AstraZeneca: Pressekonferenz zur Versorgung von Schizophrenie-Patienten
21.07.2011 -
AstraZeneca: Pressekonferenz zur Versorgung von Schizophrenie-Patienten. Durch moderne Behandlungskonzepte, die neben einer langfristigen Psychopharmakatherapie auch Psychoedukation und andere nicht medikamentöse Verfahren einbeziehen, lässt sich die Versorgung von Schizophrenie-Patienten deutlich verbessern. Allerdings gelingt die Umsetzung dieser Konzepte in der Regelversorgung nur sehr begrenzt. Abhilfe sollen Projekte der Integrierten Versorgung schaffen, diese Möglichkeit wird jedoch in der Psychiatrie immer noch zu selten genutzt. Ein Blick auf diese Umgangsweise mit der Krankheit wurde im April auf der Pressekonferenz „Gelingt der Transfer wissenschaftlichen Fortschritts in die Praxis? Möglichkeiten und Realität der Versorgung von Schizophrenie-Patienten“ geworfen. Veranstalter war das Pharmaunternehmen AstraZeneca.
Psychiatrische Erkrankungen nehmen stark zu – allein in den letzten zehn Jahren um 65 % – und stellen heute in Deutschland bereits die vierthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit dar. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Dabei ist die Belastung bei dieser Krankheit extrem hoch. Schizophrenie- Patienten sterben zehn Jahre früher als die Allgemeinbevölkerung an vermeidbaren Gesundheitsstörungen, berichtete der in Aachen niedergelassene Nervenarzt Dr. Frank Bergmann, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte, auf der Pressekonferenz, die innerhalb des „Psychiatrie Plenars“ in Bonn stattfand. Vier von fünf Schizophrenie-Patienten fühlen sich isoliert und stigmatisiert, 40 % haben ausschließlich Kontakte zu anderen Betroffenen oder Betreuern. „Diese Patienten zählen zu den am stärksten ausgeschlossenen Gruppen der Gesellschaft“, betonte Bergmann.
Substanzen der zweiten Generation
Diese Isolation ließe sich längst aufbrechen, denn die Therapie schizophrener Psychosen hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Dank moderner atypischer Neuroleptika können die Betroffenen heute effektiv und fast ohne die stigmatisierenden extrapyramidalen Nebenwirkungen behandelt werden. Während die erste Generation der Neuroleptika überwiegend die Positivsymptome wie z. B. Wahnvorstellungen eindämmte, lassen sich durch Substanzen der zweiten Generation auch Negativsymptome sowie depressive, aggressive oder kognitive Begleitsymptome beeinflussen, berichtete Prof. Dr. Wolfgang Gaebel, Düsseldorf. Retard-Präparate wie z. B. das vor Kurzem eingeführte retardierte Quetiapin (Seroquel Prolong), das nur einmal täglich eingenommen werden muss, tragen darüber hinaus zu einer Verbesserung der Compliance bei.
Die 2005 veröffentlichten S3-Leitlinien zur Therapie psychotischer Syndrome tragen dieser Entwicklung Rechnung, indem sie die atypischen Neuroleptika als Medikamente der ersten Wahl einstufen, insbesondere bei vorherrschender Negativsymptomatik, und außerdem empfehlen, Neueinstellungen grundsätzlich mit Neuroleptika der zweiten Generation, also Atypika, vorzunehmen. Derzeit erhalten in Deutschland 56,7 % der Schizophrenie-Patienten ein Atypikum. „Damit nähern wir uns allmählich dem Niveau der Vereinigten Staaten und der vergleichbaren europäischen Länder“, sagte Gaebel. Dies bedeutet jedoch noch lange nicht, dass die Patienten mit psychotischen Syndromen hierzulande optimal versorgt sind. Denn die Compliance der Patienten ist in der Regel schlecht, nur etwa 50 % sind bereit, die Antipsychotika langfristig einzunehmen, berichtete Gaebel. Eigenmächtiges und verfrühtes Absetzen zieht jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Rezidiv nach sich, und jedes Rezidiv der Psychose verschlechtert die langfristige Prognose.
Probleme in der Versorgung von Schizophrenie- Patienten treten an verschiedenen Stellen auf. So sind beispielsweise schon „die Zugangswege zur Behandlung diffus“, wie es Prof. Dr. Dr. Frank Schneider, Aachen, ausdrückte. Etwa 40 % der Patienten mit psychotischen Syndromen werden vom Hausarzt behandelt, 35 % vom Nervenarzt und 30 % von Psychiatern und Psychotherapeuten. Nach welchen Kriterien die Patienten zum jeweiligen Arzt finden, ist unklar. Schneider beklagte zudem die „Sektorisierung der Versorgung“ in stationäre, ambulante und rehabilitative Einheiten, was einer ganzheitlichen Behandlung zuwiderläuft und die ohnehin begrenzte Compliance der Patienten weiter verringert, da sie keinen kontinuierlichen Ansprechpartner finden.
Abhilfe schaffen könnten Modelle der Integrierten Versorgung, wie das Projekt „Seelische Gesundheit“ in Aachen, das Bergmann vorstellte. Kernpunkte dieses Modells sind eine Verbesserung der Schnittstellen zwischen Hausarzt, Facharzt und Klinik, die leitliniengerechte Therapie, häufige und geregelte Arzt-Patienten-Kontakte sowie die Psychoedukation als obligatorische Leistung. In der derzeit üblichen Regelversorgung erhalten weniger als 5 % der Patienten mit Psychosen psychoedukative Maßnahmen. Als erster Erfolg des Modellprojekts zeigte sich eine Reduzierung der stationären Aufnahmen um 30 %.
Obwohl die Vorteile der Integrierten Versorgung für psychiatrische Patienten nach Ansicht der in Aachen beteiligten Experten Bergmann und Schneider offensichtlich sind, werden in der Psychiatrie immer noch zu wenige Projekte umgesetzt: Von den über 5.600 Verträgen, die bisher zur Integrierten Versorgung abgeschlossen wurden, beziehen sich ganze 77 auf neurologische und psychiatrische Erkrankungen. Im bisherigen System der Regelversorgung jedoch kommen die Fortschritte der medikamentösen und nicht medikamentösen Therapie schizophrener Psychosen bei Weitem nicht voll zum Tragen.