zeller R, Schwiesau J, Thomas P, Grupp TM. Präklinische Ergebnisse beschichteter Knieimplantate für Allergiker. Orthopäde. 2010 Mai; 39(5):495-502
  3. Thomsen M, Rozak M, Thomas P. Pain in a chromium-allergic patient with total knee arthoplasty: disappearance of symptoms after revision with a special surface-coated TKA - a case report. Acta Orthop. 2011 Jun; 82(3): 386-8
  4. Thomas P, Thomsen M. Implant allergies. Hautarzt. 2010 Mar; 61(3): 255-62; quiz 263-4
  5. Sharkey PF, Hozack WJ, Rothman RH, Shastri S, Jacoby SM. Insall Award paper. Why are total knee arthroplasties failing today? Clin Orthop Relat Res. 2002 Nov;(404): 7-13
  6. 154.703 Implantationen p. a., 12,8 % Revisionen p. a., 22,2 % Re-Revisionen p. a., Annahme: 33 % Re-Revisionen vermeidbar durch AS

 

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