Schmerztherapie in der Onkologie
12.11.2012 -
Eine wirkungsvolle Schmerztherapie steigert die Lebensqualität der Patienten und fördert gleichzeitig das effiziente Management der Fachabteilungen.
Für onkologische Patienten ist die Erfahrung von Schmerzen abhängig von der Tumorätiologie und dem individuellen Verlauf der Erkrankung. Das führt zu einer Inzidenz von ca. 30 % bei hämatologischen Erkrankungen bis zu einer Wahrscheinlichkeit, die über 90 % liegt, wenn es sich um solide Tumoren handelt.
Durch die Erfolge in der onkologischen Therapie hat die Lebensdauer von Patienten mit Tumorerkrankungen zugenommen. Dies hat auch dazu geführt, dass die Tumorschmerztherapie länger eingesetzt wird, vergleichbar mit anderen chronischen Erkrankungen.
Die Schmerzursachen haben unterschiedliche Gründe. Sie sind zum einen tumorbedingt und auf tumorassoziierte Erkrankungen und tumorunabhängige Gründe zurückführen. Beispielhaft hierfür ist das gewebeverdrängende Wachstum von Tumoren. Hierdurch werden Nozizeptoren stimuliert, die dann entsprechende Schmerzen vermitteln.
Als Folge einer Chemotherapie können insbesondere periphere Neuropathien auftreten, die je nach eingesetzter Substanz unterschiedlich lange persistieren. Durch Bestrahlungen können Hautveränderungen, Schleimhautschäden und andere pathologische Veränderungen zu lang anhaltenden Schmerzen führen. Nach operativen Eingriffen sind Veränderungen und Verwachsungen möglich, die Schmerzen verursachen.
Als tumorassoziierte Erkrankung kann das Auftreten einer viralen Infektion wie z. B. die Herpes-Zoster-Infektion mit der Entwicklung einer Zosterneuralgie gelten. Zu den tumorunabhängigen Schmerzen werden beispielsweise Migräne oder rheumatische Erkrankungen gezählt, die auch schon vor der Tumorerkrankung bestanden.
Der überwiegende Teil der schmerztherapeutischen Behandlungen kann ambulant erfolgen. Eine regelmäßige Kontrolle der Schmerzsituation und des Allgemeinzustandes des Patienten zählt zu den heute anerkannten Standards einer spezifischen Schmerztherapie. Die wiederholten Evaluationen und die Befunde des Stageing sind Grundlage für das therapeutische Vorgehen. Als Leitlinie dient das WHO Stufenschema, wodurch die Wahl der Medikamente orientierend vorgegeben wird.
Mit den heute in der Schmerztherapie eingesetzten Medikamenten ist es in 80-90 % der Fälle möglich, eine befriedigende Schmerzlinderung zu erzielen. Hierbei ist es wichtig, die Medikamente auf jeden Patienten mit seinen individuellen Komorbiditäten abzustimmen und in Dosis und gegebenenfalls in Kombination mit weiteren Koanalgetika zu einem therapeutischen Konzept zusammenzustellen.
Eine Tablette am Tag
Durch die zahlreichen Substanzgruppen und die unterschiedlichen galenischen Darreichungsformen lassen sich meist auch sehr komplexe Schmerzbilder gut therapieren. So kann die reine Zahl der einzunehmenden Analgetika durch moderne Präparate auf eine Tablette in 24 Stunden reduziert werden, was für Tumorpatienten eine erhebliche Erleichterung bedeutet. Häufig haben onkologische Patienten eine Vielzahl an Medikamenten und Tabletten einzunehmen, sodass lang wirkende Analgetika mit unproblematischer Verstoffwechselung wie beispielsweise Hydromorphon vorteilhaft sind.
