Labor & Diagnostik

Arbeitsprozesse im Labor automatisieren

03.11.2022 - Im Interview erläutert Prof. Dr. Wolfgang Korte, CEO und Chefarzt beim Zentrum für Labormedizin, Hämostase- und Hämophiliezentrum St. Gallen, Schweiz, welche Vorteile eine neu installierte Automationslösung bietet.

Das Zentrum für Labormedizin im Kanton St. Gallen, Schweiz  stellt die labormedizinische Grundversorgung wie auch die Spezialanalytik der Region sicher. Im Interview erläutert Prof. Dr. Wolfgang Korte, CEO und Chefarzt beim Zentrum für Labormedizin, Hämostase- und Hämophiliezentrum St. Gallen, Schweiz, welche Vorteile eine neu installierte Automationslösung bietet.

M&K: Herr Prof. Dr. Korte, bitte stellen Sie sich und Ihren Arbeitsplatz unseren Lesern kurz vor.

Prof. Dr. Wolfgang Korte: Mein Name ist Wolfgang Korte und ich bin CEO und Chefarzt des Zentrums für Labormedizin St. Gallen (ZLM) in der Schweiz. Das ZLM ist ein öffentlich-rechtliches, aber selbständiges Institut des Kanton St. Gallen. Wir versorgen den gesamten Kanton und angrenzende Regionen, niedergelassene Ärzte sowie in- und ausländische akademische Institutionen mit Laboranalytik und Laborinformatik. Dies geschieht sowohl vor Ort - wir führen lokale Laboratorien in oder an den kantonalen Hospitälern -, als auch als Einsendelabor am Hauptort in St. Gallen. Das Zentrum für Labormedizin hat mittlerweile ungefähr 250 Mitarbeiter und gehört zu den 10 größten Laboratorien in der Schweiz.

Sie haben kürzlich eine Automationslösung von Beckman Coulter installiert. Bitte erklären Sie, was für eine Lösung Sie installiert haben und aus welchen Gründen Sie sich für dieses System entschieden haben?

Korte: Wir haben die neue DxA 5000-Automation mit angeschlossenem Stockyard, Immunchemie (2x DxI 800), klinischer Chemie (2x AU 5800), Gerinnung und Immunologie (je Fremdgeräte) installiert. Als Fremdgeräte betreiben wir an diesem Track zwei ACL Top für die Gerinnung und ein Diasorin Liaison XL für die Immunologie. Das erlaubt uns eine weitestgehende Automatisation der allermeisten Hochdurchsatzproben, die auf diesen Geräten abgearbeitet werden. Entschieden haben wir uns für diese Lösung, weil wir bereits mit der früheren Automation die diesbezügliche Qualität von Beckman Coulter (BC) kennengelernt hatten. Andererseits, weil BC tatsächlich die Einzigen waren, die die in der Ausschreibung benannten Erfordernisse erfüllt hatten; und die auch die Unterstützung von Weiterentwicklungsmöglichkeiten, die wir für uns selber als Ziel gesetzt hatten, in Aussicht gestellt haben.

Wie erfolgte die Installation? Musste der Laborbetrieb dazu stillgelegt werden oder wurde im laufenden Betrieb installiert? Wie lange hat es von der Installation bis zum Routinebetrieb gedauert?

Korte: Es wurde tatsächlich parallel zum laufenden Betrieb im gleichen Gebäude installiert, was eine große räumliche und logistische Herausforderung war. Diese konnte aber in Zusammenarbeit zwischen ZLM und BC gut gemeistert werden. Von der Installation bis zum ersten Routinebetrieb dauerte es aufgrund der Corona-Pandemie, den damit verbundenen Einschränkungen bei Reise und Transport und den notwendigen Soft- und Hardware-Updates ungefähr eineinhalb Jahre, bis die Stabilität der Anlage im notwendigen Ausmaß erreicht war. In der Zeit, in der Software-Updates eingespielt wurden, lief bereits ein stabiler Routinebetrieb. Es haben sich während dieser Zeit zusätzliche Verbesserungen ergeben.

