Gesundheitsökonomie

Neue Arbeitszeitmodelle im Gesundheitswesen: „Maßgeschneiderte“ Dienstzeiten

09.10.2012 -

Neue Arbeitszeitmodelle im Gesundheitswesen: Um persönliche Belange der Mitarbeiter stärker einzubeziehen, gehen Arbeitgeber neue Wege. Die Beschäftigten haben die Wahl, wann und in welchem Umfang sie wöchentlich arbeiten möchten.

Das Klinikum Saarbrücken bietet den Mitarbeitern über ein hoch flexibles Arbeitszeitmodell, die sog. Wahlarbeitszeit, eine attraktive Möglichkeit, die Belange von Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Die Kernkompetenz der Wahlarbeitszeit liegt darin, dass die Mitarbeiter selbst über ihre Wochenarbeitszeit entscheiden. Mal mehr oder mal weniger Wochenarbeitsstunden sind dabei möglich.

Dabei kann es - je nach Lebensphase - für den Arbeitnehmer wichtig sein, die Arbeitszeit auf unbestimmte Zeit auf bis zu 80 % zu verringern, weil beispielsweise ein naher Angehöriger gepflegt oder ein Kind in der Familie betreut werden muss. Manchmal fühlen sich Mitarbeiter auch durch persönliche Situationen im Berufs- oder Privatleben überfordert. Vielleicht belastet sie ein gesundheitliches Handicap, und sie möchten deswegen zeitweise kürzertreten. Andere würden gerne an einer berufsbegleitenden Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen. All diese Bedürfnisse lassen sich über die Wahlarbeitszeit realisieren.

Der Personaldirektor des Saarbrücker Klinikums, Edwin Pinkawa, sieht in der Wahlarbeitszeit ein geeignetes Instrument, berufliche Anforderungen und private Bedürfnisse besser miteinander zu vereinbaren. Dem Thema „Arbeitszeitkonten" steht er eher kritisch gegenüber. „Die anfängliche Euphorie schwindet schnell, wenn der bürokratische und finanzielle Aufwand bei der Führung von Arbeitszeitkonten deutlich wird", erklärt Pinkawa.

„Im Übrigen können alle Ziele, die mit Arbeitszeitkonten erreicht werden sollen, auch auf anderem Wege erreicht werden. Letztlich handelt es sich bei der Einführung von Arbeitszeitguthaben nur um die Einführung einer zweiten ,Privat-Währung‘ neben dem Euro." „Für den Arbeitnehmer hat die Wahlarbeitszeit eigentlich nur Vorteile", resümiert Personaldirektor Pinkawa. „Der Mitarbeiter kann in einer bestimmten Lebenssituation eine zeitliche Entlastung erfahren, ohne sich Vorgesetzten gegenüber rechtfertigen zu müssen. Die Befürchtung, nicht wieder zu einer höheren Arbeitszeit (und damit einem höheren Einkommen) zurückkehren zu können, entfällt, da ein rechtlicher Anspruch besteht."

Nach den Erkenntnissen des Saarbrücker Personalchefs besteht für den Arbeitgeber zunächst einmal das Risiko, dass die Personalkapazität Schwankungen unterliegt, die er nicht unmittelbar steuern kann. Dieses Risiko ist umso größer, je kleiner der Betrieb ist bzw. die Betriebseinheiten sind. Nachteilige Folgen können jedoch durch eine planvolle Formulierung der Betriebsvereinbarung vermieden werden: Der Korridor, innerhalb dessen die Wahlfreiheit besteht, ist auf die jeweiligen betrieblichen Verhältnisse anzupassen. Beschränkungen für bestimmte Berufsgruppen oder bestimmte Bereiche sind eventuell erforderlich. Werden diese beachtet, sind die anfänglich bestehenden Befürchtungen unbegründet, zumal jedes Unternehmen auch ohne Wahlarbeitszeit Fluktuationen, Ausfallzeiten, Teilzeitbeschäftigungen (ohne Wahlarbeitszeit) u. Ä. in seiner Personalplanung zu berücksichtigen hat.

Die Vorteile für den Arbeitgeber liegen in einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit und damit geringeren Ausfallzeiten. Mitarbeiter, die aufgrund von beruflichen und außerberuflichen Belastungen vor einem Burn-out stehen, nutzen besser zur Entlastung die Wahlarbeitszeit als „Notbremse Krankenschein".

Pinkawa weist darauf hin, dass entsprechende Betriebsvereinbarungen befristet abgeschlossen werden sollten oder die Nachwirkung ausgeschlossen werden sollte. Wenn eine Betriebsvereinbarung gekündigt wird, kann es sein, dass die gesamte Vereinbarung oder Teile davon auch nach der Kündigung weiter Geltung haben, bis eine neue Vereinbarung zu dem gleichen Thema geschlossen wurde. Will man das vermeiden, schließt man in der Kündigungsregelung der Vereinbarung die Nachwirkung aus.

Damit kann die Angst genommen werden, dass es kein Zurück gibt, wenn es nicht gut läuft. Läuft alles wie geplant, ist eine Verlängerung problemlos möglich.

Soll eine Regelung ohne Betriebsvereinbarung getroffen werden, was der Personalchef nicht empfehlen kann, müssen alle Details der Regelung im schriftlichen Arbeitsvertrag enthalten sein.

Auch beim Ditzinger Fertigungs- und Medizintechnik-Hersteller Trumpf können sich die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten nun „maßschneidern".

„Die Anforderungen unserer Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz haben sich verändert", so Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung von Trumpf. „25-jährige Hochschulabsolventen möchten anders arbeiten als 40-jährige Väter oder Mütter. Wer auf den Hausbau spart, hat zeitlich andere Wünsche als jemand, der Angehörige pflegen muss. Unsere Mitarbeiter haben mit diesem Modell die Wahl, wie viel und wann sie in ihrem Berufsleben für sich und das Unternehmen arbeiten möchten. Und diese Wahl haben sie immer wieder."

Die Trumpf-Mitarbeiter können regelmäßig alle zwei Jahre selbst entscheiden, ob sie ihre Wochenarbeitszeit erhöhen oder absenken wollen. Dabei reicht der jeweilige Zeitrahmen von 15 bis 40 Arbeitsstunden pro Woche. Daneben gibt es eine weitere variable Komponente: Mitarbeiter können bis zu 1.000 Stunden auf ein individuelles Konto „einzahlen" und später für längere Freizeitblöcke wieder abrufen - oder sich damit eine zeitweise Arbeitszeitreduzierung „finanzieren". Außerdem gibt es die Möglichkeit, bis zu zwei Jahre lang für die Hälfte des Lohns zu arbeiten, um vor oder nach dieser Phase im Rahmen eines Sabbaticals arbeitsfrei zu sein und dabei ebenfalls den halben Lohn zu beziehen. Weitere kleinere Zeitbausteine runden derartige Wahlarbeitszeit-Modelle ab - etwa die Möglichkeit, unterschiedlich viele Stunden für eine betriebliche Altersvorsorge zu erarbeiten.

Für das Unternehmen ist es von jeher wichtig, mit innovativen Personalinstrumenten frühzeitig Entwicklungen in der Arbeitswelt aufzunehmen. Heute nun sehen wir den großen Trend, dass sich die Wünsche und Forderungen von Arbeitnehmern immer mehr individualisieren. Das wird in Zukunft noch zunehmen - und darauf gehen wir bereits heute ein.

 

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