Andererseits ist es auch möglich, bei kurzzeitigen Schmerzattacken oder belastungsbedingten Schmerzschüben mit sehr schnell wirksamen Opioiden den Patienten eine rasche Hilfe in die Hand zu geben. Die heute verfügbaren Präparate sind vergleichbar schnell wirksam wie eine intravenöse Applikation von Morphin. Ziel einer guten Schmerztherapie sollte natürlich eine Schmerzabschirmung über 24 Stunden sein, die dafür sorgt, dass möglichst keine Schmerzattacken auftreten.
Während der stationären Behandlung ist die gezielte Schmerztherapie von großer Bedeutung, um eine effiziente onkologische Therapie zu ermöglichen. Hierbei gilt es einerseits die Schmerzen zu kontrollieren und andererseits die Nebenwirkungen einer solchen Behandlung so gering wie möglich zu halten. Durch die rasche Folge der einzelnen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen entsteht nicht selten ein prozeduraler Schmerz, der die tumorspezifische Therapie verzögern kann und gegebenenfalls zu verlängerten Liegezeiten führt. Die meist limitierten Kapazitäten in den Funktionsbereichen wie zum Beispiel in der Strahlentherapie werden durch Patienten, die schmerzbedingt eine Bestrahlung nicht oder nur unter supplementärer Gabe von Schmerzmitteln ertragen können, noch weiter reduziert. Hierdurch können neben dem Schmerz, den die Patienten ertragen müssen, auch ökonomische Schäden auftreten.
Im perioperativen Umfeld entsteht bei Tumorpatienten häufig auch der Bedarf an Neueinstellung, Umstellung oder Anpassung der Schmerztherapie, um die Patienten an die sich ändernden Verhältnisse in ihrer Therapie anzupassen. Daher ist eine rechtzeitige erfolgreiche Schmerztherapie gerade unter den heutigen DRG-Bedingungen sowohl für die Patienten als auch für das Krankenhausmanagement von größter Bedeutung.
Patienten in die Schmerzbehandlung einbeziehen
Für die Allgemeinchirurgie und hier insbesondere für die Darmchirurgie konnte die Bedeutung einer effizienten Schmerzausschaltung sehr deutlich gezeigt werden. So ist die Krankenhausverweildauer durch den Einsatz der Periduralanästhesie signifikant zurückgegangen. Dies geht einher mit der Tatsache, dass in den meisten Fällen die Liegedauer auf der Intensivstation entweder ganz vermieden oder deutlich reduziert werden konnte. Die Komplikationsrate an Pneumonien, Thrombosen oder Nahtinsuffizienzen konnte ebenfalls gesenkt werden. Basierend auf der umfassenden Schmerzausschaltung in der Darmchirurgie konnte im Zusammenhang mit der entsprechenden Pflege, der frühzeitigen Ernährung und Mobilisierung ein schnellerer Beginn der Darmtätigkeit erreicht werden, was zu dem Konzept der „Fast Track"-Chirurgie führte. Hierbei wird über die rückenmarksnahe Applikation von Lokalanästhetika und Opioiden eine regionale Schmerzausschaltung bewirkt, die auch Einfluss auf das vegetative Nervensystem hat und hierüber die Darmperistaltik fördert. Die Medikamente werden mithilfe von Schmerzpumpen kontinuierlich appliziert. Der Patient wird in die Schmerzbehandlung einbezogen, indem er die Möglichkeit hat, durch einen Bolusgeber den individuellen Schmerzmittelbedarf kurzfristig zu steigern. Mithilfe der Pumpensoftware können die betreuenden Ärzte im Akutschmerzdienst den Analgetikabedarf feststellen und medizinisch vertretbare Dosisanpassungen durch die entsprechende Programmierung in die Hand des Patienten geben.
In der Schmerztherapie gab es in den letzten 20 Jahren eine einzigartige Entwicklung. Das betrifft sowohl die pharmakologische Forschung und Entwicklung im Bereich der Analgetika als auch die ärztliche Weiterbildungsordnung mit Einführung der Zusatzbezeichnung spezielle Schmerztherapie bis hin zur Änderung der Approbationsordnung mit dem eigenständigen Prüfungsfach Schmerztherapie im Sinne einer Verbesserung der Patientenversorgung.
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