Gab es an Stellen Schwierigkeiten, wo man nicht damit gerechnet hat, oder war nur Corona ein Problem für die Installation?

Korte: Eigentlich gab es nur Corona-bedingt unerwartete Probleme wie Verzögerung der Lieferungen beim Grenzübertritt und verzögerte Einreise von Service-Mitarbeitern von BC. Die übrigen Herausforderungen, die es gab, wurden tatsächlich an den „üblichen“ erwarteten Punkten bei der Einführung einer neuen Automationslösung gesehen: wo neue Prozesse zu etablieren, neue Software-Lösungen zu verifizieren und zu stabilisieren waren, sowie die neue Infrastruktur unter realen Alltagsbedingungen zu implementieren. Bei der Einführung neuer Automationslösungen dieses Ausmaßes im laufenden Betrieb muss mit solchen „Kinderkrankheiten“ gerechnet werden.

Welche Vorteile ergeben sich jetzt mit dem neuen System für das Labor im Allgemeinen, bzw. für die Mitarbeitenden und die Patienten im Besonderen?

Korte: Für die Patientenversorgung bietet das System einen unmittelbaren Vorteil, da sich die turnaround times (TATs) sowohl stabilisiert als auch deutlich reduziert haben. War es früher unser Ziel die Resultate von Notfallanalysen in der Regel innerhalb von 60 Minuten zu liefern, liegt die TAT der üblichen Routineanalytik heute unter 40 Minuten. Das bedeutet eine deutlich verbesserte Prozessqualität: es kommt zu einer deutlichen Beschleunigung einerseits - was eine schnellere klinische Entscheidungsfindung erlaubt-, andererseits werden durch stabile Ablaufzeiten Gesamtprozesse, die laboranalytische Komponenten benötigen, insgesamt stabiler (z.B. Abklärungsalgorithmus bei V.a. ACS, präoperative Anästhesie-Sprechstunde etc.) und damit planbarer. Schlussendlich führt ein höherer Automationsgrad auch zu weniger hands-on Zeit bei den Mitarbeitenden. Und das ist in einer Zeit, in der es schwierig ist, neues, qualifiziertes Personal zu rekrutieren, sehr relevant.

Wenn Sie jetzt den Blick auf Ihre Kollegen außerhalb des Kantons oder außerhalb der Schweiz richten, haben Sie eine besondere Empfehlung für diejenigen, die ebenfalls eine Laborautomatisierung in Erwägung ziehen?

Korte: Unsere wesentliche Erkenntnis ist, dass man mit der Optimierung bestehender Prozesse nicht auf die Einführung einer Automation warten sollte; bzw. nicht die Erwartung haben darf, dass die Automation per se zur Optimierung der Prozesse führen wird. Bestehende Prozesse sind zuerst, vor der Automation, zu optimieren. Oder wie von Charles Hawker, einem Pionier der Laborautomation, beschrieben: „Automating a poor process still leaves you with a poor process.” Durch die Automation von vorher optimierten Prozessen ergibt sich die höchste Effizienz und damit der höchste Benefit.

In vielen Bereichen der Medizin gewinnt hier in Deutschland das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung. Inwieweit ist dies für Sie im täglichen Laborbetrieb von Bedeutung?

Korte: Das Thema spielt auch in der Schweiz in allen Bereichen ebenfalls eine sehr große Rolle. Ein Beispiel ist die Personalrekrutierung. Die Marktsituation führt dazu, dass sich zukünftige Mitarbeitende auswählen können, für welchen Arbeitgeber sie sich entscheiden. Daher spielen dann Faktoren wie ein nachhaltiges Vorgehen, das für die Mitarbeitenden attraktiv ist, ebenfalls eine relevante Rolle. Das ZLM versucht in der Dienstplanung flexibel zu sein, aufgrund der personellen Situation gestaltet sich dies jedoch schwierig.

