Aus den Kliniken

Delir nach einer OP

27.03.2019 -

Das Universitätsklinikum Bonn startet eine Beobachtungsstudie mit 1.000 älteren Patienten zum postoperativen Delir.

Nach einer Operation sind gerade ältere Menschen häufig verwirrt. Sie können orientierungslos und unruhig sein sowie unter Halluzinationen, Angstzuständen oder Schlafstörungen leiden. Ein postoperatives Delir birgt die Gefahr einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit und ein erhöhtes Sterberisiko. Daher ist es wichtig, Delir gefährdete Personen bei der Behandlungsplanung frühzeitig zu erkennen. Dazu startete die Anästhesieambulanz am Universitätsklinikum Bonn ein Forschungsprojekt zur Erkennung des Risikos für postoperatives Delir. In der Beobachtungsstudie PROPDESC werden dazu im Laufe von zwölf Monaten 1.000 operative Patienten des Universitätsklinikums Bonn, die 60 Jahre und älter sind, untersucht.

Postoperatives Delir häufige Komplikation

Deutschlandweit steigt unter anderem durch den demographischen Wandel der Anteil älterer Patienten im Krankenhaus. So sind laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes mehr als die Hälfte der Behandelten, die operiert werden, 60 Jahre und älter. Die häufigste Komplikation dieser Patienten ist das postoperative Delir (POD). „Es gefährdet nachhaltig den Behandlungserfolg und führt sogar zu einer erhöhten Sterblichkeit“, sagt Dr. Jan Menzenbach, Leiter der Anästhesieambulanz an der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Bonn. In Folge eines Delirs kann selbstgefährdendes Verhalten zu Wundinfekten oder gar Knochenbrüchen führen. Zudem steigt bei fehlender Mitwirkung der Patienten durch Bettlägerigkeit die Gefahr, eine Lungenentzündung zu erleiden. Dies kann die Genesung beeinträchtigen – bis hin zu einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit oder sogar einem tödlichen Verlauf.

Hochrisiko-Patienten für Delir herausfiltern

„Aufgrund der Altersstruktur stationärer Patienten nimmt diese Problematik zu. Um dem entgegenwirken zu können, ist es wichtig, Delir gefährdete Menschen frühzeitig bei der Behandlungsplanung zu erkennen“, beschreibt Oberarzt Menzenbach seine Motivation, die Beobachtungsstudie PROPDESC zu initiieren. Zwar seien Delir begünstigende Faktoren wie Einschränkungen von Gedächtnis, Konzentration und Wahrnehmung sowie mehrere Begleiterkrankungen und Einnahme von vielen Medikamenten bekannt, doch würden diese nicht zur Vorhersage eines Delir-Risikos genutzt. „Kennen wir die Hochrisiko-Patienten aber, dann können wir uns auf sie konzentrieren und im Idealfall das Delir verhindern oder seine Länge reduzieren – und so auch die Langzeitfolgen“, bekräftigt Prof. Dr. Maria Wittmann, Leiterin der klinischen Studien an der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Bonn.

Insgesamt 1.000 Patienten, die 60 Jahre und älter sind, wird ein 18-köpfiges Team der Anästhesie am Universitätsklinikum Bonn in zwölf Monaten im Rahmen der Beobachtungsstudie PROPDESC untersuchen. Dazu analysiert es im Rahmen der OP-Vorbereitung in der Anästhesieambulanz erhobene Routine-Daten und den Behandlungsverlauf. Da ältere Patienten mit Einschränkungen von Gedächtnis und Orientierung besonders Delir gefährdet sind, werden diese Fähigkeiten getestet und Angehörige diesbezüglich befragt.

Behandlungsverlauf engmaschig beobachten

Ein postoperatives Delir tritt gehäuft in den ersten Tagen nach einem operativen Eingriff auf. Hierbei unterscheidet sich ein hyperaktiver Verlauf mit unruhigem und aggressivem Verhalten von der hypoaktiven Variante mit Verlangsamung, die häufig als Depression verkannt wird. In der Studie wird der Behandlungsverlauf in den ersten fünf Tagen nach der Operation engmaschig beobachtet. „Wir wollen Delir-Spitzen erkennen, um für diesen Zeitpunkt bei gefährdeten Patienten eine Visite mit gezielter Untersuchung auf Delir als Regel zu empfehlen“, sagt Oberarzt Menzenbach.

Foto, Obst und Kreuzworträtsel

Um ein Delir zu vermeiden, sind die Rückgabe von Hörgeräten, Brille, Uhr und vertrauten Fotos als Orientierungshilfen, sowie ausreichende Beleuchtung und frühe Mobilisation sinnvoll. Aber auch Angehörige können den Betroffenen helfen, sich wieder zu Recht zu finden. „Besuche nach der Operation sind ganz wichtig. Es ist die Phase, in der der Patient einen am meisten braucht“, sagt Oberärztin Prof. Wittmann. Eine Patientenbefragung nach sechs Monaten rundet die Studie ab. Als Ergebnis wird von den Studienleitern ein „Score“ zur Vorhersage eines POD-Risikos angestrebt. „Im folgendem sollen unsere Erkenntnisse Grundlage für ein verbessertes Delir-Management durch geeignete Prophylaxe und Therapie sein“, sagt Oberarzt Menzenbach, der eine Interventionsstudie mit dieser Fragestellung plant.

„Gerne war ich bei der Studie dabei und es hat Spaß gemacht. Warum soll man nicht einen Beitrag für die Gesundheit leisten, wenn man es kann“, sagt Tamara O. am sechsten Tag nach dem Eingriff. Die 70-Jährige Patientin selbst hatte keine Angst vor einem Delir, obwohl sie die Komplikation aus ihrer frühen Tätigkeit als Altenpflegerin kennt.

 

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