Klinisch-pharmazeutische Interventionen durch Pharmazeuten
25.05.2011 -
Klinisch-pharmazeutische Interventionen durch Pharmazeuten. Deutschland steht in Bezug auf die Gesamtzahl von Krankenhausapothekern im europäischen Vergleich mit 0,31 Krankenhausapothekern pro 100 Betten an letzter Stelle (Mittelwert: 0,93). Im Vergleich zu Deutschland sind in Großbritannien etwa 5-mal und in den USA sogar über 20-mal so viele Krankenhausapotheker pro 100 Betten tätig. Während in den USA rund 25 % der Krankenhausapotheker als klinische Pharmazeuten auf Station arbeiten, befindet sich die Etablierung eines klinischen Pharmazeuten als Teil des multidisziplinären Teams auf der Station in Deutschland noch in den Anfängen.
In den USA haben durch Arzneimittel verursachte Probleme (drug-related problems, DRP) im Jahr 2000 Kosten von 177,4 Mrd. US-$ hervorgerufen. Studien aus den USA und Großbritannien zufolge kann ein Apotheker auf Station nicht nur zur Kostenreduktion und zur qualitativen Verbesserung der Arzneimittelversorgung beitragen, sondern auch durch frühzeitige Intervention bei unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Interaktionen und Medikationsfehlern die Pharmakotherapie optimieren.
Die Aufgaben des Stationsapothekers als Arzneimittel-Fachmann umfassen alle Bereiche der Klinischen Pharmazie: Beratung hinsichtlich der Auswahl, Dosierung und Applikation von Arzneimitteln sowie das Screening von Verschreibungen bezüglich Interaktionen, Nebenwirkungen und Plausibilität. Empfehlungen zur individuellen und optimierten Dosierung basieren auf aktuellen Laborresultaten unter besonderer Berücksichtigung des Applikationsweges (z. B. Magensonden). Weitere Schwerpunkte sind:
- Literaturrecherchen, insbesondere Evaluierung von aktuellen Studienergebnissen,
- die Teilnahme an Gremien der Arzneimittelkommission und
- die Erarbeitung von Standards und Richtlinien zum optimierten und rationalen Einsatz von Arzneimitteln.
Seit Oktober 2006 werden zwei vollbeschäftigte Apotheker, die ausschließlich für die patientennahe Betreuung von ausgewählten Stationen (Interdisziplinäre Klinik und Poliklinik für Stammzelltransplantation sowie Klinik für Intensivmedizin) zuständig sind, von den entsprechenden Kliniken des UKE (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) finanziert, mit dem Ziel, die individuelle Patientenbehandlung zu optimieren. Die Patienten aller betreuten Stationen weisen komplexe Erkrankungen und Therapieregime mit einem hohen Interaktionspotential sowie einem gesteigerten Informations- und Beratungsbedarf auf.
Nach jeder Stationsvisite werden die Interventionen in einer hierfür geschaffenen Datenbank gesammelt und in Anlehnung an das PCNE-System (Pharmaceutical Care Network Europe Foundation) klassifiziert. Erfasst werden:
- Art des Problems oder Fragestellung,
- Art der Intervention und
- Maßnahmen.
Angaben zum Patienten und zum Initiator der Intervention werden ebenso dokumentiert wie die resultierende Aktion oder Antwort und die darauf verwendete Zeit. Darüber hinaus erfolgt eine Bewertung der Intervention gemäß eines international etablierten Standards.
Auswertung von Einzelinterventionen
Die Auswertung der mehr als 1200 dokumentierten Einzelinterventionen über einen Zeitraum von 12 Monaten ergab, dass die Beratung bzw. die Auswahl von Arzneimitteln einen großen Stellenwert einnimmt (Informationen zu Arzneistoffen, zu Resistenzdaten von Mikroorganismen, zur Neuro- und Nephrotoxizität von Arzneistoffen sowie zu aktuellen Therapieempfehlungen). Dosiskorrekturen bzw. Dosisanpassungen bei Leber- und Niereninsuffizienz, inklusive der Einbeziehung von Plasmaspiegeln im Sinne des therapeutischen Drug Monitoring stehen an zweiter Stelle. Während der Teilnahme an Visiten werden die Indikation und die Eignung von Arzneistoffen täglich kritisch beleuchtet und hinterfragt. Darüber hinaus wird die Medikation hinsichtlich Interaktionen, Nebenwirkungen, Doppelverordnungen, Medikationsfehlern und Kontraindikationen überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Weiterhin ist der Stationsapotheker Ansprechpartner für Anfragen zur Beschaffung oder korrekten Administration beziehungsweise Kompatibilität von Arzneimitteln. Über 90 % der durch den klinischen Pharmazeuten vorgeschlagenen Interventionen (Veränderung, Absetzen eines Wirkstoffs; Dosisveränderungen; Anweisungen für die Applikation; Veränderung der galenischen Formulierung, etc.) wurden umgesetzt und kommen so direkt dem Patienten durch Optimierung der Pharmakotherapie zugute.
Die Dokumentation und Evaluation der Einzelinterventionen ist essentiell für die Bewertung des Mehrwertes durch klinische Pharmazeuten. Basierend auf den Erfahrungen am UKE wurde vor kurzem eine neue Arbeitsgruppe des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) unter der Leitung von Dr. Claudia Langebrake gegründet. Diese Arbeitsgruppe hat zum Ziel, die klinisch-pharmazeutisch tätigen Kollegen in den deutschen Krankenhäusern zu vernetzen und eine internetbasierte Datenbank zur Dokumentation klinisch-pharmazeutischer Interventionen – basierend auf den Erfahrungen am UKE und anderen Häusern – zu erstellen. So wird die Basis geschaffen für eine valide Analyse der qualitativen und ökonomischen Auswirkungen auf die Pharmakotherapie im Krankenhaus.