Wir bemühen uns aber auch aus eigenem Interesse und eigener Überzeugung schon sehr lange zielgerichtete, nachhaltige infrastrukturelle und personelle Wege zu gehen. So versuchen wir die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden stark zu berücksichtigen. Zum Beispiel haben wir in der Zeit der Corona-Pandemie Mitarbeitende, die Kinder haben, unterstützt, indem wir ein von uns finanziertes Nanny-Programm initialisiert haben. Wir versuchen unsere Kurierdienste möglichst umweltoptimiert operieren zu lassen. Die Lieferung innerhalb der Stadt wird durch einen Fahrradkurier bewerkstelligt. Für unsere Kurierautos evaluieren wir den Wechsel auf alternative Antriebskonzepte aus erneuerbaren Energien. Der Neubau unseres Laborgebäudes, den wir gerade planen, wird flächenverdichtet am selben Ort wie das bisherige Gebäude erstellt und mit passiver Heizung sowie Photovoltaik auf dem Dach und an der Fassade geplant. Außerdem erstellen wir für unsere Mitarbeitenden ein Verkehrskonzept, um den Individualverkehr zum und vom Arbeitsort zu reduzieren – mit finanzieller Unterstützung für den Erwerb eines Abonnements für den öffentlichen Verkehr.

Welche schwerpunktmäßigen Entwicklungen erwarten Sie für den Laborbereich der kommenden Jahre bezogen auf den medizinischen Bereich bzw. auf den technischen Bereich?

Korte: Ich denke, es wird sehr breit gefächerte Entwicklungen geben. Einerseits vermute ich, dass sich der Anspruch an das Labor verändern wird. Er wird sich vermehrt auf seine Rolle im strukturierten Patientenmanagement konzentrieren. Klinische Entscheidungen im Prozess werden sich, insbesondere auch in der zunehmenden ambulanten Patientenversorgung, vermehrt auf technische Hilfsmittel und Biomarker verlassen. Dies auch, weil die personellen Ressourcen in der klinischen Überwachung weiter abnehmen.

Andererseits nimmt die „personalized medicine“ als Behandlungsmodell langsam Gestalt an. Die „personalized medicine“ war lange Jahre eher ein Idealbild als ein umsetzbares Ziel. Dies hat sich geändert. Es gibt mittlerweile Technologien, die die (zumindest partielle) Erreichung dieses Zieles ermöglichen. Ich denke dabei z.B. an komplexe, hochperformante POC Diagnostik; implantierbare Sensoren mit digitalem feedback loop; personalisierte Pharmakogenetik und anderes mehr. Auch die Werkzeuge der Umsetzung werden weiterentwickelt (Digitalisierung und Robotisierung). Ich vermute, dass die Digitalisierung vermehrt auch den direkten Patientenkontakt betreffen wird; denn die immer schwieriger werdende Personalsituation reduziert den direkten Patientenkontakt.Ich nehme an, dass dies auch zur vermehrten Nutzung von Angeboten für online-Kontaktaufnahme führen wird: In meiner Erfahrung ist es für Patienten angenehmer mit jemanden online sprechen zu können als keinen direkten Kontakt haben zu können.

Zur Person:

Prof. Dr. Wolfgang Korte ist Facharzt für Hämatologie und Innere Medizin sowie Spezialist für Labormedizin FAMH (Schweiz). Nach einem klinischen Fellowship an der Universität von Colorado in Denver (USA), wurde er an der Universität Bern für das Fach Innere Medizin habilitiert. Seit 1990 am Kantonsspital St. Gallen und dem Institut für Klinische Chemie und Hämatologie des Kantons St. Gallen tätig, wurde er 2012 zum Chefarzt und CEO des neu gegründeten Zentrums für Labormedizin St. Gallen berufen. Prof. Korte hat das „Advanced Management Program“ der Universität St. Gallen absolviert. Er ist (Co-)Autor von rund 200 wissenschaftlichen Artikeln und Buchkapiteln, hat in verschiedenen Editorial Boards gedient und ist Past-Präsident der Schweizerischen Union für Labormedizin (SULM). Aktuell ist er Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) und deren Leitlinienbeauftragter. Er lebt mit seiner Familie in St. Gallen.

Dr. Jutta Jessen

Kontakt

Beckman Coulter GmbH

Europark Fichtenhain B 13
47807 Krefeld
Deutschland

+49 2151 333 5
+49 2151 333 633

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